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Konrad Klose, Geschichte der Stadt Lüben, Verlag Kühn Lüben, 1924, S. 12/13
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schützten Erhebung ein herzogliches Kastell, die Burg Lobin.
Dort residierten als Stellvertreter des Herzogs und als höchste
militärische, richterliche und Verwaltungsbeamte des Bezirks die
Kastellane. Ein Kastellan Ulricus de Lubin wird 1226 genannt4),
ein Kastellan Johannes erscheint als Zeuge unter einer Urkunde
des Paul, gen. von Uglanda, vom 25.5.12595). Der Kastellan
Marcus wird wiederholt in der Zeit von 1298-1214 erwähnt6).
Unmittelbar an das Burgterrain schloß sich der kleine Ort Samitz
an, in dem, wie der Name andeutet, Knechte wohnten, welche zum
Burggesinde gehörten7). Unfern der Burg lag der Marktflecken
Lobin oder Lubin, das heutige Altstadt. Daß es städtisch ein-
gerichtet war, ergibt sich aus der Urkunde vom 23.4.1319, durch
welche Johann von Steinau seine "alte Stadt Lobin", d. i. Alt-
stadt, der inzwischen entstandenen neuen Stadt schenkte8).
Die dort gebrauchte Bezeichnung "civitas" weist deutlich auf ein
städtisches Gemeinwesen hin. Bemerkenswert ist es auch, daß die
Altstädter Bauern von alters her bis zur Einführung der Städte-
ordnung als Mitbürger von Lüben bezeichnet werden. Bei der
Anlage der neuen Stadt wurde augenscheinlich den Grundbesitzern
der alten Stadt als Aequivalent für die Einbußen, die sie erlitten,
das Bürgerrecht in der neuen gewährt. Das slawische Lobin war
sicherlich trotz seines Marktrechts ein unbedeutender Ort. Der
Name Lubin (Lobyn, Lubyn) wird verschieden gedeutet, sei es,
daß man ihn mit dem wendischen hlubina = "fließendes Wasser"
oder mit lioba = Hütte (?) in Verbindung bringt. Am zuver-
lässigsten ist wohl die Erklärung von Dr. Beyersdorf9), der in
dem Possessiv des Personennamens liuba = lieb die Wurzel des
Namens Lubin erkennt. Lüben würde demnach etwa dem deut-
schen Liebau entsprechen.
Die deutsche Einwanderung verlieh dem Lübener Gebiet ein
völlig neues Aussehen. Die Wälder wurden gelichtet und das
Brachland urbar gemacht, neue Dörfer mit einer betriebsamen
Bevölkerung entstanden, und inmitten des Ansiedelungsgebiets
erwuchs um das alte Kastell ein größeres deutsches Gemeinwesen,
die Stadt Lüben. Ueber die Art und Weise, in der die damalige

4 Schles. Reg. 310b. Die Urkunde ist wahrscheinlich unecht.
5 Ebenda 1027.
6 Ebenda 2517; 2548; 2570; 3449. Außerdem urkunden apud Lebin (d. h. auf dem Schlosse) Konrad und Heinrich von Sagan und Glogau über den Verkauf des Dominialrechts von Zedlitz durch ihren verstorbenen Bruder Primko am 29.3.1289. Reg. 2105.
7zamek = Burg; zameczny = zur Burg gehörig.
8 Reg. 3910. Weinhold "Die Verbreitung und Herkunft der Deutschen in Schlesien" ist ebenfalls der Ansicht, daß Altstadt Stadtrecht besessen habe.
9 "Slawische Städtenamen in Schlesien", in "Rübezahl" Schlesische Provinzialblätter 1872.
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Kolonisation Schlesiens erfolgte, sei kurz folgendes bemerkt10):
Das schwachbevölkerte Land bot für die Anlage neuer Dörfer und
Städte genügend Raum, weite Flächen lagen als herzogliches
Kronland unbebaut oder mit dichten Wäldern bedeckt. Für den
Landesherrn war es daher in hohem Maße vorteilhaft, wenn dies
Land in Kultur genommen wurde und ihm einen Pachtzins ab-
warf. Zudem bereitete ihm die Anlage neuer Ortschaften und die
damit verbundenen rechtlichen Auseinandersetzungen keinerlei
Mühe. Er übergab das zur Besiedelung vermessene Land einem
Unternehmer (locator), der es verteilte. Ihm lag es ob, den
Situationsplan des neuen Ortes festzustellen, die nötigen Kolo-
nisten heranzuziehen und dergleichen mehr. Dafür erhielt er bei
einer Dorfgründung die Scholtisei mit den dazu gehörigen zins-
freien Hufen, dem Vorsitz im Dorfgericht, der obersten Polizei-
gewalt über den Ort, dem dritten Pfennig vom Gericht, d. i. den
dritten Teil der vom Dorfgericht verhängten Strafgelder. Um-
fangreicher waren die Privilegien des Lokators bei der Aussetzung
einer Stadt. Er erhielt als erbliches Lehen die Vogtei. Zu ihren
Gerechtsamen gehörte die Verwaltung der niederen Gerichtsbar-
keit mit dem dritten Pfennig vom Gericht und gewisse Einnahmen
von öffentlichen Instituten, z. B. von Brot- und Fleischbänken,
Mühlen u. dergl. Dafür lag dem Erbvogt die Verpflichtung ob,
die Stadt nach den Grundsätzen des deutschen Rechts einzurichten,
die landesherrlichen Gefälle einzuziehen und dem Herzog als
Vasall mit geharnischtem Rosse zu dienen.
Wann ist die deutsche Stadt Lüben entstanden? W. Schulte11)
dürfte recht haben, wenn er Lüben zu den Städten rechnet, welche
nach 1273 entstanden sind, als es sich darum handelte, vorhandene
Lücken in der Besiedelung auszufüllen. Der absolut schlüssige
Beweis für diese Annahme ist allerdings nicht zu führen, da das
Urkundenmaterial aus dem XIII. Jahrhundert für Stadt und
Kreis Lüben sehr gering ist. Jedenfalls kann die Frage nach dem
Zeitpunkt der Begründung der Stadt nur dann einigermaßen
sicher beantwortet werden, wenn man dabei die Besiedelung des
ganzen Weichbildes in Betracht zieht.
Es lag nicht in der Tendenz der damaligen Kolonisation der
Ostmark, eine Stadt für sich allein zu begründen oder isolierte
Dörfer zu schaffen, sondern man war bestrebt, ein ganzes zusam-
menhängendes Gebiet, etwa einen Kastellaneibezirk, der Einwan-
derung deutscher Kolonisten zu erschließen und die entstandenen

10 Nach Grünhagen "Geschichte Schlesiens".
11 W. Schulte "Deutsche Städtegründungen und Stadtanlagen in
Schlesien" unterscheidet 3 Kolonisationsperioden: I. bis zum Mongolen-
einfall (Löwenberg, Goldberg, Neumarkt u. a.); II. vom Mongoleneinfall
bis zum Tode Heinrichs III. oder Konrad von Glogau um 1273 (Liegnitz,
Glogau, Steinau, Sprottau u. a.); III. bis zum Anfange des XIV. Jahr-
hunderts (Haynau, Lüben, Parchwitz, Guhrau, Raudten u. a.).