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Konrad Klose, Geschichte der Stadt Lüben, Verlag Kühn Lüben, 1924, S. 208/209
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4 Häuser "gehoben", die andern kaum begonnen. Die Kammer
drängte zur höchsten Eile, drohte dem Bauinspektor Wirth mit
Entziehung eines Viertels seines Gehalts und hielt ihm vor,
daß das Liegnitzer Kämmereidorf Neurode, dessen Anlage gleich-
zeitig mit dem Lübener genehmigt worden war, bereits fertig
dastände, während dieses zum Teil noch der Gebäude entbehre,
von Türen, Fenstern, Öfen u. dergl. ganz zu schweigen: "Die bei
Wirth eingewurzelte Neigung, viel zu reden und zu versprechen,
in der Ausführung aber immer weniger zu thun", sei leider noch
immer vorhanden. So wurde der unglückliche Dorferbauer unab-
lässig ermahnt, obwohl die Schuld an der Verzögerung weniger
an ihm als an der Glogauer Firma lag, welche gleichzeitig Neu-
rode erbaute und dort alle Arbeitskräfte konzentriert hatte,
während sie in "Hirschfelde" mit unzulänglichem Personal zur
Stelle war. Bis Ende August sollte alles einschließlich der Um-
friedigungen fertig sein, zumal am 15. die Nachricht einlief, daß
Se. Majestät das neue Dorf auf der Rückreise zu besichtigen
wünschte. Notdürftig war man am bestimmten Termin bereit;
nur die Bewohner fehlten. Einzig der neue Kretschambesitzer
Joseph Zernitzki konnte sich vor seinem Besitztum aufstellen, um
die Ankunft des Königs am 2. September 1776 zu erwarten.
Auch der Ratssenior und Kämmerer von Brown hatte sich auf
Befehl der Kammer eingefunden, um den König zu begrüßen
und ihm den Dank für das gewährte Gnadengeschenk abzustatten.
Um 2 Uhr kam Friedrich an: die neue Kolonie imponierte ihm
nicht sonderlich, sein scharfes Auge erkannte sofort ihren Mangel.
"Aus dem kann nichts werden," sagte er, "es hat keinen Wiesen-
wachs". Brown erklärte, es befände sich hinter dem Holze etwas
Wiese, und bat den König, er möge die Gnade haben, dem Dorfe
einen Namen zu geben. "Gebt ihm einen, was für einen Ihr
wollt!" rief Friedrich und fuhr, wie Brown versicherte, "mit einer
gnädigen Miene" weiter. In Glogau war man froh, daß Se.
Majestät so milde geurteilt hatte, und gewährte dem Bauinspektor
Wirth ein Douceur von 8 rtl. für seine Bemühungen. Am
24. September genehmigte die Kammer den Namen "Lübenwalde"
für die neue Kolonie. Die Besiedelung des Dorfes stieß auf
Schwierigkeiten, da nur Ausländer angesetzt werden sollten.
Sie hatten Vieh, Ackergerät u. dergl. aus eigenen Mitteln anzu-
schaffen, brauchten aber kein Kaufgeld zu zahlen, sondern hatten
nach 3 Freijahren einen jährlichen Grundzins von 5 rtl. zu ent-
richten. Bei Verkauf waren 10 Prozent der Kaufsumme an die
Kämmereikasse zu zahlen. Inländer entrichteten 50 rtl. Kaufgeld.
Die Stadt suchte durch Annoncen und Agenten fremde Landes-
kinder, besonders aus der Lausitz, heranzuziehen. Es gelang jedoch
nicht, das ganze Dorf mit Ausländern zu besiedeln; 5 Stellen
wurden an Inländer verkauft. Anfang Mai 1777 war Lübenwalde
voll besetzt. Die Abrechnung ergab, daß das ganze Dorf 3050 rtl.
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13 sgr. 11 pf. kostete, und daß die Stadt, da sie das Kaufgeld von
von Inländern und den fiskalischen Zuschuß erhielt, nicht allzuviel
zugesetzt hatte. Der Betrag des aus der Stadtheide entnommenen
Holzes wurde allerdings nicht durch die Einnahmen gedeckt.
Wir würden von der Geschichte der Stadt während der
Regierungszeit Friedrichs des Großen nur ein unvollständiges
Bild erhalten, wenn wir nicht auch die Besuche berühren
würden, welche der König alljährlich auf seiner schlesischen Reise
dem Städtlein abstattete. In den ersten Augusttagen eines jeden
Jahres begann die Frage die Herzen der Bürger zu bewegen:
Wann kommt der König? Meist traf er am 16. oder 17. August
in Lüben ein, um die Revue über die niederschlesischen Kavallerie-
Regimenter abzunehmen. Nicht selten berührte er auch auf der
Rückreise in den ersten Septembertagen die Stadt. Immer brachte
er ihrem Aufblühen und Gedeihen lebhaftes Interesse entgegen,
und stets kontrollierte er mit scharfem Blick die Verwaltung der
Behörden.
Der König reiste mit großem Gefolge, in der Regel von preu-
ßischen, württembergischen oder braunschweigischen Prinzen be-
gleitet602). Neben ihm im Wagen saß ein höherer Militär, öfter
der General Baron Lentulus, auch General von Möllendorf, der
Graf von Anhalt oder General von Courbière. An den Seiten
des Wagens ritten zwei Pagen. Das Relais (Vorspann)
wurde von Meile zu Meile gelegt. Auf der einen Seite waren
Eisemost oder die Meileiche bei Lübenwalde, auf der andern
Brauchitschdorf und Petschkendorf Relaisstationen. Dort entfaltete
sich an dem Tage, an dem der König erwartet wurde, ein lebhaftes
Treiben. Da hielten Bauern mit ihren Pferden603), andere war-
teten, um die ihrigen in Empfang zu nehmen; Neugierige ström-
ten herbei, der Adel der Nachbarschaft fand sich ein; in der Regel
waren auch Bittsteller zugegen: Wohlauer Bürger erbaten604)
eine Kollekte für die Renovation ihrer Kirche; Steinauer Bürger
wünschten ein Gnadengeschenk für ihr Gotteshaus605); Lübener
Kreisinsassen wollten ihren Dank für die Verschonung des Kreises
mit der Kantonierung abstatten606); Leute aus Raudten überreich-
ten eine Bittschrift607); eine Frau aus Samitz, deren Mann und

602 Wiederholt begleiteten den König sein Bruder Heinrich, später
auch der Prinz von Preußen; öfter Prinz Ferdinand von Braunschweig
und die Prinzen Eugen und Friedrich von Württemberg.
603 Anfänglich waren an jeder Relaisstation 139 Pferde bereit zu
halten, die vom Kreise gestellt werden mußten. Die Kgl. Schatulle
gewährte Entschädigung, z. B. für die Route Raudten-Lüben-Parchwitz
im Jahre 1749: 52 rtl. 12 sgr. Später wurde die Zahl der Relais-
pferde auf 63 reduziert.
604 17.8.1775 in Eisemost.
605 3.9.1774 in Petschkendorf.
606 Desgleichen.
607 17.8.1783 in Eisemost.