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bestand getäuscht zu werden. Der Minister Graf Schlabrendorff
wies z. B. am 27. Juli 1767 den Magistrat an, die halbfertigen
Häuser von außen abzuputzen und dafür zu sorgen, daß Se.
Majestät alles in voller Tätigkeit fände. Als dann der König
in der Morgenfrühe des 12. August nach der Revue bei der
Stadtheide durch die Stadt fuhr und die eben vollendeten Häuser
besichtigte, war er sichtlich befriedigt von dem schnellen Fort-
schreiten der Bauarbeiten. Auf dem Ringe angekommen, fragte
er den Landrat von Nickisch: "Was ist das für ein Gebäude? Ist
es das Rathaus?" "Ja, Ew. Majestät, es wird fleißig darüber
gebaut." - "Was meint Er, mir deucht, das Städtel sieht anjetzo
ganz anders aus, als es ehedem gewesen." - "Ja, Ew. Majestät,
es ist jetzt eine ganz andere Stadt; sie haben alles Mögliche gethan,
um dero Intentionen zu erfüllen." - "Se. Majestät waren über
den hiesigen Bau sehr gracieux", bemerkt dazu der städtische
Chronist, Bürgermeister Gräve. - Am 5. September desselben
Jahres machte Friedrich wiederum in Lüben Station. Der Bür-
germeister trat zur Begrüßung an den Wagen. "Ist Er der
Bürgermeister?" fragte der König. - "Ja, Ew. Majestät." -
"Wird hier das Rathaus gebaut?" - "Ja, Ew. Majestät." -
"Wie lange werdet ihr noch darüber bauen?" - "Der Bau wird
möglichst betrieben", erwiderte der Bürgermeister und zeigte den
angefertigten Riß. Der König antwortete: "Es ist gut. Habt
ihr die Baugelder alle bekommen?" - "Ja, Ew. Majestät, nicht
allein die Feuersozietätsgelder, sondern auch dero extraordinäre
Geschenke." - "Wieviel dieses Jahr?" - "Ew. M., 4858 rtl.,
und übers Jahr werden wir die andere Hälfte bekommen." -
"Ja, es ist richtig, übers Jahr werdet ihr noch die andere Hälfte
bekommen. Inwendig ist wohl noch nicht alles ausgebaut?" -
"Noch nicht allenthalben, Ew. M., verschiedene vollführen noch den
inneren Ausbau." - "Es kann auch noch nicht alles balde sein."
- Als der König weiterfuhr, schien er "sehr gracieux" zu sein.
Unterwegs besichtigte er alle Häuser. Gräve hatte mit Bedacht
an den Vorderfronten Fensterrahmen einsetzen lassen, um den
unfertigen inneren Ausbau zu verdecken. Von Breslau aus er-
mahnte man den Bürgermeister, nicht allzu offenherzig zu sein
und die erhaltenen fiskalischen Beihilfen künftig nicht zu speziali-
sieren, weil sonst S. M. auf den Gedanken kommen könnte, die
Stadt hätte zuviel erhalten. Als Friedrich am 3. September 1774
in Lüben anlangte, bat der Bürgermeister Sucker um Erlaubnis,
die Bürger, denen im laufenden Jahre von dem Allerhöchsten
Gnadengeschenke die Häuser ausgebaut worden wären, vorstellen
zu dürfen, "damit sie ihre allerunterthänigste Danksagung in
tiefster Devotion erstatten könnten". Friedrich erkundigte sich,
ob alles ausgebaut wäre, und zwar in beiden Etagen. Sucker
erwiderte, daß 15 Häuser am Markte und in den Hauptstraßen
sowohl in der oberen wie in der unteren Etage ausgebaut worden |
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wären, die übrigen 51 Häuser würden nächstes Jahr gebaut wer-
den. Der König wies darauf hin, daß man auch in den Seiten-
gassen damit anfangen müßte und daß man keine Brandstätte
liegen lassen dürfe. Im folgenden Jahre befahl er, Kostenanschläge
zum "Retablissement der in den Vorstädten befindlichen wüsten
Stellen" anzufertigen. Auch später war ihm jeder Neubau wichtig.
Als er am 2. September 1783 durch die Stadt fuhr, fiel ihm
sofort ein Neubau in der Liegnitzschen Vorstadt auf; es handelte
sich um den Umbau der katholischen Kirche. Damals erkundigte
er sich auch nach der Niederlegung der alten Stadtumwallung.
Schon im Jahre 1764 war die Verfügung ergangen, die vor der
Stadtmauer gelegenen Wälle abzutragen. Da es sich um die Be-
wegung erheblicher Erdmassen handelte - die Wälle waren ca.
7 Ellen hoch - war vom Glogauer Tor bis zur Pforte noch ein
Rest der alten Umwallung stehen geblieben. Der König wünschte,
daß man auch dieses Stück planiere und nutzbar mache. Man hatte
bisher das gewonnene Terrain mit Maulbeerbäumen besetzt und
als Gärten verpachtet. Friedrich empfahl Anpflanzungen von
Kohl und Kraut. Für "unproduktive" Schmuck- und Promenaden-
anlagen hatte er nichts übrig.
Da dem König die Volksvermehrung in seinen Landen sehr
am Herzen lag, erkundigte er sich auch in Lüben häufig nach der
Seelenzahl. So fragte er am 5. September 1767 den Bürger-
meister Gräve: "Wieviel Seelen habt ihr vor dem Kriege gehabt?"
- "1984, Ew. Majestät." - "Und dies Jahr?" - "1770" -
"Da habt ihr großen Abgang." - "Ja, Ew. Majestät, 214 Seelen.
Aber der Abgang von Fabrikanten ist durch Ausländer ersetzt
worden". - "An was für Professionisten habt ihr Abgang
gehabt?" - "An Bäckern, Fleischern, Schuhmachern und von
anderen niederen Professionisten und Leuten." - "O, diese
werden sich alle leichtlich wiederfinden, weil anjetzo die Stadt
erbaut ist."618). - Daß der erste Eindruck von dem neuen Dorfe
Lübenwalde kein sonderlich günstiger war, wurde bereits berichtet.
Doch fuhr der König selten an dem Orte vorüber, ohne über dies
und jenes Nachfrage zu halten. Bald wollte er wissen, ob die
Bewohner Leute aus Sachsen, Böhmen und dem Reiche wären,
wie man ihm gemeldet hätte619), bald erkundigte er sich nach dem
Viehstande, wieviel Stück Rindvieh jeder Kolonist hätte, und ob
sie auch Schafe hielten620), bald suchte er die Kolonisten, welche
von der Rückerstattung des gewährten Samenvorschusses befreit
zu werden wünschten, zu beruhigen, bald beschäftigte ihn die Frage
nach Wiesenland; es befriedigte ihn sichtlich, daß man den Bewoh-
618 Auch am 2.9.1783 und am 31.8.1784 erkundigte sich der
König nach der Seelenzahl.
619 1.9.1780.
620 Desgleichen. |