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Konrad Klose, Geschichte der Stadt Lüben, Verlag Kühn Lüben, 1924, S. 238/239
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Leistungen nicht zahlte, hatte Exekution zu erwarten. Jeder zur
Exekution dem Bauer ins Haus geschickte Soldat hatte von seinem
Quartierwirt täglich 1/2 rtl. zu fordern. Am 10. Juli wurden
6 Unteroffiziere und 61 Soldaten zur Eintreibung von Kontri-
butionen auf Exekution gelegt, am 14. Juli 7 Unteroffizieren,
1 Tambour, 20 Gemeinen in Begleitung des Kriegskommissars
in die umliegenden Ortschaften, um Frucht einzutreiben, am 20.
Juli je 2 Kommandos von 1 Sergeant, 1 Korporal und 11 Ge-
meinen. So wurde die Bevölkerung des Kreises unaufhörlich be-
drückt und ausgesogen. Selbst die Feinde empfanden Mitleid
mit ihr. Der badische Chronist setzt das Marodieren den französi-
schen Nationaltruppen aufs Konto und betont, daß von badischer
Seite die notwendigen Maßnahmen mit möglichster Schonung
durchgeführt worden seien, freilich muß er auch die Schwere der
Kontributionen anerkennen: "Nicht genug, das bare Andenken
an bessere Zeiten zu verlieren, waren die Besitzer gehalten, dem
die Exekution assistierenden Soldaten hohe Gebühren zu erlegen,
und die Landleute verpflichtet, den eigenen Mundvorrat für frem-
den Gaumen zu dreschen".
Aber auch beim Feinde gab es allerlei Unerfreuliches. Das
Lagerleben wurde für die Offiziere sehr kostspielig. Der badische
Brigadekommandeur beklagte sich651), daß die Offiziere auf ihre
Ration Fleisch und Brot, die geraume Zeit nur zur Hälfte gereicht
worden sei, reduziert wären. Alle Lebensmittel ständen sehr
hoch im Preise und beide Regimentskommandeure sähen sich ge-
nötigt, für ihre Offiziere Teuerungszulagen zu erbitten. Schwerer
wog der schlechte Gesundheitszustand der Truppen. Es wurde
von vornherein ein gemeinsames Lazarett für die Division errich-
tet und dem Stabsmedikus Rauch unterstellt. Außerdem wurde
von jedem Regiment ein Arzt zum Lazarett abkommandiert. Von
der badischen Brigade waren am 17. Juli 466 Mann krank651);
der Kommandeur führte die Zunahme der Krankheiten auf die
Einflüsse des Lagers, der unbeständigen Witterung und der ge-
schmälerten Nahrungsmittel zurück. Bei den Hessen fehlen die
Angaben der Lazarettkranken; hoch war die Zahl der Revier-
kranken; die der Krätzekranken belief sich allein bei den Hessen
auf 980 Mann652). Bei den Badensern starb Leutnant Jordan,
der am 1. Juli mit allen militärischen Ehren begraben wurde.
Als mit der Wiederaufnahme der Feindseligkeiten gerechnet
werden mußte, wurde der Dienst wieder intensiver betrieben:
Die französischen Generale verlangten von den Rheinbundtruppen
die völlige Beherrschung der Dienstvorschriften des napoleoni-
schen Heeres. So wurde vom 2. Juli ab wieder fleißig exerziert.
Am 11. Juli hielt Prinz Emil über die Hessen eine Parade bei

651 Journal a. a. O.
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Großkrichen ab652). Im Anschluß daran meldete er dem Groß-
herzog: "Ich bin es dem Eifer des Kommandeurs und des gesam-
ten Offizierskorps schuldig, zu bemerken, daß die Fortschritte,
welche die Truppen in jeder Hinsicht machen, auffallend sind und
jedes Lob verdienen". Weniger hervorragend waren die Schieß-
leistungen. Der Prinz schreibt in seinem Tagebuch: "Am 4. August
ließ ich die Infanterieregimenter nach der Scheibe schießen; die
siebente und neunte Kugel traf die Scheibe auf 150 Schritt Ent-
fernung. Am 7. August schossen 48 Hessen und ebensoviel Badener
gemeinschaftlich auf 300 Schritt nach der Scheibe; jeder Mann tat
zwei Schüsse. Der Wind und das regnerische Wetter verursachten,
daß nur 3 Hessen und 2 Badener die Scheibe trafen. Am
8. August gingen 4 Hessen und 4 Badener als die besten Schützen
nach Liegnitz ab, um dort mit ebensoviel aus den übrigen Divisio-
nen des 3. Armeekorps ein Wettschießen zu veranstalten; 3 Hessen
und 3 Badener bekamen Preise". Da nur 13 Preise für die
5 Divisionen bestimmt waren, war das Resultat sehr günstig. Den
ersten Preis des Armeekorps erhielt der badische Feldwebel
Matern vom Regiment Großherzog, den zweiten ebenfalls ein
Badenser. Bei den badischen Truppen wurde regelmäßig von
6 bis 9 Uhr vormittags einen Tag mit der Brigade, den andern
regimenter- und kompagnieweise exerziert; nachmittags wurden die
Maladroiten gedrillt, und es wurde Instruktion für die Offiziere
und Unteroffiziere gehalten. Am 31. Juli hielt der Divisions-
kommandeur eine Revue ab, welcher der Inspecteur aux Revues
des Armeekorps und andere französische Offizier beiwohnten. Alle
waren befriedigt von der Schönheit und Haltung der Truppen
sowie von dem Lager, das sie für das schönste des ganzen Armee-
korps erklärten.
Eine Unterbrechung des Einerleis des Lagerlebens bedeutete
die Ankunft der heimatlichen Verstärkungstruppen. Das badische
Ergänzungsbataillon langte am 28. Juli unter Führung des
Generalmajors Brückner an; es bestand aus 10 Offizieren, 16
Unteroffizieren, 5 Spielleuten und 365 Mann für die beiden
Infanterieregimenter, und aus 1 Unteroffizier, 8 Trainsoldaten
und 16 Pferden für die Artillerie. Auch 1500 Schlafsäcke und
80 Zentner Suppengries kamen mit an. Zahlreiche Deserteure
befanden sich unter den Mannschaften, sie mußten durch die Kom-
pagniegasse laufen und erhielten von jedem Kameraden zwei
Schläge mit dem Schuh, außerdem mußten sie drei Tage mit um-
gekehrter Montur Dienst tun. Übler erging es den hessischen
Ausreißern, die am 26. Juli mit den Ergänzungstruppen ein-
getroffen waren653). Sie wurden ebenfalls mit Schuhen geschlagen,

652 Beck a. a. O.
653 Erinnerungen eines Odenwälders, herausgegeben von Dr. Karl
Esselborn, Darmstadt 1912.