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am 23. Mai durch die Stadt, und am 26. dröhnte der Kanonen-
donner von Haynau her. Der Feind war wieder nahe. Eilends
wurden die öffentlichen Kassen weggeschafft, mehrere Einwohner
flüchteten, preußische Ulanen vom Glogauer Blockadekorps spreng-
ten gegen Abend durch die Straßen, um Steinau zu erreichen.
Unter Sorge und Furcht verlebten die Bürger den Himmelfahrts-
tag, den 27. Mai; immer noch donnerten die Kanonen; in der
Stadt herrschte eine dumpfe unheimliche Stille. Sie wurde gegen
Abend durch Russen unterbrochen, welche spornstreichs zur Stadt
hereinkamen und erzählten, daß sie nur durch Gewaltmärsche den
nachsetzenden Franzosen entgangen wären. Nun erwartete man
noch am selben Tage den Feind, zumal als bekannt wurde, daß er
bereits in Haynau und Liegnitz eingerückt wäre. Aber erst am
29. Mai kamen Franzosen, die jedoch ohne Aufenthalt nach Glogau
weitergingen. Am folgenden Tage erschienen andere; sie hielten
sich nicht lange auf, da man ihnen zu verstehen gab, daß die
Gegend noch nicht von Kosacken gesäubert sei. Von nun an erhielt
die Stadt wieder feindliche Besatzung. Kürassiere aus dem Lager
bei Mlitsch begannen zu requirieren, ihre Forderungen waren so
unmäßig, daß sie nicht befriedigt werden konnten. Da begrüßte
man es mit Freude, als am 1. Juni zwei Kompagnien Badenser
einrückten, von denen sich die eine im Stadtrichterhause, die andere
im Schlosse einquartierte. Dadurch war die Stadt gegen willkür-
liche Requisitionen und Marodieren geschützt. Der Befehlshaber
des badischen Kontingents, Major Weber, ließ sofort die Eingänge
der Stadt durch Palisaden und spanische Reiter sicher und stellte
auf den Kirchturm eine Wache, die durch Anschlagen der Glocken
zu melden hatte, wenn fremdes Militär sich näherte. Die dumpfen
Glockentöne hallten schauerlich durch die Stadt. So blieb es bis
zum 5. Juni, dem Pfingstsonnabende, an dem die Nachricht vom
Abschlusse des Waffenstillstandes einlief. Damit begann für Lüben
eine unruhige, drückende Periode. Es lag innerhalb der feindlichen
Demarkationslinie und bildete ein Glied in der starken Kette, mit
der Napoleon das von ihm besetzte Gebiet sperrte; das 2. Korps
(Victor) stand bei Grünberg, die junge Garde bei Glogau und
Polkwitz, das 4. Korps (Bertrand) bei Sprottau, das 3. Korps
(Ney) bei Lüben-Steinau-Parchwitz, das 5. Korps (Lauriston)
bei Goldberg, das 6. Korps (Marmont) bei Thomaswaldau, das
7. Korps (Reynier) bei Görlitz, das 11. Korps (Macdonald) bei
Friedeberg-Greifenberg, das 1. Kavalleriekorps (Latour) bei
Sagan, das 2. Kavalleriekorps (Sebastiani) bei Siegersdorf. Ehe
die einzelnen Korps ihre Stellungen einnahmen, erfolgten natur-
gemäß starke Truppenbewegungen, von denen auch Lüben in
Mitleidenschaft gezogen wurde. Die Badenser rückten am Pfingst-
sonntage ab; sie wurden durch französische Regimenter ersetzt,
denen Nachtquartier gegeben wurde. Noch drückender wurde die
Einquartierung am Pfingstmontage, als die junge Garde in der |
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Stadt rastete. Manches Haus mußte 20 bis 30 Mann aufnehmen.
Rektor Schuster beschreibt ergötzlich, wie in seiner engen Schul-
wohnung am Turme zwei französische Kapitäne mit ihren Bedien-
ten sich einrichten mußten, ohne damit recht fertig werden zu
können. "Monsieur, votre chambre est trop étroit pour nous!"
("Mein Herr, Ihr Zimmer ist zu eng für uns!") rief der eine der
Offiziere dem Rektor zu. "Je ne suis pas capable de l'élargir ce
moment!" ("Ich bin nicht in der Lage, es in diesem Augenblick
breiter zu machen!") war die schlagfertige Antwort, die jenen
beruhigte. Vorher hatte ein französischer Kolonel in der Schule
logieren sollen. Durch das viele Gepäck, das ihm nachgebracht
wurde, ward in der ohnehin engen Stube sein Spielraum immer
kleiner. Endlich mußte alles übereinander getürmt werden, sodaß
er wie über eine Brustwehr hinwegsah. Da wandelte ihn wohl
die Furcht an, daß er ganz eingebaut werden könnte. Er bahnte
sich daher durch diesen Verhau einen Weg und lief mit den Wor-
ten weg: "On court ici risque, d'être enterré tout vif!" ("Man
läuft hier Gefahr, lebendig begraben zu werden!") und erzwang
sich ein anderes Quartier.
Inzwischen wartete das 3. Korps auf die Räumung des ihm
zugewiesenen Gebiets641). Es war eins der stärksten französischen
Korps und zählte 5 Divisionen von ungleicher Stärke nebst der
zugehörigen Kavallerie und Artillerie und den Genietruppen.
Befehligt wurde es von Marschall Ney, Fürst von der Moskwa,
"dem Tapfersten der Tapferen". Am Beginn des Feldzuges, dem
25. April, zählte es 70 Bataillone bezw. Schwadronen, 1417 Offi-
ziere, 47 241 Mann, 1767 Pferde (2481 Zugpferde). Nach der
Schlacht bei Groß-Görschen war es auf 31 180 Mann zusammen-
geschmolzen und am 1. Juni zählte es infolge der starken Verluste
bei Bautzen nur noch 23 199 Mann; es war also nur noch halb so
stark als am Anfange des Krieges. Nach Abschluß des Waffen-
stillstands wurde das Korps provisorisch folgendermaßen verteilt:
8. Division (comte Souham) stand bei Parchwitz - Leschwitz -
Merschwitz - Jürtsch - Herrndorf - Bielwiese - Gugelwitz; 9. Divi-
sion (Delmas) bei Rothkirch - Johnsdorf - Schmochwitz etc.; 9. Di-
vision (Albert) bei Liegnitz - Panthen - Bienowitz - Hummel -
Rüstern - Schönborn; die 39. Division (comte Marchand) bei
Lüben - Rinnersdorf - Muckendorf - Ossig - Mallmitz - Kl.-Krichen;
die Kavallerie (10. Husaren und badische Dragoner) bei Ditters-
bach - Herzogswaldau - Schwarzau - Zedlitz - Kniegnitz - Petschken-
dorf; die Artillerie bei Groß- und Klein-Kotzenau - Seebnitz -
Sabitz - Spröttchen. Die 39. Division, welche nach Lüben gewiesen
war, mußte vom 8. bis 11. Juni bei Rüstern rasten, ehe sie ihren
Standort einnehmen konnte. Am 11. und 12. Juni langte sie in
641 Nach Fabry, Journal des Opérations des III e et V e Corps
en 1813. Die XI. Division (Ricard) war detachiert. |