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Konrad Klose, Geschichte der Stadt Lüben, Verlag Kühn Lüben, 1924, S. 102/103
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tätern der Kirche gehörte auch der fürstlich pommersche Rat Georg
von Brauchitsch. Der Rat der Stadt errichtete ihm ein von Kar-
tuschenwerk umrahmtes Epitaph zum Dank für die "der Kirchen
und Hospitall erzeigte Mildigkeit"390).
Wechselnde Bilder zeigt die Lübener Kirchengeschichte im
Reformationsjahrhundert. In der ersten Hälfte erfolgte der
Übergang in die neuen Formen des religiösen Lebens; sie behiel-
ten zwar nicht den Wittenberger Typus, aber es fehlte ihnen doch
nicht der Einschlag wirklicher Glaubenserfahrung und biblischer
Frömmigkeit. Unter dem Einfluß einer edlen, wahrhaft from-
men Fürstin kam es nicht zu einer nur aufoktroyierten Reforma-
tion, sondern bei nicht wenigen jedenfalls zu einem persönlichen
Erfassen und Erleben der evangelischen Wahrheit. - Der folgen-
den Generation in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts fehlte
das tiefe religiöse Empfinden der Väter; ihr wurde die Ablehnung
des offiziellen Kirchentums zum Schibboleth, und sie ward darin
durch den starken Gegendruck der kirchlichen Organe noch bestärkt.
Dem religiös-sittlichen Leben schlugen diese Kämpfe tiefe Wunden.
Es erreichte einen außerordentlichen Tiefstand; während die
Stadt gerade in dieser Zeit wirtschaftlich emporblühte. Der starke
Hang zum Genußleben wurde durch den zunehmenden Wohlstand
noch genährt. Die Stürme des Dreißigjährigen Krieges haben
gewiß unsägliches Unheil angerichtet, aber sie hatten das Gute,
daß sie das religiöse Leben reinigten und vertieften.

390 Brauchitsch hat den Titel "pommerscher Rat" jedenfalls von der
Herzogin Anna, einer pommerschen Prinzessin, erhalten.
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V. Kapitel

Die Wirren am Liegnitzer Hofe und ihre
Rückwirkung auf die Stadt Lüben


Nicht bloß innere Wirren haben zeitweilig im XVI. Jahr-
hundert die Lage der Stadt kritisch gestaltet; auch in anderer
Beziehung erwuchsen ihr Sorgen und Schwierigkeiten. Die
Wirren, welche am Liegnitzer Hofe infolge der Mißwirtschaft
Friedrichs III. und Heinrichs XI. ausbrachen, zogen auch Lüben
in Mitleidenschaft. Von Anfang an leuchtete kein glücklicher
Stern über der Angliederung der Stadt an das Liegnitzer
Fürstentum. Zwar wurden ihr die Privilegien von Friedrich III.
am 29. Mai 1548 bestätigt391), aber nachdem der Herzog 1550 die
Regierung des Lübener Weichbilds angetreten hatte, traf die
Stadt ein Mißgeschick nach dem andern. Erst kam das bereits
geschilderte Strafgericht im Oktober des Jahres, dann folgten in
den nächsten Jahren Pest und Teuerung; der Scheffel Korn mußte
mit 2 rtl. bezahlt werden392). Im Jahre 1554 erfolgte die Ein-
ziehung des Pfarrvermögens zum Kameralamte. Friedrich III.
war während seines abenteuerlichen Zuges nach Frankreich vom
Kaiser des Thrones für verlustig erklärt worden; sein Bruder Georg
von Brieg führte die Regentschaft für den minderjährigen Heinrich
und bemühte sich, die Schulden des Bruders zu tilgen und einiger-
maßen Ordnung in den völlig zerrütteten Verhältnissen am Lieg-
nitzer Hofe zu schaffen. Vielleicht reifte bei ihm und seinem
Statthalter Otto von Zedlitz während des Fürstentumlandtages,
der 1553 wegen der in Liegnitz grassierenden Pest in Lüben gehal-
ten wurde, der Entschluß, die reichen Einkünfte der Lübener
Pfarre zur Schuldentilgung flüssig zu machen. Übrigens gehörte
die Lübener Bürgerschaft auch zu den Gläubigern des Herzogs,
die vermutlich vergeblich auf Befriedigung warteten. Schon 1552
baten die Ratmannen um Rückerstattung von 300 rtl., die sie

391 Ziekursch, Msscr. 22 Nr. 5.
392 Kraffert-Sammter, Chronik von Liegnitz.