Württembergisches Palais
Stadtziegelei














Württembergisches Palais in Konrad Kloses Lüben-Chronik von 1924

Württembergisches Palais in der Klose-Chronik von 1924, mit dem Hinweis auf die Familie Hübner, der das Schloss seit dem 19. Jh. gehörte

Württembergisches Palais. Dank an Tomasz Mastalski!

Württembergisches Palais auf einer Abbildung von 1920, die Tomasz Mastalski zur Verfügung stellte. Der Eingang verkündet stolz
"A. Hübner Zimmermeister. Baugeschäft, Dampfsäge- u. Hobelwerk. Nutzholzhandlung"


Das Württembergische Palais in Lüben
von Theo Dames

Im Lübener Heimatblatt vom 25. Januar 1955 war zu lesen, daß das alte Württembergische Schloß, das zuletzt im Besitz des Baumeisters Hübner war, abgebrochen worden ist. Dieser Umstand ist der äußere Anlaß, über dieses besondere Gebäude ausführlicher zu berichten und damit ein Stück württembergischer Geschichte in Verbindung mit unserer Heimatstadt zu schildern. Wie kam überhaupt ein Palais aus Württemberg in das preußische Lüben? Der Vorgang ist folgender:

Mit Herzog Karl Eugen (1728-1793) saß in Württemberg ein Fürst auf dem Thron, der mit seinen beiden Brüdern am Hofe Friedrichs des Großen erzogen worden war und durch seinen Vormund, den Herzog Friedrich-Karl von Württemberg-Oels Beziehungen zu Schlesien hatte. Karl Eugen heiratete die Tochter der Lieblingsschwester Friedrichs des Großen, der Wilhelmine von Bayreuth, trennte sich aber wieder von ihr und dem preußischen Einfluß. Als er am 24. Oktober 1793 kinderlos starb, führte in Stuttgart sein Bruder Ludwig Eugen die Regierung. Er war von 1746-1748, also kurz nach dem Zweiten Schlesischen Kriege, unter dem noch jugendlichen Friedrich Regimentskommandeur des Dragoner-Regiments Nr. 2 in Lüben. Später stand er als General auf der Seite der Gegner Friedrichs des Großen. Er regierte nur zwei Jahre und starb - gleichfalls kinderlos - am 20. Mai 1795.

Nun wurde der letzte der drei Brüder, der auch schon betagte Friedrich Eugen, regierender Herzog in Württemberg, wiederum nur auf zwei Jahre. Dieser Friedrich Eugen hatte mit Friederike Dorothea Sophie die Tochter des Markgrafen von Brandenburg-Schwedt und der Sophie Dorothea, gleichfalls Schwester Friedrichs II., geheiratet. Er war ein tüchtiger Soldat und General unter dem großen Friedrich, der ihn schon siebzehnjährig zum Obersten und Inhaber eines Reiter-Regiments gemacht hatte. In der Schlacht bei Torgau hätte er beinahe seinen auf der anderen Seite kämpfenden Bruder Ludwig Eugen gefangengenommen. Dieser Friedrich Eugen, der zwölf Kinder hatte, starb am 22. Dezember 1797.

Zeichnung des Württembergischen Palais in Lüben von Theo Dames aus dem Jahr 1955

Originalzeichnung von Theo Dames. In dankbarer Erinnerunge an Hartmut Dames (1933-2013), der die Erlaubnis zur Veröffentlichung gab.

Sein Sohn Friedrich, der nun die Regierung übernahm, war in Treptow in Pommern, also in Ostdeutschland, geboren (er hatte eine ostdeutsche Mutter). Dieser Friedrich, der Friedrich I. König von Württemberg wurde, heiratete auch in die Verwandt-schaft des preußischen Königshauses hinein; und er ist es, der uns besonders beschäftigen soll. Er ist vom 7. September 1778 bis ins späte Jahr 1781 Regimentskommandeur der 2. Dragoner und wohnt daher in Lüben. Mit 24 Jahren ist er General und Kommandeur dieses Regiments. Er folgte in dieser Stellung dem General Anton von Krockow, dem Vertrauten des Alten Fritzen. Er bewohnte das "Krockowsche Haus" am Ring (nach Klose, Geschichte von Lüben).

In dieser Lübener Zeit (ab 7. September 1778) heiratete er am 15. Oktober 1780. Aber konnte ihm Lüben in seinem damaligen Zustande eine standesgemäße Wohnung bieten? (Sein Onkel Ludwig Eugen hatte zwar 1746 bis 1748 in Lüben gewohnt.) Lüben war damals ein recht bescheidener Ort, ganz in Fachwerk erbaut. Um den Ring herum standen Holzlauben, die etwa in der Art der Lauben um den Marktplatz in Schönberg bei Görlitz oder der Laubenhäuser in Hohenelbe zu denken sind. Massive Häuser mit größeren Wohnräumen waren selten. Es bestanden zwar bereits der "Grüne Baum" als einziges massives Laubenhaus am Ring und wohl weitere zehn Steinhäuser, dazu die Kirchen- und Friedhofskapellen, die Reste des Piastenschlosses und die Stadtmauer mit den letzten Türmen - und eben das Krockowsche Haus, - alles andere aber war leicht gebaut. Wo sollte Prinz Friedrich wohnen? Wir dürfen annehmen, daß er zunächst als Junggeselle in dem sehr guten und ganz neuen Hause des Anton von Krockow unterkam, bald aber Baupläne hatte. Bei seiner vorerwähnten Hochzeit am 15. Oktober 1780 muß sein neues Haus, das uns als Württembergisches Palais bekannt ist, schon bestanden haben, das er sich an der Glogauer Landstraße vor der Stadt erbauen ließ. Und hier in diesem Hause wurde dem Prinzen am 27. September 1781 der erste Sohn geboren, der spätere beliebte König Wilhelm I. von Württemberg. In Lüben kam also der König eines süddeutschen Landes zur Welt!

Württembergisches Palais. Dank an Tomasz Mastalski!

Was uns heute besonders angeht, ist nicht die Person dieses Königs, der jung auf österreichischer Seite gegen Napoleon kämpft, 1864 erster Ehrenbürger von Lüben wird und ein Geldgeschenk für wohltätige Zwecke der Stadt überweist, sondern das kostbare Gebäude, mit dem jetzt das künstlerisch bedeutendste Profangebäude Lübens verlorenging.

Wir stellten fest. daß das Schlößchen vor dem 15. Oktober 1780 gebaut wurde: Friedrich der Große hat (nach Klose, Geschichte von Lüben) wahrscheinlich schon im gleichen Jahre vor dem obigen Datum in ihm übernachtet. Es muß also schon zuvor bewohnbar gewesen sein. Demnach ist der Bau im Jahre 1779, wenn nicht gar 1778 begonnen worden. Der Prinz läßt es draußen vor der Stadt erstehen (die Kleine Kaserne bestand noch nicht, das Regiment lag noch in Privatquartieren in der Stadt), mit der Breitseite zu der wichtigsten Verkehrsader, der alten Heerstraße von Breslau über Neumarkt - Parchwitz - Lüben - Polkwitz (das spätere Heerwegen) nach dem so wichtigen Glogau und weiter nach Berlin, - jener Straße, auf der so oft der Reisewagen des Königs dahergerollt kam. Das "Hotel zum Löwen" hat damals noch nicht bestanden. So wäre das Palais das erste Haus vor der Stadt hier gewesen.

Die in Nr. 1/1956 gebrachte Zeichnung (von Theo Dames selbst, siehe obige Zeichnung vom 17.1.1955!) zeigt es in seinem ursprünglichen Zustande. Um das Jahr 1912 herum hat es Zimmermeister Hübner, der es bewohnte, erweitert und den südlichen Flügel dabei erhöht, wobei der Charakter des Hauses, trotz des Bestrebens, stilecht weiterzubauen, wesentlich verändert wurde. Es war ein langgestrecktes, eingeschossiges Haus, auf betontem Rustika-Sockel, mit dem geknickten Mansardendach, das für den späteren Barockstil bei uns kennzeichnend war, - und Fenstern im Dachgeschoß.

Württembergisches Palais. Rechts Hotel zum Löwen

Württembergisches Palais in der Hindenburgstraße neben dem Hotel zum Löwen 1935

Der Mittelbau, zu dem eine einfache Freitreppe hinaufführte, zeigte ein bescheidenes Portal, das in einer Nische stand, die oben in einer eingezogenen kassettierten Viertelskugel endete. Und als Merkmal des Besonderen dieses Baues prangte groß über der sich in die Breite streckenden Attika das württembergische Wappen mit den württembergischen Geweihstangen im Mittelschild und den übrigen Teilen, die mit der Kurfürstenkrone in jenes Wappen der Zeit zwischen 1757 und 1785 hinein gehörten. Dieses Wappen erregte dort oben Aufmerksamkeit, sozusagen als Blickfang der Front des Gebäudes (das Lübener Rathaus trug sein Wappen gleichfalls an der Hauptfront, im Südgiebel). Das Mittelstück des Schlosses ragte massiv über die Traufe bis zum First hinauf und zeigte neben der Rundnische, in die das Portal gestellt war, zu beiden Seiten der Tür je ein Fenster (alle Fenster hatten noch Spätbarock-Fassung!) - und über diesen im Obergeschoß je eine Halbkugel-Nische, in der auf niedrigem Postament je eine plastische römische Porträtbüste stand. Es waren Büsten von guter, eindrucksvoller Form, und ich glaube, daß man mir einst erzählte, es seien Caesar und Brutus, die dargestellt waren. Heute möchte ich annehmen, daß es Caesar und Augustus waren, Vorbilder für einen jungen Feldherrn, der wie sie einmal Staatslenker werden sollte.

Friedrich I. König von Württemberg

Wie ist dieses Haus nun stilkritisch zu beurteilen - und wer hat es erbaut? In seiner Grundhaltung zeigt es sich als Bau der Mitte des 18. Jahrhunderts: als quer gelagerter Längsbau mit Mansardendach, mit betonter Mitte und zentraler Freitreppe. Die Fensterform ist, wie schon gesagt, barock. So zeigt es die Haltung der letzten Periode des letzten Barocks, und man mag, was die Gesamtgliederung betrifft, vergleichend an Schloß Sanssouci bei Potsdam (1745-1748), mehr noch an Schloß Solitude bei Stuttgart (1763 bis 17674) denken (Solitude steht Lüben zeitlich näher). Den Glanz dieser beiden Schlösser hat es nicht erreicht, nicht erreichen wollen. Es war nur als eine Art Landschloß am Rande einer ostdeutschen Kleinstadt gedacht, gebaut für den kurzen Aufenthalt eines jungen Fürsten, der noch nicht die Ansprüche eines Landesherrn erhob. Wenn man in bezug auf die Formgebung zum Vergleich an württembergische Architektur denkt, fallen einem die ganz anders gearteten künstlerischen Tatsachen in Lüben auf: Schloß Solitude liegt zwar zeitlich vor Lüben, stilistisch ist es aber einesteils fortschrittlicher (es hat den Barockstil überwunden und sich dem Zopfstil zugewandt), andernteils ist es nicht so stark in die Zukunft zum Klassizismus weisend. Durch seine spätbarocken Züge ist das Lübener Schloß mehr rückwärts gerichtet, durch seinen auf das Erwachen antiker Gedanken eingestellten Mittelbau stark nach vorn, wie es die Schlösser Solitude und Monrepos bei Stuttgart nicht sind. Und es ist richtig, herauszustellen, daß das Wappen auf der Attika des Lübener Schlößchens nicht mehr jene Konzentrationskraft hat, wie sie die Kuppeln von Solitude und Sanssouci noch haben! An Stelle dieser Akzentuierung tritt die ausgleichende Ruhe antikischer Formgebung. Dabei sind der waagerechte Block der Attika und des ganzen Mittelbaues mit den flankierenden Urnen, der Kassetten-Nische und den antiken Büsten von einer Kühle der Empfindung, wie sie de la Guepiere und F. Weyhing in Stuttgart in ihrem Zopfstil noch nicht haben - und wie sie Württemberg in dieser Zeit noch nicht kennt. Hieraus geht hervor, daß von Württemberg aus ein künstlerischer Einfluß auf das Lübener Palais nicht ausgeübt worden sein kann.

Wilhelm I. König von Württemberg, Ehrenbürger der Stadt Lüben

Es will vielmehr scheinen, als ob der Architekt des Lübener Baues eine Synthese zwischen dem Landsitz-Stil der barocken Vergangenheit und jenem neuen Geist suchte; der mit dem Althergebrachten brach und die Urformen alles Gestaltens in Würfel, Kugel und Kreis, bei größter Beschränkung im Zierat, suchte: eine Synthese zwischen dem Wunsch des Bauherrn und der künstlerischen Absicht des Architekten.

Nun hat der in Oels und Karlsruhe (O. S.) seit 1647 ansässige Zweig des württembergischen Herzogshauses für seine Bauten schlesische Baumeister verwendet (in Karlsruhe z. B. Leißer). Warum sollte der junge Fürst nicht auch einen einheimischen Architekten beauftragt haben? Man brauchte nicht Baumeister von fern zu holen, in Schlesien gab es deren genug. Und damals schon baute Gotthard Langhans, der bedeutende schlesische Baumeister (geboren in Landeshut, 1732-1808), der später das Brandenburger Tor in Berlin schuf, in allen Teilen Schlesiens. Er hatte gerade (1763-1773) das Palais Hatzfeld in Breslau, das spätere Oberpräsidium, erstellt. Und gerade dieses Hatzfeld-Palais ist es, das bei aller Verschiedenheit von Gesamtform und Ausmaß stark an das Lübener Schlößchen erinnert: der Mitteltrakt in Lüben weist mit seinen antikischen Formen auf Langhans und das Breslauer Palais in aller Deutlichkeit hin.

In Breslau wird das große rundbogige Portal von zwei waagerecht abschließenden Türen flankiert, - in Lüben von zwei Fenstern. Und über den Türen stehen in gleicher Höhe zum Rundbogen in Halbkugel-Nischen die antiken Büsten. Genau so ist es in Lüben. Das ist Langhans'scher Geist! In Lüben freilich ist die Tür in eine halbkreisförmige Nische gesetzt und bekrönt durch die kassettierte Viertelskugel (Übersetzung der barocken Muschel in die neue Kunstsprache), - in Breslau aber übernimmt die Aufgabe der Bekrönung der auf korinthisierenden Säulen ruhende Balkon. Ja, noch mehr: Darüber entsprechen sich die dazu gehörenden Wappen! Die Ähnlichkeit der Bauteile, zwischen denen nur ein halbes Jahrzehnt zeitlichen Abstandes liegt, ist bezwingend. Die Abhängigkeit des Lübener Palais vom Breslauer, die kleine teilweise Wiederholung des Palais Hatzfeld im Palais Württemberg, ist offenbar! Hier hat der große Langhans gearbeitet! Nach Beendigung des Palais Hatzfeld war Langhans zwölf Jahre lang als Kriegs- und Oberbaurat an der Breslauer, aber auch an der näher gelegenen Glogauer Domänenkammer tätig (die Regierung in Liegnitz bestand noch nicht). Und in dieser Zeit hat Langhans das architektonische Gesicht Schlesiens wesentlich gebildet. Eine Anzahl von größeren und kleineren Bauwerken wurde von ihm entworfen und unter seiner Leitung ausgeführt. Die wichtigsten sind: Die Bürgerwerder-Kasernen in Breslau (1778 bis 1787), die Kirchen von Waldenburg und Groß-Wartenberg (1785), von Adelsdorf bei Goldberg (1789); dazu die Schlösser , von Pawlowitz bei Lissa (Posen), von Romberg bei Breslau und Dyhernfurth, das später von anderer Hand umgebaut wurde. Aber auch nach seiner Übersiedlung nach Berlin (1788) hat Langhans noch Bauten in der Heimat, ja bis zu seinem Tode, betreut.

Der Bau des Württembergischen Palais in Lüben fällt also in jene Zeit, da Langhans im ganzen Schlesien tätig war. Wer aber baute so wie er? Wer führte vom sterbenden Barock so stark in die erwachende Antike hinüber? Es gab keinen anderen Baumeister in Schlesien, der so zeitig dem neuen Stil zugewandt war, und es kann kein anderer das Lübener Palais erbaut haben. Prinz Friedrich von Württemberg, der später den großen Thouret zu seinem Hofbaumeister wählte, machte hier in Lüben den bedeutendsten Architekten Schlesiens, ja Preußens, zum ausführenden Baumeister: den älteren Langhans!

Württembergisches Palais

Erstaunlich bleibt freilich, daß in Lüben das Mittel-Risalit stilistisch so stark im Gegensatz zum übrigen Bau steht. Ob hier der Wunsch des Bauherrn wirksam wurde, das vertraute Mansardendach der Stuttgarter Karlsschule, des Neuen Schlosses oder von Monrepos wiedererstehen zu lassen, ist fraglich. Wahrscheinlicher ist die Angleichung an die umliegenden Schlösser, an den Stil der Landschaft: die Schösser von Brauchitschdorf und Kotzenau, die beide Martin Frantz baute, zeigen auch kubische Mitteltrakte zwischen barocken Mansardendächern. Gegen das Palais Hatzfeld ist aber damit das Lübener Schlößchen, was den Zeitstil betrifft, ein Rückschritt.

Zum Schluß ist noch zur Geschichte des Schlosses einiges wenige zu berichten: Als erstes Haus am Ort war es bestens geeignet, anspruchsvollen und hochgestellten Gästen als Übernachtungsquartier zu dienen. Das hat das Schloß öfters getan. Auf den Revue-Reisen Friedrichs des Großen wurde es von diesem in den Jahren von 1780-1783 benützt, bis dieser (nach Klose, Stadtgeschichte von Lüben) wieder im Krockow'schen Hause am Ring Nr. 26, das stilistisch dem Württembergischen Palais am nächsten steht, wohnte, nachdem der Prinz von Württemberg Lüben wieder verlassen hatte. Nach dem großen König hat die Königin Luise am 21. August 1804 und am 29. August 1804 im Palais gewohnt.

So hat das Württembergische Palais in Lüben geschichtlich und kunsthistorisch einige Bedeutung gehabt, - ist dies der kleinen Stadt bekannt gewesen? Haben wir diesem Haus jene Aufmerksamkeit, ja Achtung entgegengebracht, die es verdiente? - Nun ist es dem Erdboden gleichgemacht!

Theo Dames, 1955

Württembergisches Palais in den 1930er Jahren, Aufnahme aus dem Heimatkalender 1942