Zum Gesamtüberblick Zur vorigen Seite Zur nächsten Seite Zur letzten Seite (Inhalts- und Abbildungsverzeichnis)
Konrad Klose, Geschichte der Stadt Lüben, Verlag Kühn Lüben, 1924, S. 142/143
- 142 -

16. Bey Kindtaufen, Hochzeiten und Gastgebothen soll die
Zeit in Acht genommen werden, und nicht bis in die Nacht ver-
schoben werden.
17. Bey dem Kindtaufen sollen ohne Unterschied der Personen
in gemein nicht mehr als 3 Personen zu Gevattern gebeten werden
und durch und durch 9 gr. vom Taufen dem Herrn Pfarrer
gegeben werden, dem Schreiber 3 gr.
18. J. f. G. gönnen den benachbarten gerne die Übung ihres
Gottesdienstes an hiesigem Orte, doch versehen sie sich, sie werden
soviel als möglich sich hiesiger Kirchenordnung gemäß verhalten.
19. Ein jedweder soll dasjenige, was er der Kirchen oder
Kirchendienern zu thun schuldig ist, ohnverzüglich und zu rechter
Zeit dankbarlich einbringen und abführen.
Die Zahl der milden Stiftungen in Lüben wurde noch unter
der fürstlichen Regierung durch die Begründung des Lehmrich-
schen Spitals vermehrt. Der Tuchmacher Caspar Lehmrich und
seine Frau Ursula, vertreten durch David Karsunke, stifteten522)
zu einem Armenhospital ihr Haus mit Garten vor dem Steinauer
Tor, neben dem Schloßgarten gelegen, und die Biedermannsche
wüste Brandstelle nebst 200 rtl. bar. Das fürstliche Amt, dem die
Verwaltung der Stiftung übertragen wurde, sollte den vorhande-
nen Stall zu einem Wohnhause mit einer Stube und zwei Kam-
mern ausbauen, "damit ein Vater- und Mutter-verwaystes
Mensch unter dem fürstlichen Amte, welches wegen armuth oder
Gebrechlichkeit sein Brodt nicht erwerben oder haben könnte, seine
Wohnung nebst einer Wärterin darinnen haben könne". Das
eigentliche Lehmrichsche Wohnhaus sollte vermietet, das Kapital
zinstragend angelegt werden; von den Erträgen beider waren
zunächst die Häuser zu unterhalten. Der Rest sollte den
Armen ausgeteilt werden. Die Stiftung erhielt am 30. März
1663 die landesherrliche Bestätigung. Anscheinend am 25. Sep-
tember 1664 erweiterten die Lehmrichschen Eheleute ihre Stiftung
dahin523), daß "alle gute Freytage von 3 bis 4 Scheffel Mehl Brot
gebacken und dem Armuth jährlich ausgetheilt" werden sollte. Das
Hospital half einem fühlbaren Mangel ab, da den Bewohnern der
Amtsvorstädte die beiden andern Hospitäler verschlossen waren.
Im allgemeinen war für die Armen der Stadt, wenn man
von den drei Hospitälern absieht, die doch nur einer beschränkten
Zahl Aufnahme gewähren konnten, nicht eben reichlich gesorgt.
Nur zwei Armenlegate waren im Laufe des XVI. und XVII. Jahr-
hunderts ausgesetzt worden524). Am 10. März 1588 hatte Hans

522 Rep. 28 III 18 a 318.
523 Städtisches Archiv Acta betr. Legate, Vol. I.
524 Die beiden Legate für Armenbekleidung aus dem XV. Jahr-
hundert, vom 24.5.1409 und 13.9.1471, cf. Kapitel III, waren ver-
mutlich verloren gegangen.
- 144 -

Weishaupt ein Kapital von 500 rtl. gestiftet525), von dessen Zinsen
10 rtl. zum Ankauf von Korn verwandt werden sollten; dies
sollte zu Brot verbacken und an hausarme Leute verteilt werden.
Für weitere 10 rtl. sollte schwarzes zweisiegliges Tuch gekauft und
an arme Leute und arme Schüler ausgeteilt werden, "doch sollen
sich die verordneten Exekutores allwege bei dem Herrn Pfarr und
Schulmeister sich fleißig erkundigen, damit solche Eleemosyne
(= Almosen) recht und wohl angewendet werde". Der Rest der
Erträge war für Kirchen- und Schulzwecke bestimmt. Während
es anfänglich bei 6prozentiger Verzinsung 90 rtl. erbrachte, waren,
jedenfalls wegen Kapitalverlustes, 1686 die Zinsen auf 23 rtl.
2 sgr. 9 pf. gesunken. - Die zweite Armenstiftung rührte von
dem ehemaligen Besitzer der Sperlingsmühle Gideon Gosky526)
her und trat 1641 ins Leben. Der jeweilige Besitzer der Sper-
lingsmühle sollte jährlich 2 Scheffel Korn liefern, daraus sollte
Brot gebacken und dieses "nach vorangegangener Bekanntmachung
von der Kanzel festo trinitalis an Stadtarme ausgeteilt werden".
Die zweite Kirchenvisitation fand auf Anordnung der
Herzogin-Regentin Luise im Jahre 1674 statt. In Lüben wurde
das Visitationswerk "nach gehaltenem sowohl öffentlichen als
auch geheimen Hausgebethe" am 8. Oktober durchgeführt. Der
Rat war nahezu vollzählig erschienen: Bürgermeister Georg Kall-
mann, Altherr Joachim Kölichen, Oberkirchvater Johann Scholtz,
Zollherr Abraham Haunold, Bauherr Lucas Seiffert und der
Notar Christoph Krusche. Von den Herrschaften der eingepfarrten
Orte waren nur Heinrich von Niebelschütz-Guhlau und Wenzel
von Porschnitz-Ober-Muckendorf anwesend.
Zunächst wurden die kirchlichen Gebäude und das Kirchen-
inventar einer Besichtigung unterzogen. Die Kirche wurde in
gutem Bauzustande befunden, Orgel und Positiv auf dem "Singe-
Chor" waren erst vor drei Jahren revidiert worden. Für die
Adjuvanten527) hatte man "ein neues schönes Chor" hart an die
Orgel angebaut. Das Inventar an Altargeräten und Kaseln

525 Städtisches Archiv Acta betr. Legate Vol. I. Ein Testaments-
register von 1599-1606 (O. A. Lüben I Rechnungsakten) weist ein
Kapital von 900 rtl. auf, dessen Zinsen zur Armenbekleidung dienten.
Ob es das Weißhauptsche Legat ist, oder das Cromersche von 1409, ist
nicht zu ermitteln. Weißhaupt ergänzte seine Stiftung durch Nachtrag
vom 10.4.1592. Ueber den die Schule betr. Passus cf. Kapitel XI.
526 Städtisches Archiv a. a. O. Der Stiftungsbrief ist verloren,
doch war in dem Kaufbriefe vom 3.3.1712, durch welchen der Schöppen-
meister Johann Jobst Eggers die Mühle kaufte, das Legat - 3 rtl.
pro Jahr - anerkannt. Goskys Epitaph befindet sich im Chorraum der
Kirche; er war 1590 geboren und am 30.12.1667 gestorben.
527 Das Adjuvantenkollegium war ein freiwilliger Sängerchor und
wurde auch collegium musicum genannt.