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vom städtischen Bierverlag befreit. So hatte die Stadt die Hälfte
der Dörfer eingebüßt, in denen sie das Schrotrecht besessen hatte.
Sie übte es forthin noch in Altstadt, Guhlau, Klaptau, Knieg-
nitz, Großkrichen, Mallmitz, Muckendorf, Oberau, Ossig, Samitz,
Schwarzau, Ziebendorf und später Lübenwalde aus.
So waren geordnete und übersichtliche Verhältnisse geschaffen,
und im allgemeinen hörten die Klagen über die Störung des
städtischen Schrotrechts auf. In der preußischen Zeit mußte aller-
dings gelegentlich wieder durchgegriffen werden. Im Jahre 1749
ordnete die Kammer Visitationen auf den Dörfern an, die von
einem Ratmann, dem Polizeiausreiter und einem Bürgerältesten
vorgenommen werden sollten, um Übergriffe gegen das Schrot-
recht festzustellen. Der Magistrat wachte seinerseits mit Argus-
augen darüber, daß nicht neue Schmälerungen des Urbars er-
folgten. Sie drohten, wie bereits früher erwähnt, bei der An-
legung neuer Dörfer. Die Stadt verhinderte die von Herrn von
Grumkow in Guhlau geplante Dorfanlage in der Postmeisterheide
und eine Dorfgründung an der Steinauer Kreisgrenze, die Herr
von Wechmar in Zedlitz beabsichtigte. In beiden Fällen forderten
die betreffenden Dominialbesitzer die Schankgerechtigkeit in den
neuen Dörfern. Aber die Stadt behielt mit ihrem Einspruch recht.
Bohlendorf, welches Oberst von Bohlen 1777 anlegte, lag bereits
jenseits der Meile, ebenso Friedrichswalde, das Graf d'Hausson-
ville in Obergläsersdorf bei der Niedereiche begründete. In-
zwischen war die Stadt mit Frau von Franckenberg auf Mucken-
dorf in Streit geraten. Dort hatte ein städtischer Visitator am
12. Juli 1767 Lübener Bürger im Kretscham beim Biere getroffen.
Das war nach dem kaiserlichen Reskript vom 7. Mai 1712 straf-
fällig. Überdies hielt sich der Muckendorfer Kretschmer nicht an
die Bestimmung, Achtel um Achtel abwechselnd Lübener und Lieg-
nitzer Bier zu schenken. Es kam zu einem langwierigen Prozeß,
der 1776 in zweiter Instanz zugunsten der Stadt entschieden
wurde. Je länger je mehr regte sich bei den Herrschaften der
Widerstand gegen den lästigen Bierverlag der Stadt. Sie suchten
ihn durch Ablösung oder Abfindung mit einer Pauschalsumme
loszuwerden. Aber die Stadt gab nicht nach. Erst das Edikt vom
20. Oktober 1810 hob den Getränkezwang auf.
Ehe wir auf die dadurch notwendig gewordene Umgestaltung
des städtischen Brauwesens eingehen, sei noch kurz der eigentliche
Braubetrieb geschildert. Observanzmäßig waren die 144 brau-
berechtigten Häuser in 48 Gruppen zu je 3 Parteien geteilt, die in
regelmäßigem Turnus je ein Gebräu taten. Die drei Brau-
berechtigten wohnten in verschiedenen Straßen, damit von jedem
Gebräu auf drei Straßen geschenkt werden konnte. Zu jedem
Gebräu wurden 18 Scheffel Weizen und 3 Scheffel Hopfen ge-
schüttet und davon 40 1/2 Achtel gebraut, so daß auf jeden Brau-
berechtigten 13 1/2 Achtel entfielen. Zum Ausschank ward ein Kegel |
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herausgesteckt. Mehr als 13 1/2 Achtel durfte niemand im Keller
haben.
In der preußischen Zeit erfuhr die alte Ordnung manche
Abänderung, die bedeutsamste durch das Braureglement vom
30. Juni 1750, welches das gesamte Brauwesen dem Magistrat
bezw. einem von diesem zu ernennenden Inspektor unterstellte
und in 32 Artikeln Bestimmungen über Qualität und Quantität
des Gebräus, den Turnus usw. traf. Die Zahl der jährlichen
Gebräus betrug 99 gleich 3020 Achtel; es kamen demnach auf ein
Gebräu 30 1/2 Achtel, aber jeder Brauberechtigte kam jährlich etwa
zweimal an die Reihe. Es folgten weitere allgemeine Verordnun-
gen über das Brauwesen (11.6.1767; 17.6.1771; 21.1.1772)
und zahlreiche Verfügungen bezgl. der Accise, so daß die Brau-
berechtigten von allen Seiten eingeengt waren. Sie wurden übri-
gens von der Regierung als Genossenschaft "Braukommune" be-
handelt und besaßen als solche Rechtsfähigkeit. Sie kauften am
25. März 1808 das dem Brauer Anton Kliche gehörige Malz-
haus auf der Mälzergasse für 1175 rtl. Kliche trat in den Dienst
der Braukommune845).
Das Edikt vom 20. Oktober 1810 hob zwar den Getränk-
zwang auf, ein Erlaß vom 7. September 1811 hielt ihn aber in
gewissem Umfange aufrecht. Der Gewerbeschein berechtigte ledig-
lich zum Verkauf von Branntwein und sonstigen Spirituosen und
zum Brauen für den Absatz an andere. Letzere Berechtigung
wurde aber nur den Grundeigentümern zugestanden, welche ein
Grundvermögen von mindestens 15 000 rtl. hatten. Deshalb
erhielt das Dominium Oberau die Braugerechtigkeit. Die Gast-
wirte blieben bis auf weiteres an das Krugsverlagsrecht der
Städte gebunden. Daher wurden wiederholt Revisionen in den
Dorfwirtshäusern abgehalten und fremde Biervorräte konfisziert.
Die alten Beschwerden lebten infolgedessen wieder auf, bis 1818
die Frage nach der Ablösung in den Vordergrund rückte. Am
8. Mai 1819 stellte die Braukommune den Antrag auf Entschädi-
gung der durch Aufhebung des Getränkezwanges erlittenen Ver-
luste. Sie wies nach, daß sie durch die neuen Brauereien in
Oberau und Großkrichen und durch die älteren in Dittersbach,
Herzogswaldau, Zedlitz und Koslitz, welche jetzt ihr Bier inner-
halb der städtischen Bannmeile absetzten, geschädigt werde und
berechnete den jährlichen Ausfall auf ca. 43 rtl. Sie erhielt von
1821 ab eine Entschädigungssumme von 1254 rtl. Damit war die
Braugerechtigkeit gefallen.
Die Braukommune setzte ihren Betrieb vorerst in alter Weise
fort, allmählich mußte man doch erkennen, daß man mit dem
modernen Brauereibetriebe nicht konkurrieren konnte. Man leitete
845 Nach dem Brande von 1757 scheint das städtische Malzhaus in
Privatbesitz übergegangen zu sein; 1750 war es noch städtisch. |