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Konrad Klose, Geschichte der Stadt Lüben, Verlag Kühn Lüben, 1924, S. 340/341
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Regierung forderte die Trennung der Geschlechter in den oberen
Klassen und einen organischen Aufbau der Klassen, nämlich je
2 Knaben- und Mädchenklassen und eine gemischte Klasse, daneben
die katholische Klasse, außerdem Wohnräume für den Rektor,
einen verheirateten und einen unverheirateten Lehrer sowie für
den katholischen Kantor. Die beiden andern evangelischen Lehrer
sollten im alten Schulhause untergebracht werden. Demnach war
ein umfangreicher Bau mit 6 Klassenzimmern, 3 Familienwoh-
nungen und einer Stube für den Adjuvanten zu errichten; seine
Länge sollte 73, die Breite 48 Fuß betragen.
An Mitteln waren, wenn man das aus den Königlichen
Forsten zu erwartende Bauholz auf 818 rtl., den Amtsgarten auf
200 rtl., das Gnadengeschenk mit den aufgelaufenen Zinsen auf
850 rtl. veranschlagte, etwas 1868 rtl. vorhanden, wozu noch
100 rtl. Baufonds traten. Die Kosten des Baus waren auf min-
destens 6000 rtl. veranschlagt. Die städtischen Körperschaften
suchten bei dem Könige eine allgemeine Kirchen- und Hauskollekte,
beim Ministerium eine außerordentliche Unterstützung aus
Staatsmitteln nach, erhielten aber von beiden Stellen ablehnen-
den Bescheid. Daraufhin erklärten sie es für unmöglich, solch
teuren Bau in so beschwerten Zeiten auszuführen. Alle städtischen
Kassen seien leer, es fehle an Ziegeln, der vorhandene Vorrat
müsse für den Wiederaufbau von 12 abgebrannten Scheunen
reserviert bleiben, die Regierung möge eine Frist von 2 Jahren
bewilligen. Die Behörde gewährte am 13. Januar 1824 einen
Aufschub von einem Jahre, damit die Ziegeln gebrannt und die
Baumaterialien angefahren werden könnten und verwies bezgl.
der Beschaffung der Geldmittel auf den Weg der Anleihe. Wohl
oder übel mußte dieser Weg beschritten werden; zunächst wurden
1000 rtl. aufgenommen, im übrigen gedachte man in der kleinen
Heide Holz in größerem Umfange einzuschlagen, um für die
Ausgaben gerüstet zu sein.
So waren nun alle Vorfragen erledigt, und am 26. März
1828 konnte der Grundstein gelegt werden. Magistrat und Stadt-
verordnete, die Spitzen der Behörden, die Geistlichen beider Kon-
fessionen, die Lehrer mit ihren Schulen und zahlreiche Bürger
und Gemeindeglieder versammelten sich um 10 Uhr auf dem
Bauplatze. Man sang: "Vor deinen Toren erscheinen wir", Pastor
prim. Burkmann sprach im Anschluß an Jesaja 58, 12, drauf ward
der Grundstein vermauert, dem eine Urkunde, welche die Vorge-
schichte des Baues und die Namen der städtischen, kirchlichen und
königlichen Beamten enthielt, und eine Anzahl der gangbaren
Münzen einverleibt war, vermauert. Ein Schlußvers endete die
Feier. Nach Jahr und Tag konnte der Bau seiner Bestimmung
übergeben werden. Da er, wie die Abrechnung ergab, 7500 rtl.
kostete, verzichtete man auf eine größere Einweihungsfeier und
begnügte sich mit einem einfachen Weiheakt am 14. Juni 1829 im
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Anschluß an den Sonntagsgottesdienst. In feierlichem Zuge be-
gaben sich die beiden Schulen mit ihren Lehrern, den Geistlichen
und den städtischen Behörden und vielen Gliedern beider Kirchen-
gemeinden nach dem Schulplatz. Hier hielt zunächst Kuratus
Berndt "eine außerordentlich durchdachte, ansprechende Rede",
in der er zeigte, worin die Blüte christlicher Schulen bestehe und
wodurch sie gefördert werden können, dann sprach Burkmann
Worte der Weihe über das Schulhaus, daran erinnernd, daß es
ein Zeugnis der Eintracht beider Gemeinden sei, die sich immer
mehr festigen möge. Beide Geistliche bekräftigten durch Hand-
schlag ihre Bereitwilligkeit, an dieser Aufgabe nach Kräften mit-
zuarbeiten.
Endlich war das Schulhaus vorhanden, auf das drei Gene-
rationen gehofft hatten. Vermöge seiner soliden Bauart genügte
es für lange Zeit den Anforderungen, ja es vertrug sogar eine
Modernisierung, sodaß es noch immer seinen Zweck erfüllt. Das
alte Schulhaus, dessen ersten Stock Lehrer Knittel bezog, und
dessen Erdgeschoß eine Mädchenklasse aufnahm, ging ruhmlos
zugrunde. Es stürzte762) am 3. Mai 1831, mittags zwischen 11 und
12 Uhr, nach der Seite der evangelischen Kirche hin ein. Glück-
licherweise war das Schulzimmer leer; Frau Knittel wurde von
den Trümmern verschüttet und erst nach einer Stunde hevor-
gezogen; sie genas jedoch von den erhaltenen schweren Quet-
schungen; ihre Tochter blieb wunderbarerweise völlig unverletzt,
ein vorübergehendes dreijähriges Mädchen wurde erschlagen. Dem
durch Verlust des Mobiliars schwer geschädigten Lehrer Knittel
gewährte die Regierung eine Unterstützung von 10 rtl., die Stadt
hielt es nicht für angezeigt, helfend einzugreifen.
Der Neubau des Schulhauses ermöglichte die Reorganisation
des Schulwesens. Diese tat allerdings sehr not. Im Jahre 1810
zählte die Bürgerschule 51 Knaben, die I. Elementarschule von
Klembt 66 Knaben und 74 Mädchen gleich 140 Kinder, die
II. Elementarschule von Gutsche 93 Knaben und 88 Mädchen gleich
181 Kinder, die konzessierte Privatschule des Kantors 18 Mäd-
chen, die katholische Schule 25 Knaben und 20 Mädchen gleich 45
Kinder, Summa: 235 + 200 gleich 435 Kinder bei völlig un-
gleicher Verteilung; 1813 stellten sich die Zahlen für die evange-
lischen Schulen wie folgt: Bürgerschule 60, Klembt 150, Gutsche
137. Das Ziel der beiden Elementarklassen, von denen jede
3 Abteilungen zählte, umfaßte das Gebiet der im damaligen
Volksschulunterrichte vermittelten Kenntnisse: Fließendes Lesen,
orthographisch-richtiges Schreiben, Rechnen bis einschl. Regeldetri
und Religion; die Bürgerschule erhielt Unterricht in Latein
(3 Abteilungen à 4 Stunden), Religion, Deutsch, Realien. Miß-

762 Nach Knie und Melcher 1832.