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beide Söhne im Heere stande, wünschte den Mann oder einen
Sohn zu Hause zu haben608). An den Relaisstationen stand der
Zugang zum Landesherrn allen Untertanen offen.
Beim Nahen des fürstlichen Wagenzuges verstummte das
Stimmengewirr der wartenden Menge. Ehrfurchtsvolle Stille
empfing den Monarchen, der im Achtspänner vorfuhr. Selten
verließ der König den Wage, während umgespannt wurde. Er
nahm die Bittgesuche und Danksagungen, die Meldungen der
Generäle609) und des Landrats entgegen, der auf mancherlei
Fragen, z. B. nach der Seelenzahl, dem Ausfall der Ernte, der
Höhe der Getreidepreise u. dergl. Rede und Antwort zu stehen
hatte. Er hatte dem Königlichen Wagen bis zur Kreisgrenze das
Geleit zu geben. Minunter entließ ihn Friedrich schon bald hinter
der Stadt610).
In Lüben angekommen, hielt der Wagen vor dem Hause des
Generalleutnants von Krockow, bei dem der König regelmäßig
Quartier nahm. Nach dessen Tode stieg er bei dem Prinzen von
Württemberg ab, der sich in der Glogauer Vorstadt ein Schloß
erbaut hatte. Das Krockowsche Haus lag am Ringe und gehörte
der Stadt, die es seinerzeit als Wohnhaus für die Generäle des
Regiments angekauft hatte611). Hier fand großer militärischer
Empfang statt. Die Kommandeure und Stabsoffiziere der an der Revue
beteiligten Regimenter und sonstige dazu befohlene höhere
Offiziere meldeten sich bei dem König612). Der Bürgermeister
und etliche Standespersonen aus der Stadt nahmen am Empfange
teil. Friedrich zog diese oder jene der zum Empfange erschienenen
Persönlichkeiten in ein kurzes Gespräch, erkundigte sich nach dem
für die Revue bestimmten Platz, erteilte Befehle für die Besichti-
gung, gab wohl auch persönlich die Parole aus613) und zog sich
dann in seine Gemächer zurück. Krockow leistete ihm meist noch
ein wenig Gesellschaft. Öfter trat der König ans Fenster und be-
obachtete "durch das Okular" die Damen614), welche von den Fen-
stern des Rathauses aus das Schauspiel betrachteten, fragte "mit
einer gracieusen Miene" nach deren Namen oder nach dem Besitzer
dieses oder jenes Hauses, das ihm auffiel. Er speiste dann allein,
spielte eine halbe Stunde Flöte und begab sich gegen 7 oder 8 Uhr
zur Ruhe, während Krockow den Prinzen und Generälen ein
Diner gab. Friedrich lebte auf seinen Reisen überaus einfach;
608 1.9.1782 in Lübenwalde.
609 In Eisemost meldete sich der General des Lübener Regiments,
mitunter auch der Inhaber der niederschlesischen Kavallerieinspektion.
610 Am 12.8.1767 entließ Friedrich den Landrat 1/4 Meile hinter
Lüben, "damit er nicht sein Pferd zu schanden ritte".
611 Vermutlich das alte Amtsgericht, Ring 26.
612 Z. B. die Generäle von Lossow, von Posadowsky, der Fürst von
Anhalt u. a.
613 Meist tat es einer der Generäle.
614 Frau von Krockow, deren Töchter u. a. |
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der Thronfolger liebte "die magnifiquen Diners", an deren Nach-
wirkungen er mitunter noch litt, wenn jener bereits auf dem
Pferde saß und die Manöver leitete615).
Der König war frühzeitig zur Stelle; sein Tagwerk war
reich bemessen. Meist stand er früh um 3 Uhr auf, spielte ein
paar Minuten Flöte und fuhr gegen 4 Uhr, oft noch früher zur
Revue. Es ist bezeichnend, wenn der 68jährige Fürst, als er am
17. August 1780 früh um 1/2 4 Uhr den Wagen bestieg, dem ihn
begleitenden General von Courbière zurief: "mon cher général
Courbière, it est trop tard!" ("Mein lieber General Courbière,
es ist zu spät!") Er liebte es, pünktlich zu sein und die Zeit zu
sparen, deshalb wurden auch alle Fahrten im raschesten Tempo
zurückgelegt. Die Revue bei Lüben beschränkte sich anfänglich auf
das in Lüben garnisonierende Dragoner-Regiment und wurde
auf verschiedenen Plätzen und zu wechselnden Stunden gehalten.
So wurden die Krockowdragoner am 12. August 1767 früh um
4 Uhr "vor der Glogauer Vorstadt am Pusche" inspiziert, an-
scheinend auf dem Gelände des jetzigen Exerzierplatzes. Später
bildete sich eine konstante Praxis heraus. Der König übernachtete
in Lüben, hielt am folgenden Tage in früher Morgenstunde die
Revue über die drei Kavallerie-Regimenter der niederschlesischen
Inspektion616) bei Brauchitschdorf und fuhr von dort entweder
nach Liegnitz, um noch an demselben Vormittage das dortige
Infanterie-Bataillon zu besichtigen, oder er reiste direkt nach
Breslau weiter.
Galt der kurze Besuch, den Friedrich am Beginn seiner
schlesischen Reise der Stadt abstattete, ausschließlich militärischen
Zwecken, so nahm er auf der Rückfahrt Gelegenheit, sich über die
Entwicklung der Stadt und das Ergehen ihrer Bewohner zu er-
kundigen617). Meist passierte er Lüben in den ersten September-
tagen. Sein Aufenthalt war kurz bemessen und beschränkte sich
in der Regel auf die Zeit, welche für den Pferdewechsel erforder-
lich war. Der Landrat, der Bürgermeister und andere Mitglieder
des Magistratskollegiums empfingen den König, wenn er in der
Mittagsstunde eintraf, und beantworteten seine Fragen, die sich
auf die verschiedensten Gebiete erstreckten.
Mit besonderem Interesse verfolgte der König den Wieder-
aufbau der Stadt. Er freute sich, wenn er Jahr um Jahr Fort-
schritte konstatieren konnte. Freilich entging er nicht dem Ge-
schicke regierenden Herren, mitunter über den eigentlichen Tat-
615 Am 31.8.1782 sandte der Thronfolger Tafeldecker und Köche
nach Lüben voraus, um dort ein Diner herzurichten.
616 Es waren die 2. Dragoner in Lüben u. a. Orten; die 11. Dra-
goner in Sagan u. a. Orten; die 1. Husaren in Herrnstadt u. a. Orten.
- Ueber den Verlauf der Königsrevue cf. XIV. Kapitel.
617 Der König berührte Lüben auf der Rückreise 1763-71; 74-76;
79; 80-85. |