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Konrad Klose, Geschichte der Stadt Lüben, Verlag Kühn Lüben, 1924, S. 114/115
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sprechend den übrigen Gemeindegliedern ermäßigt. Der von den
Vorstadtbewohnern erbetene freie Fleisch-, Brot- und Weizenmehl-
markt konnte zwar nicht ohne weiteres bewilligt werden, aber es
wurden doch Verhandlungen eingeleitet, um "das arme Volk" mit
billigen Nahrungsmitteln zu versorgen. Jedenfalls war der
Herzog bereit, evtl. auf den Zins zu verzichten, den die Fleischer
und Bäcker für die Aufhebung des freien Marktes von altersher
entrichteten.
Vielleicht hätte Georg Rudolph noch manches Ersprießliche
für die Stadt getan, wenn nicht die Stürme des Dreißigjährigen
Krieges mit verheerender Gewalt sein Land getroffen hätten. -
Zum Neujahrstage 1619 überreichte die städtische Lehrerschaft
dem Rat das übliche lateinische Neujahrskarmen425), dessen deutsche
Übersetzung anhob:

"Jesu, rechter Friedens Fürst
Fromer gläubiger hertzen
Aus Davids Stamm gebohren
Von Maria ohn Schmertzen
Von Sünden rein, zart Kindelein
Verleih uns Deinen Frieden.
Unfried bißher hat Böhmerland
Mit furcht vnd schad'n erlietten,
Krieg dempfen kan keins Menschenhandt
Es mus nur sein gestrietten,
Wo man doch nicht biett andechtig
Verleih uns Deinen Frieden."

Die Friedenshoffnungen und Wünsche fanden keine Erfül-
lung. Vorerst blieb freilich das Kriegsunwetter noch von Schlesien
fern. Immerhin waren Rüstungen erforderlich, um für alle
Fälle bereit zu sein. Nach einem vorläufigen Überschlag zur
Defensionsbereitschaft anno 1618426) wurde der Verteilung der
Kriegslasten die Indiktion zugrunde gelegt, welche für die Stadt
Lüben 8000 rtl., für die Ritterschaft des Lübener Kreises 17 945
rtl. betrug. Die Stadt hatte 23 Kriegsknechte zu stellen. Die
Defensionsordnung des Landes Schlesien vom 19. April 1619427)
teilte Lüben dem Musterungsplatz Liegnitz zu. Als im Jahre
1626 Graf Mansfeld Schlesien durchzog, wurde Lüben selbst zum
Musterungsplatz für 600 Knechte bestimmt428). Am 15. Oktober
1626 ward das Lübener Fähnlein gemustert429). Am 7. Juni

425 Breslauer Stadtbibliothek 2 W. 4 Scholae Lubenensis Irenicum
devote concinnatum.
426 Rep. 28 VII 1 e.
427 Acta publica Bd. II Seite 123.
428 Acta publica Bd. VI. Mansfelder Einfall. 6.4.1626.
429 Ebenda. Schreiben des Breslauer Rats an Herzog Johann-
Christian 15.10.1626.
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desselben Jahres hatte eine Feuersbrunst fast die ganze Stadt
eingeäschert. Unvorsichtigkeit beim Schmelzen von Fett soll die
Ursache des Feuers gewesen sein430).
Vom Jahre 1627 ab wurde Lüben direkt in Mitleidenschaft
der Kriegsunruhen gezogen. Der Oberst Hebron bezog hier mit
dem Stab und drei Kompagnieen Winterquartiere; der Rest des
Regiments war in Goldberg und Haynau verteilt431). Was solche
Einquartierung damals bedeutete, beweist die Tatsache, daß am
15. Januar 1627 zwei Kompagnieen des Regiments sehr schwach
und abgerissen in Goldberg eintrafen, aber nach wenigen Tagen
von der Einwohnerschaft soviel erpreßt hatten, daß jeder Soldat
neue Kleidung auf seinem Körper hatte. Infolgedessen sah sich
Georg Rudolph veranlaßt, am 5. Februar einen Vertrag auf vier
Wochen mit Obrist Hebron zu schließen, um seine Untertanen vor
weiteren Vergewaltigungen zu schützen. Er ließ in Haynau,
Lüben, Parchwitz und Raudten je ein Proviantmagazin errichten,
aus dem die einquartierten Truppen ihren Unterhalt empfingen.
Der Regimentsstab in Lüben wurde vom Raudtener Magazin
versorgt. Die Gesamtkosten der Einquartierung der Regimenter
Hebron, Wallenstein und Lichtenstein im Liegnitzer Fürstentum
während des Winters 1627 beliefen sich für das ganze Land auf
50 155 rtl.432).
Die folgenden Jahre brachten keine nennenswerten Beschwer-
den für die Stadt. Die Sicherheit ließ allerdings außerhalb der
Mauern zu wünschen. Im März 1628 wurde der Müller der
Guhlauer Mühle von Kosacken zu Tode gehauen433). Die eigent-
lichen Kriegsdrangsale begannen für die Stadt im Jahre 1630.
Die Pest, der furchtbare Würgeengel, hielt in Lüben ihren Einzug;
sie brach Anfang Mai in der Familie eines Fuhrmanns aus, durch
den sie wohl von auswärts eingeschleppt worden war. Der Volks-
mund umgab später den Ausbruch der Seuche, die der Stadt im
Zeitraum von 5 Jahren die Hälfte der Bewohner raubte, mit
sagenhafter Gewandung. Man erzählte sich folgendes434): Bevor
das Sterben in der Stadt selbst ausbrach, hatte es bereits auf den
umliegenden Dörfern begonnen, ohne daß man in der Stadt an
das Vorhandensein der Pest glauben wollte. Da sagte eines Tages
der Fuhrmann Christoph Pohle, der vor dem Glogauer Tor
wohnte, zu seiner Frau: Die Leute meinen, daß auf den Dörfern

430 Knie. Nach Angabe von Schuster, "Gespräche", hatte schon 1611
ein größerer Brand die Stadt heimgesucht.
431 Das folgende nach Acta publ. VI 277. Nach Angabe des Toten-
registers starben in Lüben mehrere Soldaten, einer wurde erschossen.
432 Rep. 28 VII 1 a.
433 So nannte man polnische Streifscharen, die der König von Polen
dem Kaiser zu Hilfe schickte. Die obige Notiz entstammt dem Toten-
register.
434 Laut Mitteilung des Organist Heinrich im Lübener Stadtblatt
4.12.1886.