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Konrad Klose, Geschichte der Stadt Lüben, Verlag Kühn Lüben, 1924, S. 18/19
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friedensbruch und Wegelagerei). Diese Delikte waren dem Vogt-
ding vorbehalten, welches vom Landvogt27) dreimal im Jahre ge-
halten wurde. Ziemlich früh wurde die Kompetenz des Stadtge-
richts erweitert. Am 15. August 129528) verordnete Herzog Kon-
rad im Interesse seiner Bürger von Lüben und zur Abwehr einiger
Uebeltäter, "daß wer immer, auch seine Vasallen nicht ausgenom-
men, Gewalttätigkeiten, Totschläge, Verwundungen, Blauschläge,
Plünderungen oder andere Frevel in der Stadt Lüben oder im
Bereiche des Grenzzaunes (in confinio sepis) verübte, vor dem
Erbvogt der Stadt sich verantworten sollte". Damit hörten die
Exemtionen innerhalb des städtischen Weichbildes auf; auch die
Juden29) und der Adel wurden der Gerichtsbarkeit des Erbvogts
unterstellt, sofern das in Betracht kommende Delikt innerhalb des
Stadtgebiets geschehen war. Die andern Städte des Glogauer
Fürstentums erlangten das gleiche Vorrecht. Darauf basierte das
Rechtsschutzbündnis, welches die Fürstentumsstädte Glogau,
Sagan, Freystadt, Steinau, Sprottau, Fraustadt, Lüben, Guhrau,
Krossen und Grünberg zum Schutz gegen Landfriedensbrecher am
29. Jui 1310 abschlossen30). Damals lag den Erbvögten dieser
Städte die Strafverfolgung der gemeingefährlichen Verbrechen
jeder Art ob. Die Landvogtei war inzwischen gefallen31); ihre
Kompetenzen, soweit sie die Stadt betrafen, waren an den Erb-
vogt übergegangen. Räumlich wurde die Zuständigkeit des Lübe-
ner Stadtgerichts durch die Einverleibung Altstadts in das städti-
sche Weichbild erweitert32).
Der Rechtszug ging vom Stadtgericht an das Hofgericht, das
ursprünglich in der herzoglichen Residenz tagte, später aber infolge
der mangelhaften Verkehrsverhältnisse lokalisiert wurde. Für jede
Weichbildstadt wurde ein besonderes Hofgericht mit einem Hof-
richter geschaffen. Da bereits 1322 und 1324 der judex curiae
Konrad genannt wird33), mag Lüben bald nach dem Erlöschen der
Landvogtei ein Hofgericht erhalten haben. Die Hofbank war mit
2 Bürgern und 5 Schulzen besetzt34). Sehr bald erreichte der land-
sässige Adel die Exemtion vom Hofgericht und erhielt seinen Ge-

27 Der Landvogt - advocatus provincialis - in Lüben wird ge-
nannt 1.8.1298 S. R. 2517; 16.1.1299 S. R. 2537; 23.5.1299 S. R. 2548.
28 S. R. 2376. Die Urkunde ist im Anhange abgedruckt.
29 16.8.1431 geben Herzog Ludwig und Herzogin Elisabeth dem
Juden Merckel von Lüben einen Geleitbrief in ihren Landen. Staats-
Archiv Rep. 28. II. 5.c.
30 S. R. 3350.
31 Die oben angegebenen Erwähnungen des Landvogts sind die letzten.
32 23.4.1319 S. R. 3910.
33 10.3.1322 S. R. 4236 und 23.6.1324 S. R. 4360.
34 cf. Matußkiewicz a.a.O. S. 109. Die Erwähnung der Zusammen-
setzung der Lübener Hofbank datiert allerdings erst seit 1494, als der
Adel bereits eximiert war.
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richtsstand vor dem Manngericht, das für das Lübener Weichbild
vermutlich noch im XIV. Jahrundert geschaffen wurde35).
In einzelnen Fällen - namentlich da, wo der Stadt rechtliche
Verbindlichkeiten erwuchsen - zeichnen Ratmann und Schöffen
gemeinsam als Vertreter der Stadt36). Als später die Erbvogtei
von der Stadt erworben und der Vogt städtischer Beamter wurde,
übte er nicht nur richterliche Funktionen aus, sondern bekleidete
gleichzeitig die Stelle eines Syndicus. Er war berechtigt, Vor-
lagen des Rats in Empfang zu nehmen und dagegen Einspruch zu
erheben, falls sie der Stadt zum Nachteile gereichen konnten. Des-
halb erhielt der Vogt nicht Sitz und Stimme im Ratskollegium,
um ihm seine unabhängige Stellung zu wahren37).
Endlich sind die Geschworenen zu nennen, die in Lüben zum
ersten Male 1357 erscheinen38). Sie sind die Vertreter der Innun-
gen, welche Anteil an der Stadtverwaltung erstrebten und erhiel-
ten. Die Geschworenen wurden vom Rat gewählt und vereidigt
und bildeten eine Kommission zur Kontrolle der städtischen Kassen-
und Vermögensverwaltung. Später traten der Rat, die Schöp-
pen, die Aeltesten und Geschworenen gelegentlich als "Kommuni-
tät" zusammen, um ihr Votum bei wichtigen, die Allgemeinheit
berührenden Fragen abzugeben.
Schwierig gestaltete sich von vornherein für die junge Stadt
die Beschaffung des notwendigen Grund und Bodens. Der Platz,
der für die Anlage der eigentlichen Stadt und ihrer Umwehrung
vom Landesherrn zur Verfügung gestellt wurde, war räumlich
sehr beschränkt. Die Feldmarken von Altstadt, Mallmitz und
Samitz engten ihn von allen Seiten ein. Dazu kam, daß das zum
Kartell gehörige Kronland nicht vollständig zur Bebauung aufge-
teilt wurde, sondern zum Teil bei dem Schlosse verblieb. Als nun
die Stadt über die Wälle hinauswuchs, mußte vor dem Stei-
nauer und Liegnitzer Tor
für die dort entstehenden Vorstädte fis-
kalisches Terrain in Anspruch genommen werden. Beide Vorstädte
blieben daher rechtlich von der Stadt gesondert; sie unterstanden
der Jurisdiktion und Polizeigewalt des landesherrlichen Amtes.

35 Tschoppe u. Stenzel, Urkundensammlung zur Geschichte des Ur-
sprungs der Städte S. 218 Anm. Im Jahre 1402 erklärten die Manne
von Haynau und Lüben, Herzog Heinrich habe in seinem Prozeß mit
den Brüdern Loiska erklärt, falls die Mannen das Recht nicht finden
könnten, möchten sie es sich weisen lassen. - cf. auch Rep. 9 Nr. 211.
Urkunde vom 21.10.1429.
36 z. B. bei der Uebernahme der Bibliothekstiftung des Marcus
Sculteti 28.7.1485 Collegiatstift Glogau Nr. 379.
37 Rep. 28. O. A. Lüben XI. Am 30.8.1706 beschweren sich
Schöffen und Geschworene darüber, daß dem Ratmann Samuel Scholz
die Stadtvogtei übertragen werden soll. Nach alter Observanz habe nie
ein Ratmann diesen Posten bekleidet. Die Begründung entspricht den
oben gemachten Ausführungen.
38 Lehnsurkunde I. 332.