Zum Gesamtüberblick Zur vorigen Seite Zur nächsten Seite Zur letzten Seite (Inhalts- und Abbildungsverzeichnis)
Konrad Klose, Geschichte der Stadt Lüben, Verlag Kühn Lüben, 1924, S. 144/145
- 144 -

war unverändert geblieben. "Die Beichtstühle waren übel locirt
und zu nahe beyeinander, also daß in besonderen Angelegen-
heiten eines das andere hindern konte; ward derohalben vor
rathsam befunden, daß der eine Beichtstuhl vor dem Chor gegen
die Seite des inwendigen Chores, wo der Taufstein stehet,
transferiret würde, und die cofitenten unter einander möchten
unmolestiret bleiben". Pfarrhaus und ein Diakonatshaus waren
"mit Dächern übel versehen und sehr durchsichtig, daß sie bey
Regenszeit einlauffen und Untersetzen veruhrsachen; die andere
Diakonats-Wohnung war äuserlich gedecket und innwendig ge-
stützt, und also wieder bauständig gemachet worden". Der Rent-
schreiber behauptete, man habe ihm nicht rechtzeitig von den
Mängeln Mitteilung gemacht, er hätte bereits birkene Schindeln
bestellt und werde die Dächer noch vor dem Winter ausbessern
lassen.
Bei dem Diakonatshause war eine Mauer so eingebogen, daß
sie den Einsturz drohte, die Sachverständigen versicherten aber,
daß die Mauer "von Anfang mit Fleiß also gebauet worden und
kein Schade zu befahren were". Im Archidiakonatsgebäude befand
sich über dem Eingange das Museum528), das aber - weil unten
wie oben alles offen - nicht geheizt werden konnte.
In Altstadt war die Kirche repariert worden; Sakristei und
Beinhaus hatte man beseitigt, da sie entbehrlich waren; die
Kirchhofmauer wies noch einzelne Lücken auf. Bezüglich der
Kirchenkapitalien und der Kirchenrechnung erklärte der Kirch-
vater Christoph Kuche, der schon 1654 fungiert hatte, "er wüste
von keinem Kircheneinkommen zu Altstadt nichts, auser dem was
im Säckelgelde pflegte gesammlet zu werden. Eines Kirchen-
buches erinnerte er sich zwar, welches aber anno 1656 in der Pest
bey Ketzler in der Stadt Lüben, wohin er es in Verwahrung ge-
geben, wäre wegkommen, und bis dahero nicht wieder gesehen
worden". Der Oberkirchvater von Lüben, Johann Scholtz, er-
klärte, ihm sei die Inspektion über Altstadt nicht wie seinem
Vorgänger Purmann übertragen worden, und der Rat sprach sich
ebenfalls von jeder Schuld frei; "ist also alles blieben, wie es
damahls anno 1654 befunden worden". Die Visitatoren gaben
dem Rat auf, künftig die Rechnung abzunehmen und bestellen
erneut den Lübener Oberkirchvater zum Inspektor der Altstädter
Kirche.
Auf Befragen erklärten Rat und Gemeinde in Lüben, daß sie
an Lehre und Leben der Geistlichen nichts auszusetzen hätten,
sondern "dankten Gott für derselben gutte Anführung aus Gottes
Wort mit Wunsch, daß sie bis an ihr Ende möchten dabei erhalten
werden". Die Geistlichen rühmten die Freundschaft des Dekans,

528 Wozu das Museum gedient hat, ist unbekannt.
- 145 -

und dieser die Liebe und Einigkeit seiner Kollegen529). Die Ge-
haltsbezüge der Geistlichen waren im wesentlichen noch dieselben,
wie 20 Jahre zuvor; auch bezüglich der Accidentien war keine
Änderung eingetreten. Über die Verteilung der Geschäfte unter
die Geistlichen wird folgendes berichtet: Die Wochenpredigt am
Freitage hielt der Pastor, der auch anscheinend alle Sonntage zur
Vesper im Winter und Sommer außer der Advents- und Fasten-
zeit die Katechismuspredigten hielt. Der Diakonus predigte sonn-
täglich in Altstadt "das gewöhnliche Evangelium". Bisweilen
predigte er auch an den Aposteltagen in Lüben, wo er auch an den
dritten Feiertagen die Amtspredigt zu halten hatte. Gelegentlich
predigten auch der Konrektor und Auditor der Stadtschule. Die
Zahl der Kommunikanten betrug ungefähr 4000.
Der Oberkirchvater Johann Scholtz erhielt zu Weihnachten
1 rtl. Strietzelgeld und auf die hohen Feste 1/2 Topf Wein. Die
beiden Unterkirchväter, Stadtvogt Matthias Hahn und Schöppen-
meister Jakob Kamitzer, hatten lediglich das Säckelgeld einzusam-
meln; sie bezogen dafür je 9 Lübische Mark zu 16 sgr., der eine
außerdem noch 2 Mark für Auswechslung der Heller. - Der
Glöckner Matthias Berndt, der Sohn des verstorbenen Glöckners,
bekleidete sein Amt seit einem Jahre und erhielt allseitig ein
gutes Zeugnis530).
Nunmehr folgten die "Gravamina"; ihre Zahl war ziemlich
groß; jeder hatte etwas auf dem Herzen. Der Rat erinnerte an
die alte Bestimmung, daß während des Gottesdienstes keine
"Biergäste" geduldet werden sollten530). Es wäre erlaubt, inner-
halb der Stadt "6 Kegel auszustecken", aber zu Anfang des
Gottesdienstes "würden die Häuser besichtigt, und wo jemand
beym Trunk erfunden würde, würde er alsobald aus dem Hause
geschaffet". Die Betroffenen pflegten dann meist in den Amts-
bezirk zu gehen, über den der Rat keine Polizeigewalt hatte. Dort
setzten sie das Trinken fort. Der Rentmeister erklärte, "daß er
seinen Leuten das Bierschwelgen unter dem Gottesdienste nicht
gestünde auch in Zukunft nicht gestatten wolte, klaget aber über
die Muckendorfer, daß besagte Biergäste bei ihnen aufgenommen
würden, und bath nicht allein, daß der Bierschank unter währen-
der Predigt sondern auch das Taback-Trinken durch ein öffent-
liches fürstliches Decret möchte abgeschaffet werden".
Herr von Niebelschütz auf Guhlau und Herr von Porschnitz
auf Ober-Muckendorf beschwerten sich darüber, daß sie keine eige-
nen Kirchstellen hätten, obwohl sie ihren Dezem so gut wie andre
leisten müßten. Der Guhlauer Herr hatte drei Malter Getreide

529 Pastor prim. und Senior war Melchior Cupius, Archidiakonus
Christian Ruthard, ein Lübener Kind wie auch der Diakonus Abraham
Kittel.
530 cf. die Visitationsartikel von 1654.