Zum Gesamtüberblick Zur vorigen Seite Zur nächsten Seite Zur letzten Seite (Inhalts- und Abbildungsverzeichnis)
Konrad Klose, Geschichte der Stadt Lüben, Verlag Kühn Lüben, 1924, S. 112/113
- 112 -

VI. Kapitel

Die Zeit des Dreißigjährigen Krieges


Nach dem frühen Tode des Herzogs Joachim Friedrich im
Jahre 1602 übernahm seine Witwe Anna Maria die Regentschaft
für die noch minorennen Söhne Johann Christian und Georg
Rudolph. Letzterer wurde mit 18 Jahren Regent des Fürsten-
tums Liegnitz und damit auch Landesherr von Lüben. Er war
einer der besten Söhne des Piastenhauses. Einer seiner ersten
Regierungsakte war die Bestätigung der Privilegien der Weich-
bildstädte am 4. Juli 1613421). Gleichzeitig wurde der Stadt
Lüben die umfangreiche Konfirmation der Herzöge Friedrich und
Georg vom 3. September 1498 erneuert. Auch sonst war zu er-
kennen, daß der neue Herzog gewillt war, allenthalben geordnete
Verhältnisse zu schaffen. Auf seinen Befehl wurde vom 2. bis
5. September 1614 in Lüben eins der alten Dreidinge gehal-
ten422), um einzelne öffentlich-rechtliche Beziehungen der Lübener
Amtsvorstädte und Amtsdörfer zu regeln und verschiedenen Miß-
ständen und Übergriffen abzuhelfen. Als landesherrliche Kom-
missare fungierten Adam von Stange, Christoph von Zedlitz, An-
tonius Schulz und Hans von Debitsch. Über die Verhandlugnen
wurde dem Herzog am 21. Januar 1615 ein protokollarischer
Bericht erstattet. Einzelne Streitfragen wurden von den Kom-
missaren an Ort und Stelle entschieden, manches wurde dem
Herzog zur Entscheidung vorgelegt, die am 23. Dezember 1616
erging und für die Folgezeit maßgebend blieb.
Zuvörderst wurde den vorgeladenen Scholzen, Schöffen und
Ältesten der Amtsvorstädte und Amtsdörfer423) vorgehalten:
Personen, welche dem Abendmahl fernbleiben und dadurch Ärger-
nis geben, sollten sich auf ein Vierteljahr außer Landes begeben.

421 Urkunden der Stadt Lüben Nr. 46.
422 Staatsarchiv Rep. 201 b Liegnitz XIX 118 Akta von Dreidings-
sachen beim Amte Lüben 1614-1707.
423 Die Amtsvorstädte waren die Liegnitzer und Steinauer, die Amts-
dörfer: Mallmitz, Samitz, Muckendorf und ein Teil von Kniegnitz.
- 113 -

Die gleiche Strafe sollte alle Gotteslästerer und solche, die unsitt-
lich lebten, treffen, sobald sie ihre Kirchenbuße geleistet hätten.
Zur Warnung aller Frevler sollte die Dreidings-Ordnung alle
Vierteljahre den Gemeinden vorgelesen werden. Andere Bestim-
mungen lassen Streiflichter auf die wirtschaftlichen Verhältnisse
fallen. Das willkürliche Erbauen von Häusern ohne behördliche
Genehmigung wurde untersagt. Man hatte dabei oft genug die
Leistung des Hauszinses an die Rentkammer umgehen wollen.
Von den inzwischen erbauten Häusern sollten 3 Heller Zins für
die Geviertelle erhoben werden. Der Rentschreiber wurde ange-
wiesen, alle Neubauten innerhalb der Amtsjurisdiktion demge-
mäß zu vermessen. Baustellen auf fiskalischem Grund und Boden
würden künftig mit 1 Heller pro Geviertelle verzinst werden, falls
darauf eine Feuerstatt errichtet würde. Käme darauf eine Scheune
oder ein Stallgebäude zu stehen, so wäre 1/2 Heller zu entrichten.
Die Viehschwemme im Schloßgraben wurde gestattet, im Mühl-
graben und Gerberbach aber verboten, weil dabei der Damm
beschädigt und die Mühlen beeinträchtigt würden. Bemängelt
wurde, daß die Amtsuntertanen in der Stadt und auf den Dör-
fern vielfach mehr Vieh hielten, als ihnen gestattet wäre. Es sei
darauf zu sehen, daß keiner willkürlich die festgesetzte Stückzahl
überschritte; die Erhöhung des jeweiligen Kontingents dürfe nur
durch den Amtmann erfolgen. Schwierigkeiten bestanden im
städtischen Steuerwesen; der Gegensatz zwischen der Stadt und
den Amtsvorstädten machte sich hier besonders fühlbar. Die Stadt
war nicht berechtigt, von den Amtsuntertanen Steuern zu erheben,
indes wurde ihr gestattet, von jedem Wirt der Amtsvorstädte 3 gr.
jährlich zu erheben, "so den Namen haben soll anstatt des Bürger-
rechts, daß sie sich den andern Bürgern gleich der Stadtgerechtig-
keit gebrauchen mögen". Damit nun aber die Amtsuntertanen
nicht abgabenfrei blieben, sollte hinfort jeder Hauseigentümer
jährlich 6 gr., jeder Inwohner 4 1/2 gr. an die fürstliche Rent-
kammer entrichten; Hausknappen, Gesinde und dergleichen blieb
von der Abgabe befreit.
Wenn auch ein stark fiskalischer Zug in den Anordnungen
der landesherrlichen Kommissare nicht zu verkennen ist, so berührt
doch andrerseits wohltuend die darin waltende Rücksicht auf die
Armen und Gedrückten. So wurde das Gesuch der Bäckerzeche,
einigen Platzbäckern in der Vorstadt das Backen von hausbacken
Brot zu untersagen, abschlägig beschieden, "damit nicht arme
Leute geschädigt und gezwungen würden, das Bischen, was ihnen
Gott beschwert, in der Stadt backen zu lassen". - Die Leute am
Judenberge424) vor dem Steinauer Tor hatten bisher bei Beerdi-
gungen den Kirchenbeamten doppelte Gebühren entrichten müssen,
weil sie weit vom Tore entfernt wohnten. Sie wurden ent-

424 Vermutlich die Gegend bei der jetzigen Mühlgasse.