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Konrad Klose, Geschichte der Stadt Lüben, Verlag Kühn Lüben, 1924, S. 14/15
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deutschen Gemeinden zu einem rechtlichen und wirtschaftlichen
Ganzen zusammenzufassen, dessen Mittelpunkt die Stadt bildete.
Dort hatten die Bewohner der umliegenden Dörfer die Zentrale
für Warenaustausch und Rechtsbelehrung. So entstand das
Weichbild. Anfänglich verstand man darunter das Stadtgebiet,
für welches der Erbvogt der zuständige Richter war. Im weiteren
Sinne wurde als Weichbild der Bezirk bezeichnet, über den der
Landvogt und später der Hofrichter die Gerichtsbarkeit ausübte.
Im allgemeinen hat sich das Lübener Weichbild innerhalb der
Grenzen des alten polnischen Kastellaneibezirks gehalten. Einzelne
Dörfer des Raudtener Distrikts wurden frühzeitig zum Lübener
Bezirk geschlagen ). Letzterer umfaßte in späterer Zeit die Dörfer
Barschau, Pilgramsdorf, Rinnersdorf, Jauschwitz, Koslitz, Guh-
lau, Talbendorf, Ziebendorf, Kniegnitz, Mallmitz, Oberau, Altstadt,
Großkrichen, Petschkendorf, Gugelwitz, Dittersbach, Herzogswal-
dau, Schwarzau, Klaptau, Ossig, Muckendorf, Samitz.
Nur zwei Orte des Lübener Weichbildes werden urkundlich
im XIII. Jahrhundert als deutsche Siedelungen bezeugt: Klaptau
129113) und Lüben 129514). Die übrigen erscheinen erst im XIV.
Jahrhundert. Doch ist die erste urkundliche Erwähnung eines
Ortes nicht entscheidend für sein Alter, da gerade aus der ältesten
Zeit viele Urkunden verloren gegangen sind. Im Liber fundatio-
nis, dessen Angaben den Status um 1305 wiedergeben, sind nur
Lüben, Petschkendorf und Gugelwitz verzeichnet ). Die großen
Lücken finden darin ihre Aufklärung, daß die Ortschaften des
Weichbildes von altersher dem Kloster Trebnitz zehntpflichtig
waren und daher für die Bischofszehnten nicht in Betracht kamen.
Immerhin ergibt sich aus den spärlichen urkundlichen Zeugnissen
die Tatsache, daß im Lübener Weichbilde um 1290 deutsche Siede-
lungen bestanden haben. Erwägen wir ferner, daß die Besiedelung
in größeren geschlossenen Bezirken erfolgte, so werden wir uns
schon damals die Stadt Lüben von einem Kranz deutscher Dörfer
umgeben denken dürfen, die annähernd gleichzeitig mit ihr ent-
standen waren. Das Beispiel Klaptaus beweist, daß von Anfang
an auch die alten slawischen Siedelungen deutschen Recht erhalten
haben. In dem damaligen letzten Abschnitte der großen Germani-

12 Als König Johann von Böhmen und Markgraf Karl am 22.8.1339 Lüben an Boleslaus von Liegnitz verkauften - Lehnsurkunde I Nr. 7 S. 309 - wurden dabei ‚villae de districtu Rudensi ad eundem districtum Lubinensem coniunctae' inbegriffen. Vermutlich handelte es sich um die Dörfer Talbendorf, Barschau und Pilgramsdorf, welche früher zu Raudten gehört hatten.
13 Schles. Reg. 2174 a.
14 Ebenda 2376. 15 Liber fundtionis episcopatus Vratislaviensis ed. Markgraf und Schulte im Cod. dipl. Siles. XIV: Lüben und Petschkendorf D. 33 und 35; Gugelwitz E. 290.
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sierungsperiode war man sicher nicht mehr spröde, deutschrechtliche
Einrichtungen auf slawische Orte zu übertragen; hatten doch auch
slawische Grundherren deren Nutzen längst erkannt.
Der Lübener Distrikt gehörte bis 1273 zu dem Glogauer Ge-
samtfürstentume, welches Glogau, Sagan, Wohlau, Steinau und
andere Gebiete umfaßte. Nach dem Tode Konrads I. von Glogau,
um 1273, wurden Sagan, Sprottau, Lüben und Steinau von dem
Hauptfürstentume abgezweigt und zum Fürstentum Steinau ver-
einigt. Landesherr wurde der Sohn Konrads Primko, der am
26. Februar 1289 bei Siewierz fiel. Als er die Regierung über-
nahm, waren weite Gebiete seines Fürstentums noch wenig be-
wohnt und kultiviert. Das eigentliche Steinauer Weichbild16)
war der Kolonisation bereits erschlossen; auch Sprottau war schon
deutsch. Aber die Brücke zwischen dem westlichen und östlichen
Teile des Fürstentums, der Lübener Distrikt, war noch nicht mit
deutschen Ansiedelungen besetzt. Es ist daher anzunehmen, daß
Primko die Kolonisierung dieses Bezirks energisch betrieben haben
wird, und daß diese etwa um 1280 eingesetzt haben mag. Ungefähr
gleichzeitig wird sie im Raudtener Bezirk begonnen haben. Nach
den Angaben des Liber fundationis finden wir dort um 1305
deutsche Dörfer. Etwas später erbaute Primko im Sprottauer
Weichbilde in der Richtung auf Lüben eine Stadt, die er nach
seinem eigenen Namen Primkenau nannte. Vielleicht trug der
frühe Tod des Herzogs, vielleicht das wald- und sumpfreiche
Terrain daran schuld, daß hier die Kolonisierung nur langsame
Fortschritte machte. Zur Zeit der Anlegung des Liber fundationis
waren die Verhältnisse im Primkenauer Distrikt noch völlig unge-
ordnet.
Die Frage nach dem Zeitpunkt der Entstehung der Stadt
Lüben wird durch vorstehende Ausführungen endgültig nicht
gelöst; dazu reicht das vorhandene Urkundenmaterial überhaupt
nicht aus. Immerhin machen es aber die Quellen wahrscheinlich,
daß die Aussetzung Lübens zu deutschem Rechte in der Regierungs-
zeit Primkos, etwa in dem Jahrzehnt 1280-1290, erfolgt ist.
Der Lokator der Stadt ist unbekannt18). Das benachbarte
slawische antiquum Lubyn, welches dem aufblühenden deutschen
Gemeinwesen gegenüber immer mehr an Bedeutung verlor, gab
ihm den Namen19), das herzogliche Kastell gewährte der Stadt

16 Steinau 1259 - Zedlitz 1257 - Sprottau 1260 - Ebersdorf, Rückersdorf 1273 u. a.
17 Ein Zusammenhang zwischen der Stadt oder der Burg Lubyn mit dem Geschlecht derer von Lubyn - z. B. Ulrich de Lubyn 1281 bis 1299 - ist nicht nachweisbar.
18 Derselbe Vorgang, daß die ältere slawische Siedelung von der nach ihr benannten deutschen völlig überflügelt und zur Vorstadt herabgedrückt wurde, ist in Schlesien vielfach wahrzunehmen. Öfter erhielt