Zwei mundartliche Weihnachtserzählungen














Weihnachten derheeme

Woas is doas heute Wuchn vor Weihnachtn fer a Geteebse! Lichtwuchn, Niklasse, Wait Krismes und Werberummel; doas goabs frieher freilich nich, doa woar oalles noch scheen besinnlich, und Geist und 's Herze stelltn sich uff Weihnachtn ei. Wir Kinder duchtn oaber meistens oan die Geschenke, Kinder sein halt aso. Nee, so scheen woar Weihnachtn nie wieder wie doamoals, oals ich noch a Kind woar! Mer kunntns goarnich erwoartn, schunt im Summer, wenn der Geburtstoag verbei woar, gings Froagn los: "Mama, is baale Weihnachtn?"

Wenn dann so Oanfang Dezember der erschte Schnee fiel, doa wußtn wer: Nu kummt baale doas Christkind! Großmuttl soaß ei der Dunkelheet oam woarmn Own, 's Umschlagtuch um de Schultern und die Fisse uffm Ritschl. Ei der Ownrehre prutzltn moanchmoal a poar Äppel fer uns Kinder, Mutter woar ei der Kiche und machte zwee Riesenpfoannen Broatkartuffln, der Voater, die Knechte und Mägde woarn ei a Ställn zum Kiehemelken und Viehfittern, und derweiln erzählte uns Großmuttl: Der Rupprecht wirde nu baale kumm und sich umsähn, wo ieberoall Kinder wärn und ob se oo oartig woarn! Doa rägte sich doas kleene Gewissn schunt, immer hoattn wer oo nich pariert, die Schwester geärgert, mitm Bruder gezankt, oaber Großmutti trestete: "Es wird schunt nich aso schlimm wern, ihr mißt halt scheen bätn und vielleicht a Liedl singn, doa läßt er die Rutte schunt steckn und nimmt a Wunschzädl mitte, vielleicht hullt er oo an Oappl und a poar Nisse ausm Sacke."

Und dann koam er eenes Oabends oo wirklich! Der Hund bellte, 's pulterte und dunnerte oan de Haustire. Wir zittertn! Der Voater ließn rei, und doa stoand er mitm Moale ei der Stube, an dickn Kutscherpelz hoatte er oan, ne Pudelmitze uffm Kuppe, anne Loarve mitm langn grauen Boart vorm Gesichte, an Riem um a Bauch, hinter dam die Rutte steckte, Langschäfter oan a Fissn und an großn Sack uffm Puckl. Die kleene Schwester noatschte, mei Bruder woar käseweiß ver Schreck, und ich woar stumm ver lauter Angst. Uff seine Froagn nicktn wer bloß mit a Keppn, oaber bätn kunntn wer, bloß mitm Liede kloappte es nich, doa hoalf die gude Großmuttl mit ihrer dinnen Stimme: "Oalle Joahre wieder...". 's woar ne Erleesung, wie er mit der Rutte a Takt doazu schlug. Nu steckt er die Wunschzädl ei die Toasche und hüllte mit der andern Hand fer jedn von uns an scheenen rotn Oappl ausm Sacke. Oals er nu furt woar, doa stundn die Guschn nich mehr stille, vo Angst woar nischt mehr zu spiern.

Oam andern Tage erzählt ich's Appler Koarln. "Nu", soagt er, "der sull och kumm, der Jirge, weeßte woas ich bäte? Rupprecht, Rupprecht Bäsenstiel, deine Kinder fressen viel, oalle Tage a Fimfbeembrot, nimm de Keule, schloag se tot!" Nee, doas verschlug mer die Sproache, doas woar ja lästerlich und frech, doas wirde bestimmt nich gutt gehn, doa wirde er wull die Rutte uff seim Puckl toanzn loassn. Koarle hoat danoach nich mehr mit mir doariber geredt, obs gutt gegangn woar? 's woar wull schief gegangn.

Später, oals ich schunt im drittn Schuljoahr woar, mußtn wer noachmittags ei de Schule. Um viere fings schunt oan dunkl zu werdn. Doa knipste unser Lährer 's Licht aus, steckte anne Kerze uffm Katheder oan und loas uns Geschichtn vom Christkindl vor, wie's ausm Himmel uff die Erde kummt und mit seinen Geschenkn ei oalle Häuser geht, nich bloß zu a Reichn, nee, oo zu a Oarmen. Ach, woar doas scheen! Doa ging eem so richtig doas Herze uff, oam liebstn wern wer noch ei der Schule gebliebn, oaber wir mußtn ja heem, oo wenn uns der kaale Ostwind Eisnoadln eis Gesichte trieb. Und doa koam doch moanchmoal so a kleener struppiger Rupprecht mitm Strohseil um a Bauch und joagte uns mit seiner Rutte vor sich her, doas woar a Osterjunge, eener, der erscht Ostern aus der Schule gekumm woar und nu im erschten Joahr beim Pauern diente. Der wullte sei Mietchen oan uns Kindern kieln. Aber eemoal hoan mer gelacht: Doa tauchte vo der andern Seite oo so a zerlumpter Rupprecht mit schwoarzm Gesichte uff, und doa krigtn die beedn mitanander Krach und hiebn mit a Ruttn uff sich luus, doa konntn wer schnell doas Weite suchn.

Endlich woar nu Heiljer Oabend! Um fimwe woar Christnacht ei der Kirche. Vorm Altar stoand a hoher Tannenbaum mit funkelnden Kerzn, unter däm die Krippe uffgebaut woar. Dann gings heem, während die Glocken die Feiertage einläuteten. Derheeme stoand schunt 's Essen uffm Tische: Nudlsuppe, Pekelfleesch mit Kleeßln und Sauerkraut und viel Sose, doanoach weiße Wirschte und hingerher Mohkleeßl, bis wer oalle vull woarn. Es tauerte uns viel zu lange bis zur Einbescherung, aber wenn dann de Tire uffging und die Kerzn stroahltn, doa wurde eem so woarm ums Herze, und dann gingn wer nei, Großknecht, Großmoagd, Ferdeknecht und Mägde und zuletzl Osterjunge und Ostermädl. Oalle stelltn wer uns um a brennenden Christbaum und soangn: Stille Nacht, heilije Nacht...! Endlich kunntn wer die Geschenke besähn. Die kleenste Schwester hoatte a Schaukelferd gekriggt, doas mein Bruder und mir sihr bekannt vorkoam. Später wußte ichs, 's woar doas uffpolierte Ferd, doas mei Voater schunt oals kleener Junge gerittn hoatte. Die andre Schwester hoatte anne Puppe, mei Bruder an Ferdestoall und ich an Steenbaukoastn, a poar Sissigkeetn, Äppl und Nisse und natirlich oo Fefferkuchn. Der Großknecht bekoam anne woarme Sunntagjacke, die Großmoagd an Bettbezug fer die Aussteuer und die andern kriggten woarmes Underzeug, Jackn fer die Arbeet und Hulzloatschn, Schürzn, und oalle hoattn se noch Silbergeld uff ihrem Ploatze liegn.

Oals die Großmuttl noch läbte, loas se die Weihnachtsgeschichte aus der Bibel vor und es wurde gesungn. Wenns dann uffm Säger uff zwölwe zuging, goabs fer oalle Gliehwein mit Nelkn und Zimt und Fefferkuchn doazu. Ihr kennt Euch denkn, wie gutt's dann in der Stube ruch, so richtig noach Weihnachten.

So scheen woar Weihnachtn nie wieder wie doamoals, als ich noch a Kind woar!

Alfred Grosser (1914-1997), LHB 6/1986


De Weihnachtsieberroaschung

De Heelige Nacht hotte ihre Orme ieber derr Heemte ausgebreetet. Ei a Stuba brannta die Lichtla uff a Christbeem, derr Rupprich woar dogewasen und hotte a Kinderlan senn Saack ausgeschutt und die hotten zitternd und nurklich ihre Gebate uffgesoat und die Lieder gesunga.

Ooch bei Hielschern woarsch asu gewast. Noachdam derr Rupprich zerr Tiere naus woar, machta se sich olle ieber de schien Broatwerschtel mit Kriene und Sauerkraut, brauner Putter und Stompkatuffeln har, und dann woarn se ei de gude Stube geganga, wu de die beeda Junga, woas de a poar lausige Perschla woarn, iebersch Spielzeug luszugen und de Faffernißla verkneppta.

De Oma woar zu Besuch gekumm und derr Onkel Theodor ooch. Die mußta sich beede uffs Kanapee setza und de Mutter hotte ock eegol oa dan Junga zu räda, doaß is ni glei Womste goab, weil eener immer groade doas Spielzeug wullde, woas de dar andre hotte.

De Mutter, is Lenla, woar immer siehr fersch Moderne und do ploante doch nu derr Voater noch eene ganz besundersch schiene Ieberroaschung ferr se. Ar hotte an neun Wosserhoahn gekeeft, dan ar semm Lenla genau ieber derr Uwaplotte oamacha wullde. Durt woar schunt a Oaschluß derrfiere do, und weil a semm Weibla goar zu gärne jedn Wunsch vu a Ooga obloas und do doas fersch Lenla siehr bequäm war, sullte die Mongtaasche noch heemlich hinte obend vier sich giehn. -

Ar plinzelt 'm Onkel Theodor a bissel zu und se verschwinda beede ei de Kiche. Derrweile hoan sich de Oma und is Lenla asu viel zu derrzahln und uff die klenn Riepel uffzupossa, doaß se oa goarnischt Bieses ni denka. Bis uff eemol de Mutter eim Derrzahln oahält und hurcht. Se hiert a Geurber, olls wenn ei dar Kiche 'n richtiggiehnde Lukmotive immer eim bestimmta Oabstande - asu ruckweise - Dompf oabziehn läßt. Zuirschte guckt se uff die beeda Heeken, oaber dan ihre Eisenboahne fährt ohne Dompfe, und die war ju ooch viel zu kleen, an sulchen Spektakel zu macha. Do hurcht se noch an ganze Weile und soat nischt. Wie oaber doas "Ha - pschu" goar nich uufhiert, werd's err unheemlich, se stieht uuf und wiel ämol noachsahn. Se macht de Kichatiere uf - und dar Schreck fährt err ei olle Glieder! Denn ei dam Oogablicke treetscht err anne Fitze eiskaales Wosser bis oa de Knechel. De ganze Kiche schunt a eenzjer See! Derr Kohlnkosta und de Ritsche schwimm vu enner Ecke ei de andre.

"Im Himmelswilln!" prillt se, "woas gieht denn hier vier sich??" Und wie sich's Lenla nu imsieht, wu de doas Wosser eenglich harkimmt, do sieht se 'n Moan mit oller Gewalt een Wosserhoahn ei de Leitung ieberm Uwa dricka, und derrhinger stieht derr Onkel Theodor und stemmt, su viel ar bluuß koan, 'm Monne de Orme eis Kreuze, derrmitte, doaß dar noch grißre Gewalt kriega sull. Und derrbeine kimmt mit eener ferchterlichen Wucht a dicker Wosserstroahl aus'm Ruhre und ploanscht de ganze Kiche vuul. Do pläkt's ooch schunt aus derr guda Stuba: "Lenla, Lenla, woas ies denn luus? Wu kimmt denn eenglich doas viele Wosser har? Hie kumma ju menne Filzloatscha oageschwumm. Woas ies denn luus? Hie stieht ju'n gruße Luusche Wosser! Jesses nee, doas werd ju immer schlimmer! Woas machter denn bluuß?"

Do gieht's ooch schunt bei a Junga luus: "Mutter, Voater, merr hoan ganz nosse Fisse, hiert ock nu bluuß mit dam Geploansche uuf!"

Wie gärne täten se, wenn se kennten!

Derr Voater hätte äbenst zuirschte missa a Haupthoahn eim Kaller obstalln, ehb ar mit dam Rimgedukter oagefanga hätte. Nu isses zu spät. Wie se oan a Haupthoahn denka, fällt'n ei, doaß dar bei Leuta aus'm Hause eim Kaller ies, die de bis uff Brassel verreest sein; ieber de ganza Feiertaage. Nu kenn se ju unmeeglich woarten, bis die zerricke sein, denn doas Wosser stroahlt und steigt ju immer noch.

'n klinnsten vu a Junga setza se uffs Kanapee. Dar noatscht zum Steenerweechen, denn dar hott verr Uffrägung a Taller mit'm Noaschzeuke folln geloon, wie an wullde ei Sicherheet brenga; de Mazepanschweinla, de Schuckloaderuppriche, de Fafferkuchenherza und de Nisse schwimma ei dar Stube rim. Derr Gruße oaber, ferr dan die Ieberschwemmung a tuller Spick ies, boadt bis oa de Knechel eim Wosser rim, fischt sich doas Zeug vum Kleen raus, hält's 'm hien und pläkt: "Willstes hoan?" Und wenn dar derrnoach groabscht, steckt ar sich's salber ei a Schnoabel.

De Grußmutter stieht machtlus derrnaben und jommert: "Nee, ihr Leute, wenn ich doas gewußt hätte, hie wärsch ju richtjer gewasen, ich hätte dan Junga stotts derr Eisenboahne a Boot geschankt. Nee, ihr Kinder, woas denkter denn, mier missa ju sahn, doaß merr hie noch beizeita aus dar Stube rauskumm. Wingsten de Kinder, wäger mier aalm Weibe isses ju nich."

Und's Lenla stieht hinger dan Männern und noatscht: "Nee, su a Heeliger Obend! Ach, Moan, hättste ock doas sein geloon. Du bist ju noaß wie an geboadte Koatze! Gieht denn dar verflischte tumme Hoahn immer noch ni nei? Dei guder Oazug! Doas neue Hemde! Theodor, du bist ju genau asu noaß!"

Die beeda Männer oaber dricken wetter, und woas se baale salber nimmie gleeba, doas kriega se werklich fertch: derr Hoahn werd feste und is Wosser hiert uuf zu treetschen. -

Derrnoachert hotta se noch bis ei de Nacht mit Wosserscheppa zu tun und richtig trucka krigta se doas Zeug noach a poar Taga irschte.

Oaber doaß'm Voater de Weihnachtsieberroaschung geglickt woar, do zweifelte keener droan.

Barbara Bartos-Höppner (1923-2006), LHB 23/1957


Wenn es Ihnen nicht gelingt oder zu mühevoll ist, die beiden mundartlichen Texte zu lesen, folgt hier eine vorläufig unsichtbare "Übersetzung ins Hochdeutsche". Sie zerstört natürlich viel von der anheimelnden Atmosphäre der schlesischen Mundart. Um den Text sichtbar zu machen, ziehen Sie den Mauszeiger darüber, als wollen Sie kopieren.

Weihnachten derheeme

Weihnachten zu Hause

Was ist das heute Wochen vor Weihnachten für ein Getobe! Lichtwochen, Nikolause, White Christmas und Werberummel; das gabs früher freilich nicht, da war alles noch schön besinnlich, und Geist und das Herz stellten sich auf Weihnachten ein. Wir Kinder dachten aber meistens an die Geschenke, Kinder sind halt so. Nein, so schön war Weihnachten nie wieder wie damals, als ich noch ein Kind war! Wir konntens gar nicht erwarten, schon im Sommer, wenn der Geburtstag vorbei war, gings Fragen los: "Mama, ist bald Weihnachten?"

Wenn dann so Anfang Dezember der erste Schnee fiel, da wussten wir: Nun kommt bald das Christkind! Großmutter saß in der Dunkelheit am warmen Ofen, das Umschlagtuch um die Schultern und die Füsse auf der Fußbank. In der Ofenröhre brutzelten manchmal ein paar Äpfel für uns Kinder, Mutter war in der Küche und machte zwei Riesenpfannen Bratkartoffeln, der Vater, die Knechte und Mägde waren in den Ställen zum Kühemelken und Viehfüttern, und inzwischen erzählte uns Großmutter: Der Rupprecht wird nun bald kommen und sich umsehen, wo überall Kinder wären und ob sie auch artig waren! Da regte sich das kleine Gewissen schon, immer hatten wir auch nicht pariert, die Schwester geärgert, mit dem Bruder gezankt, aber Großmutter tröstete: "Es wird schon nicht so schlimm werden, ihr müsst halt schön beten und vielleicht ein Lied singen, da lässt er die Rute schon stecken und nimmt den Wunschzettel mit, vielleicht holt er auch einen Apfel und ein paar Nüsse aus dem Sack."

Und dann kam er eines Abends auch wirklich! Der Hund bellte, es polterte und donnerte an der Haustür. Wir zitterten! Der Vater ließ ihn rein, und da stand er mit einem Male in der Stube, einen dicken Kutscherpelz hatte er an, eine Pudelmütze auf dem Kopf, eine Larve mit einem langen grauen Bart vorm Gesicht, einen Riemen um den Bauch, hinter dem die Rute steckte, Langschäfter an den Füßen und einen großen Sack auf dem Rücken. Die kleine Schwester weinte, mein Bruder war käseweiß vor Schreck, und ich war stumm vor lauter Angst. Auf seine Fragen nickten wir bloß mit den Köpfen, aber beten konnten wir, bloß mit dem Lied klappte es nicht, da half die gute Großmutter mir ihrer dünnen Stimme: "Alle Jahre wieder…" Es war eine Erlösung, wie er mit der Rute den Takt dazu schlug. Nun steckte er die Wunschzettel in die Tasche und holte mit der anderen Hand für jeden von uns einen schönen roten Apfel aus dem Sack. Als er dann fort war, da standen unsere Münder nicht mehr still, von Angst war nichts mehr zu spüren.

Am andern Tag erzählte ich es Appler-Karl. "Nun, sagte er, "der soll nur kommen, der Kerl, weißt du, was ich bete? Rupprecht, Rupprecht Besenstiel, deine Kinder fressen viel, alle Tage ein Fünf-Böhmen-Brot, nimm die Keule, schlag sie tot!" Nein, das verschlug mir die Sprache, das war ja lästerlich und frech, das würde bestimmt nicht gutgehen, da würde er wohl die Rute auf seinem Rücken tanzen lassen. Karl hat danach nicht mehr mit mir darüber geredet, obs gut gegangen war? Es war wohl schiefgegangen.

Später als ich schon im dritten Schuljahr war, mussten wir nachmittags in die Schule. Um vier fings schon an, dunkel zu werden. Da knipste unser Lehrer das Licht aus, steckte eine Kerze auf dem Katheder an und las uns die Geschichte vom Christkind vor, wie es aus dem Himmel auf die Erde kommt und mit seinen Geschenken in alle Häuser geht, nicht bloß zu den Reichen, nein, auch zu den Armen. Ach, war das schön! Da ging einem so richtig das Herz auf, am liebsten wären wir noch in der Schule geblieben, aber wir mussten ja heim, auch wenn uns der kalte Ostwind Eisnadeln ins Gesicht trieb. Und da kam doch manchmal so ein kleiner struppiger Rupprecht mit einem Strohseil um den Bauch und jagte uns mit seiner Rute vor sich her, das war ein Osterjunge, einer, der erst Ostern aus der Schule gekommen war und nun im ersten Jahr beim Bauern diente. Der wollte sein Mütchen an uns Kindern kühlen. Aber einmal haben wir gelacht. Da tauchte von der anderen Seite auch so ein zerlumpter Rupprecht mit schwarzem Gesicht auf, und da kriegten die beiden miteinander Krach und hieben mit den Ruten auf sich los, da konnten wir schnell das Weite suchen.

Endlich war nun Heiligabend! Um fünf war Christnacht in der Kirche. Vor dem Altar stand ein hoher Tannenbaum mit funkelnden Kerzen, unter dem die Krippe aufgebaut war. Dann gings heim während die Glocken die Feiertage einläuteten. Zu Hause stand schon das Essen auf dem Tisch: Nudelsuppe, Pökelfleisch mit Klößen und Sauerkraut und viel Soße, danach weiße Wüstchen und hinterher Mohnklöße, bis wir alle voll waren. Es dauerte uns viel zu lange bis zur Einbescherung, aber wenn dann die Tür aufging und die Kerzen strahlten, da wurde einem warm ums Herz, und dann gingen wir hinein, Großknecht, Großmagd, Pferdeknecht und Mägde und zuletzt Osterjunge und Ostermädchen. Alle stellten wir uns um den brennenden Christbaum und sangen: Stille Nacht, heilige Nacht…! Endlich konnten wir die Geschenke ansehen. Die kleinste Schwester hatte ein Schaukelpferd bekommen, das meinem Bruder und mir sehr bekannt vorkam. Später wusste ich, es war das aufpolierte Pferd, das mein Vater schon als kleiner Junge geritten hatte. Die andere Schwester hatte eine Puppe, mein Bruder einen Pferdestall und ich einen Steinbaukasten, ein paar Süßigkeiten, Äpfel und Nüsse und natürlich auch Pfefferkuchen. Der Großknecht bekam eine warme Sonntagsjacke, die Großmagd einen Bettbezug für die Aussteuer und die anderen bekamen warme Unterwäsche, Jacken für die Arbeit und Holzlatschen, Schürzen, und alle hatten sie noch Silbergeld auf ihrem Platz liegen.

Als die Großmutter noch lebte, las sie die Weihnachtsgeschichte aus der Bibel vor und es wurde gesungen. Wenn dann der Zeiger auf die Zwölf zuging, gab es für alle Glühwein mit Nelken und Zimt und Pfefferkuchen dazu. Ihr könnt euch denken, wie gut es dann in der Stube roch, so richtig nach Weihnachten.

So schön war Weihnachten nie wieder wie damals, als ich noch ein Kind war!


De Weihnachtsieberroaschung

Die Weihnachtsüberraschung

Die Heilige Nacht hatte ihre Arme über der Heimat ausgebreitet. In der Stube brannten die Lichter auf dem Christbaum, der Rupprecht war dagewesen und hatte den Kindern seinen Sack ausgeschüttet und die hatten zitternd und stotternd ihre Gebete aufgesagt und die Lieder gesungen.

Auch bei Hielscher war es so gewesen. Nachdem der Rupprecht zur Tür hinaus war, machten sie sich alle über die schönen Bratwürste mit Kriene (?) und Sauerkraut, brauner Butter und Stampfkartoffeln her, und dann waren sie in die gute Stube gegangen, wo die beiden Jungen, die ein paar lausige Bürschlein waren, über das Spielzeug loszogen und die Pfeffernüsse verspeisten.

Die Oma war zu Besuch gekommen und der Onkel Theodor auch. Die mussten sich beide aufs Kanapee setzen und die Mutter hatte auch dauernd mit den Jungen zu reden, dass es nicht gleich Schläge gab, weil einer immer gerade das Spielzeug wollte, was der andere hatte.

Die Mutter, das Lenchen, war immer fürs Moderne und da plante doch nun der Vater noch eine ganz besonders schöne Überraschung für sie. Er hatte einen neuen Wasserhahn gekauft, den er seinem Lenchen genau über die Ofenplatte anmachen wollte. Dort war schon ein Anschluss dafür da, und weil er seinem Weiblein gar zu gerne jeden Wunsch von den Augen ablas und weil das für Lenchen sehr bequem war, sollte die Montage noch heimlich heute Abend vor sich gehen.

Er blinzelt dem Onkel Theodor ein bisschen zu und sie verschwinden beide in der Küche. Inzwischen haben sich die Oma und das Lenchen so viel zu erzählen und auf die kleinen Rüpel aufzupassen, dass sie auch an gar nichts Böses denken. Bis auf einmal die Mutter im Erzählen innehält und horcht. Sie hört ein Gerumpel, als wenn in der Küche eine richtiggehende Lokomotive immer im bestimmten Abstand - so ruckweise - Dampf abziehen lässt. Zuerst guckt sie auf die beiden Heeken (Häkchen?), aber deren Eisenbahn fährt ohne Dampf, und die war ja auch viel zu klein, einen solchen Spektakel zu machen. Da horcht sie noch eine ganze Weile und sagt nichts. Wie aber das "Ha-pschu" gar nicht aufhört, wird es ihr unheimlich, sie steht auf und will einmal nachsehen. Sie macht die Küchentür auf und der Schreck fährt ihr in alle Glieder! Denn in dem Augenblick tritt sie in eine Pfütze eiskalten Wassers bis an die Knöchel. Die ganze Küche ist schon ein einziger See! Der Kohlenkasten und die Fußbank schwimmen von einer Ecke in die andere.

"Um Himmelswillen!" brüllt sie, "was geht denn hier vor sich??" Und wie sich das Lenchen umsieht, wo denn das Wasser eigentlich herkommt, da sieht sie ihren Mann mit aller Gewalt einen Wasserhahn in die Leitung über dem Ofen drücken, und dahinter steht der Onkel Theodor und stemmt, so sehr er bloß kann, ihrem Mann die Arme ins Kreuz, damit der noch größere Gewalt kriegen soll. Und dabei kommt mit einer fürchterlichen Wucht ein dicker Wasserstrahl aus dem Rohr und planscht die ganze Küche voll. Da schreit's auch schon aus der guten Stube: "Lenchen, Lenchen, was ist denn los? Wo kommt denn eigentlich das viele Wasser her? Hier kommen ja meine Filzlatschen angeschwommen. Was ist denn los? Hier steht eine große Pfütze Wasser! Jesus, nein, das wird ja immer schlimmer! Was macht er denn bloß?"

Da geht's auch schon bei den Jungen los: "Mutter, Vater, wir haben ganz nasse Füße, hört doch nun bloß mit dem Geplansche auf!"

Wie gern täten sie das, wenn sie könnten!

Der Vater hätte eben zuerst müssen den Haupthahn im Keller abstellen, ehe er mit dem Rumgedoktor angefangen hätte. Nun ist es zu spät. Wie sie an den Haupthahn denken, fällt ihnen ein, dass der bei Leuten aus dem Haus im Keller ist, die bis nach Breslau verreist sind; über die ganzen Feiertage. Nun können sie ja unmöglich warten, bis die zurück sind, denn das Wasser strahlt und steigt ja immer noch.

Den kleinsten von den Jungen setzen sie aufs Kanapee. Der weint zum Steinerweichen, denn er hat vor Aufregung einen Teller mit Naschzeug fallen gelassen, als er ihn wollte in Sicherheit bringen; die Marzipanschweinchen, die Schokoladenrupprechte, die Pfefferkuchenherzen und die Nüsse schwimmen in der Stube rum. Der Große aber, für den die Überschwemmung ein toller Spaß ist, badet bis an die Knöchel im Wasser rum, fischt sich das Zeug vom Kleinen raus, hält es ihm hin und schreit: "Willst du's haben?" Und wenn der danach grapscht, steckt er sich's selber in den Schnabel.

Die Großmutter steht machtlos daneben und jammert: "Nee, ihr Leute, wenn ich das gewusst hätte, da wär es ja richtiger gewesen, ich hätte den Jungen statt der Eisenbahn ein Boot geschenkt. Nein, ihr Kinder, was denkt ihr denn, wir müssen ja sehen, dass wir hier noch beizeiten aus der Stube rauskommen. Wenigstens die Kinder, wegen mir altem Weib ist es ja nicht."

Und das Lenchen steht hinter den Männern und nörgelt: "Nein, so ein Heiligabend! Ach, Mann, hättest du das doch sein lassen. Du bist ja nass wie eine gebadete Katze! Geht denn der verflixte dumme Hahn immer noch nicht rein? Dein guter Anzug! Das neue Hemd! Theodor, du bist ja genauso nass!"

Die beiden Männer aber drücken weiter, und was sie beinahe selber nicht mehr glauben, das kriegen sie wirklich fertig: der Hahn wird fest und das Wasser hört auf zu sprudeln.

Danach hatten sie noch bis in die Nacht mit Wasserschleppen zu tun und richtig trocken kriegten sie das Zeug erst nach ein paar Tagen.

Aber dass dem Vater die Weihnachtsüberraschung geglückt war, daran zweifelte keiner.