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Konrad Klose, Geschichte der Stadt Lüben, Verlag Kühn Lüben, 1924, S. 390/391
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biere, Bader, Perückenmacher, Petschierstecher, Goldarbeiter,
Krämer, Uhrmacher usw., aber auch die Doctores und Literati.
In 20 Paragraphen wurden die Gewohnheiten und Gerechtig-
keiten der Zeche geregelt und dabei den Honoratioren, d. i. den
Männern mit akademischer Bildung, den Schöppen und Kauf-
leuten die Stelle neben den Ältesten angewiesen. Im Jahre 1732
gehörten der Kretschmerzeche an: 6 Kaufleute, 2 Bader, 1 Apothe-
ker, 2 Goldschmiede, 7 Barbiere, 1 Organist, 1 Gewürzkrämer,
2 Kunstpfeifer, 1 Perückenmacher, 1 Uhrmacher, 2 Tuchscherer,
1 Zimmermann, 1 Kretschmer, 1 Branntweinbrenner, 2 Posamen-
tierer
, 1 Schwarzfärber. Die Akademiker hielten sich also fern.-

10. Am 5. August 1594 erteilte der Rat die Genehmigung
zur Begründung einer neuen Zunft für einzelne bisher bei der
"Gemeinen Zeche" inkorporierte Handwerker, "die nicht gleicher
Handwerksgewohnheiten brauchten". Die neue Innung erhielt
den Namen "Geschenkte Handwerkszeche", wurde aber
später meist "Herrenzeche" genannt811). Sie umfaßte
ursprünglich: Riemer, Sattler, Kandelgießer, Gürtler, Seiler,
Handschuhstricker, Bürstenbinder, Nadler, Kammacher, Frauen-
taschner, Mannstaschner, Kollermacher, Klempner, Buchbinder,
usw. Den Vorstand bildeten zwei Älteste oder Geschworene, die
besonders die Kassenverwaltung zu kontrollieren hatten. Die
Zechartikel erhielten die üblichen Bestimmungen über den Eintritt,
Annahme von Lehrlingen, Beteiligung an der Beerdigung von
Zunftgenossen usw. Strafbar war alles Fluchen und Lästern,
Beleidigung der Ältesten mit "schmech- oder andern wortenn",
das öffentliche oder heimliche Tragen "einer mördlichen Wehre"
u. dergl. Am 5. Januar 1631 wurde der Riemer Buchholtz mit
6 rtl. bestraft, weil er mit dem Stockmeister, also einer unehrlichen
Person, gemeinsam in die Stadt gefahren war. Der Geschenkten
Zeche war ein zweimaliges Biertrinken gestattet, auf Pauli Be-
kehrung und auf Peter-Paul. Dabei sollte keiner "unehrbare Schenk-
geste" einführen, "das Bier nicht mutwillig vergießen noch vor
die Thore tragen", Singen, Spielen, Tanzen soll keinem zuge-
lassen werden. Die Jüngsten sollen das Bier austragen, sich
nüchtern halten und nicht "die ersten voll sein". - Am 24. Januar
1666 schloß die "Geschenkte Handwerkszeche" mit der "Einzelnen
Handwerkszunft" einen Vertrag über gemeinsame Beerdigungen
von Innungsgenossen. - Als am 16. Mai 1674 ein zugezogener
Buchbinder versehentlich bei der Einzelnen Zunft eintrat, gab die
Geschenkte Zeche auf Veranlassung des Rats hierzu die Geneh-
migung unter der Bedingung, daß damit kein Präzedenzfall ge-

811 Die "Herrenzeche" existiert noch heute als freier, der Geselligkeit
dienender Verein; er besitzt eine unversehrte Innungslade mit orts-
geschichtlich wertvollen Schriftstücken. Am geeigneten Ort ist davon Ge-
brauch gemacht worden. Das älteste Rechnungsbuch der Zeche datiert
von 1594.
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schaffen werde. Die Handschuhmacher erhielten am 26. Januar
1668 ein kaiserliches Privileg, das ihnen die Anfertigung von
Handtaschen, Beuteln, Säbeltaschen, Matratzen, Polstern u. dergl.
erlaubte. Die Seiler hatten schon am 12. Februar 1688 das
Liegnitzer Gewerk als Hauptzeche anerkannt, vor der auch der
Freispruch der Lehrlinge stattfand. Im Jahre 1764 suchten die
Seiler in Verbindung mit den Sattlern das Privilegium nach,
Lehrlinge aufzunehmen, Gesellen auszubilden und Meisterrecht zu
verleihen. Die neue Zunft erhielt ihre Artikel am 16. Februar
1766, die landesherrliche Bestätigung erfolgte am 4. Februar 1773
und kostete 75 rtl. In der Herrenzeche mangelte es nicht an
Reibungen, die Sattler mußten sich gegen die Handschuhmacher,
die Seifensieder gegen die Krämer wehren, welche selbst Lichte
zogen, statt sich auf den Verschleiß fertiger Ware zu beschränken;
auch auswärtige Konkurrenten griffen in die Gerechtsame der
einzelnen Gewerke ein. Die Gewerbefreiheit machte schließlich
allem Hader ein Ende. Die in der alten Herrenzeche vereinigten
Handwerker wurden in neuerer Zeit zum Teil in der Sattler-,
Tapezierer-, Lackierer- und Seilerinnung zusammengefaßt, die
am 16. September 1852 konstituiert wurde, 1886 und 1899 neue
Statuten erhielt und 1912 Zwangsinnung wurde.

11. Die bisher genannten Innungen wurden an Bedeutung
und Größe weit überragt von dem Tuchmachermittel, dem
einzigen, das für den Export arbeitete und daher Geld in die
Stadt brachte. Die Tuchmacherei drückte auf Jahrhunderte der
Stadt ihr Gepräge auf, und oftmals beherrschten einflußreiche
Tuchmacher oder Tuchhändler die gesamte Stadtverwaltung. Eine
Darstellung der Entwicklung des Tuchmachereigewerbes darf
daher in der Geschichte der Stadt nicht fehlen.
Schon 1332 besaß die Stadt das Privileg für die Anlage
eines Schergadens (radendi pannos officium), und die Vogtei-
mühle hatte in ihrem Mühlwerke auch ein Walkrad (1335), beides
spricht dafür, daß vielleicht schon durch die ersten Ansiedler die
Tuchmacherei eingeführt worden ist. Hundert Jahre später war
die Innung bereits sehr blühend geworden, waren doch die
Tuchknappen imstande 1447 ein eigenes Spital ad St. Barbaram
zu errichten, das im Laufe der Jahre zahlreiche Zuwendungen
erhielt812). Die dem Tuchmachergewerk gehörige Barbarakapelle
wird zwar erst 1483 erstmalig erwähnt813), war aber sicher schon
früher vorhanden. Am 17. Dezember 1500 erhielt sie814) von der

812 Staatsarchiv Rep. 28 O. A. Lüben I Consignation der Brief-
schaften S. 8 Nr. 29 und S. 14 Nr. 21. Vierzig Schöppenbriefe über
Zinsverschreibungen an das Barbaraspital waren vorhanden.
813 Staatsarchiv Rep. 3 T. B. W. Nr. 760.
814 Ebenda 762. Benutzt sind für die Darstellung die Akten aus
dem Staatsarchiv Rep. 28 O. A. Lüben in verschiedenen Faszikeln. -
Stadtarchiv Acta betr. Tuchmachermittel Vol. I und II 1615-1831;