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Konrad Klose, Geschichte der Stadt Lüben, Verlag Kühn Lüben, 1924, S. 222/223
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über Nacht blieb, früh aber verkleidet mit einem Marktkorbe glück-
lich in die Stadt kam. Unsern Emil schickten wir nach Raudten.
Eine Esquad. Wirtemberger wurden hier als Vorposten ein-
quartirt, und da bekamen wir den 27. Nov. das erstemal feindliche
Einquartirung, 2 Feldschere und einen Gemeinen, die 3 Tage
blieben sich aber gut aufführten. Wie oft wir Einquartirung ge-
habt haben von Feind und Freunden würde zu weitläufig seyn,
anzuführen, mit denen wir meist sehr gut zurechte kamen. Im
Ganzen betrug sie: An Offizieren 97 Mann, darunter ein preußi-
scher Oberste, 3 Majors, 4 Kapitains; an Unteroffizieren, Ge-
meinen und Bedienten 104 Mann. Daß bei der sehr schlechten
Stelle und den zu der Zeit ganz unbedeutenden Einkünften und
diesen hohen Kriegskosten die Noth sehr groß wurde, kann wohl
jeder leicht einsehen; alles, was wir hatten, mußte nicht nur zuge-
setzet, sondern auch Schulden gemacht werden. Indeß können wir
die Güte Gottes nicht genug preisen, der uns unsere Gesundheit
erhielt und unsere Häuser für Feuer bewahrte".
Solche und schlimmere Lasten hatte auch die Stadt, und zwar
zwei Jahre lang zu tragen. Am 21. November bivakierten
bayrische Regimenter vor dem Steinauer und Liegnitzer Tore
gegen Ossig hin; sie zogen am 24. weiter. Als Glogau am
3. Dezember gefallen war, erfolgten neue Durchmärsche feindlicher
Truppen. Besonders stark war die Stadt am 5. Dezember mit
Einquartierung beliebt. Ihre Lage an der Militärstraße brachte
es mit sich, daß sie von den Hin- und Hermärschen und den damit
verbundenen Requisitionen ständig in Anspruch genommen blieb,
ganz abgesehen davon, daß sie unaufhörlich von Militär belegt
war. Tief erschütternd für die Bürgerschaft war die Ankunft
preußischer Gefangener, die am 27. Dezember 1806 und am 13.
und 15. Februar 1807 anlangten und teils im Schießhause, teils
an der alten Begräbniskirche auf dem Kirchhofe eingesperrt wur-
den. Am 8. März 1807, dem Sonntage Lätare, verbreitete sich das
Gerücht, daß ein anmarschierenders württembergisches Infanterie-
Regiment plündern wolle. Die Bestürzung war allgemein; der
Gottesdienst mußte ausfallen; glücklicherweise war es blinder
Lärm gewesen. Am 2. Juli hörte man vom Friedensschluß, am
14. wurde er offiziell bekannt gegeben, aber die Feinde machten
keine Miene, die Stadt zu verlassen. Der Zeitungsbericht vom
19. November klagt630): "Ob zwar am 14. Oktober eine Kompagnie
von den hier stehenden Kantonnierungstruppen nebst einem Teil
vom Park abmarschieret, so bleibt jedennoch durch die fortwähren-
den Durchmärsche bei den noch fortdauernden Kantonnements und
dabei habenden ansehnlichen Lazareths die Lage für die hiesige
Bürgerschaft sehr drückend". Am 26. Oktober war ein Kolonel,
ein Platzmajor nebst Park und 70 Pferden eingetroffen, während

630 Staatsarchiv Acta betr. Zeitungsberichte; ebenso das Folgende.
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in der Stadt bereits 200 Kanoniere und Artilleristen lagen, im
Lazarett 50 Mann. Erst am 26. Dezember zogen die Truppen
ab, wurden aber durch die in Raudten und Umgegend dislozierten
Abteilungen ersetzt (6 Offiziere und 107 Mann nebst Train), die
bis Februar 1808 verweilten. Ihnen folgten 200 Mann neue
Truppen. Das Lazarett631) war ständig belegt, es mußte sogar
durch Hinzunahme eines Bürgerhauses erweitert werden. So ver-
ging das Jahr unter unaufhörlichen Durchmärschen, bis im Spät-
herbst die französischen Truppen endgültig zurückgezogen wurden.
Vom 7. bis 12. Oktober passierte die 3. Division in Stärke von
13 000 Mann und 1000 Pferden die Stadt, ein Grenadierbataillon
blieb als Besatzung zurück. Im November rückten die letzten
Truppen nach Haynau ab, und die Stadt war endlich vom Feinde
befreit, geblieben war ihr aber eine Schuldenlast von 17 000
rtl.632).
Ein Freudentag war es, als am 17. Dezember 1808 die ersten
preußischen Soldaten im Städtlein eintrafen; es waren blaue
Husaren, welche vor dem Glogauer Tore vom Magistrat und von
der Schützengilde begrüßt wurden. Sie wurden feierlich in die
Stadt geleitet. Den Offizieren ward im Grünen Baum ein
Festmahl bereitet; abends war Ball und Illumination. Erst im
Jahre 1810 erhielt Lüben wieder eine Garnison, die dritte Schwa-
dron des 2. Schlesischen Husarenregiments, in dem auch die
ehemaligen Prittwitz-Dragoner stark vertreten waren.
Von den drückenden Lasten, welche damals der preußische
Staat zu tragen hatte, hatte auch die Lübener Bürgerschaft ihr
Teil zu übernehmen. Der Staat brauchte bares Geld; die Münz-
ämter kauften Gold- und Silbergerät, Juwelen u. dergl. Wer
seine Kleinodien behalten wollte, mußte sie abstempeln lassen und
eine Abgabe entrichten. Am 12. April 1809 ward in Lüben eine
Münzdeputation gebildet633). Sie kaufte u. a. die Altargeräte
der Garnisonkirche des aufgelösten Dragonerregiments für 16 rtl.
20 sgr. und von der Zedlitzer Kirche für 17 rtl. 18 sgr. Daß bei
diesem Geschäft auch der Zwischenhandel verdienen wollte, beweist
die Tatsache, daß ein gewisser Amschel Cohn für 365 rtl. Edel-
metall dem Münzamte verkaufte, und daß vor polnischen Juden
gewarnt wurde, die Gold und Silber aufkauften, um es in das
Großherzogtum Warschau zu schaffen. Im Ganzen wurde in

631 Es befand sich anscheinend Bleicherdamm 2.
632 Die Angaben über die Schuldenlast lauten sehr verschieden. Die
obige Summe ist den "Zeitungsberichten" entnommen. Der Kämmerer
Richter gibt bei Knie (1832) an, daß die baren ud der Wert der
Naturalleistungen für 213 172 Mann einquartiert gewesene Truppen
87 959 rtl betragen haben. Im Journal der Stadtverordneten-Versamm-
lung (Mai 1812 bis Dezember 1813) wird die Höhe der städt. Schulden
auf 30 968 rtl. angegeben.
633 Staatsarchiv Acta betr. Ankauf des Gold- und Silbergeräts
durch die Münzämter.