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Konrad Klose, Geschichte der Stadt Lüben, Verlag Kühn Lüben, 1924, S. 290/291
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XII. Kapitel


Das evangelische Kirchenwesen
unter preußischer Herrschaft*)



Die evangelischen Schlesier begrüßten die preußische Besitz-
ergreifung mit unverhohlener Freude, hofften sie doch, daß sie
fortan nicht mehr die Stiefkinder der landesväterlichen Verwal-
tung bleiben würden. Manche hegten wohl auch noch weitergehende
Erwartungen. Aber Friedrich II. kam nicht als zweiter Gustav
Adolf oder Karl XII., zudem waren ihm durch die Friedens-
verträge die Hände gebunden, sodaß er an keine Änderung des
Besitzstandes der beiden Konfessionen denken konnte. Nur die größ-
ten Härten der habsburgischen Kirchenpolitik wurden allmählich
beseitigt. So wurden die Hoffnungen der Evangelischen stark
herabgestimmt, überdies ward die preußische Art in der kirchlichen
Verwaltung nicht immer angenehm empfunden. Ein scharfer
bürokratischer Zug beherrschte den ganzen Verwaltungsbetrieb.
Die Glogauer Kriegs- und Domänenkammer mischte sich in die
äußeren und inneren Kirchenangelegenheiten ein, verfügte,
monierte und rügte bei jeder Gelegenheit, ging allen Dingen auf
den Grund, strich manches, was vor dem Buchstaben des Gesetzes
nicht bestand, tastete die durch Gewohnheit fest gewordenen Rechte
an und war schwer zufrieden zu stellen.
Gewohnheitsrechtlich präsentierte in Lüben der Magistrat
dem Landesherrn als Patron die Bewerber für eine erledigte
Pfarrstelle. In den Kirchenvisitationsprotokollen vom 20. No-
vember 1654 und 8. Oktober 1674 war das ius preasentandi an-
erkannt, im Jahre 1708 war es ausgeübt worden, späterhin hatte
es allerdings der Fiskus nicht respektiert, und der damalige
katholische Magistrat erhob keinen Einspruch. Ebenso duldete er

*) Nachtrag: Für die Zeit von 1600-1750 vergl. K. Klose "Zur
Geschichte der kirchlichen Praxis und Sitte im Kirchenkreise Lüben",
Korrespondenzblatt des Vereins für Geschichte der evangelischen Kirche
Schlesiens 1917, Seite 360 ff.
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die fiskalische Besetzung der Altstädter Pfarrstelle, ohne das
städtische Patronatsrecht zu wahren. Als Anfang 1746 der
Diakonus und Pastor von Altstadt - Deutschmann - bei dem
Glogauer Oberkonsistorium die Bestellung eines Adjunkten be-
antragte, widersprach der Magistrat unter Berufung auf das
städtische Patronatsrecht. Deutschmann resignierte, das Ober-
konsistorium berief Christian Wilhelm Petzold. Damit war der
Konflikt gegeben. Es entspann sich ein sechs Jahre dauernder
Prozeß, der am 11. Januar 1752 dahin entschieden wurde, daß
das Patronatsrecht der Stadt bezgl. Altstadts anerkannt, ihr
Anspruch auf das Präsentationsrecht für Lüben zurückgewiesen
wurde701).
Damit war die Rechtslage geklärt. Nun galt es die Frage
zu lösen, in welcher Weise die Besetzung des Diakonats, das mit
der Altstädter Pfarre verbunden war, erfolgen sollte, damit das
Berufungsrecht des Fiskus und das Patronatsrecht der Stadt
gewahrt blieb. Die Glogauer Kammer machte am 10. Juli 1761
den Vorschlag, daß die Berufung zwischen Fiskus und Stadt
wechseln sollte; der Magistrat lehnte dies törichterweise ab. Nun
forderte die Kammer Bericht über das Verhältnis der Einkünfte
des Diakonats zu denen des Altstädter Patronats; es stellte sich
heraus, daß letztere nur den vierten Teil jener betrugen. Bei
dem Termin, welchen Superintendent Krause am 5. August 1762
in Lüben hielt, betonte daher der Vertreter des Patronats, Ober-
amtmann Behnisch, daß die Rechte des Fiskus bezgl. des Diako-
nats erheblicher seien als die der Stadt bezgl. der Altstädter
Pfarre, er befürwortete daher folgenden Modus der Besetzung:
Fiskus besetzt dreimal hintereinander und das vierte Mal die
Stadt. Der Magistrat bestritt die organische Verbindung beider
Stellen unter Berufung auf die Tatsache, daß von 1676-1701 die
Altstädter Pfarre mit einer Lübener Lehrerstelle kombiniert ge-
wesen sei. Dasselbe sei auch jetzt wünschenswert, um die Lehrer-
stellen aufzubessern. Ein dritter Geistlicher sei für die Stadt über-
flüssig, da größere Städte als Lüben nur zwei zählten. Zur
Einigung kam es nicht, indes blieb die Verbindung beider Stellen
vorerst bestehen. Als am 5. Dezember 1765 Petzold starb, brach
der Streit aufs neue aus. Wieder forderte die Stadt die Ein-
ziehung des Diakonats; sie war bereit, unter dieser Voraussetzung
der Berufung des Konrektors Pitthius, welche die Kammer beab-
sichtigte, zuzustimmen. Indes beschwerte sich die Bürgerschaft,
daß nur ein, nicht wie sonst drei Probeprediger gestellt worden
wären. Die Kammer berief zwei weitere Pastoren, obwohl der
Bürgerschaft ein Recht zur Wahl nicht zustand. Daraufhin wurde
Pitthius in Altstadt und Lüben abgelehnt. Der Magistrat

701 Stadtarchiv. Akta betr. den Streit über das Patronatsrecht in
Altstadt 1746-1752.