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Konrad Klose, Geschichte der Stadt Lüben, Verlag Kühn Lüben, 1924, S. 474/475
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8. Melchior Agricola gehört - streng genommen -
nicht zu den Lübener Kindern, denn er ist am 27. März 1581
in Ober-Glogau geboren, wo sein Vater Michael Agricola Pastor
war. Letzter kam 1592 als Pastor und Dekan nach Lüben.
Indes galten seine Söhne Melchior und Michael zu ihren Zeiten
allgemein als Angehörige der Stadt Lüben; deshalb sei aus dem
Lebensgange des ersteren das Wesentliche registriert. Melchior
Agricola besuchte die Schulen in Lüben und Breslau und wurde
1600 in Frankfurt immatrikuliert, wo er sich vornehmlich der
Philologie und lateinischen Poesie widmete. Als Dichter zeichnete
er sich frühzeitig aus, so daß ihn Bartholomäus Bilovius a Bilow
in Stendal am 24. August 1602 zum kaiserlichen Dichter krönte874).
Nach Beendigung seiner Studien wurde er Lehrer an der Schweid-
nitzer Schule, und Graf Hans Heinrich I. von Hochberg rühmt
ihm nach, daß er zu den Lehrern gehört habe, "welche den besten
Fleiß angewendet und recht zu informieren gewußt haben". Trotz-
dem war seines Bleibens in Schweidnitz nicht lange. Wegen
schwerer sittlicher Verfehlungen ward er am 19. Oktober 1611
seines Amtes entsetzt875). Er wandte sich zunächst nach Prag, war
dann in böhmischen Landschulen als Lehrer tätig und erhielt end-
lich die Prorektorstelle an dem Rosenbergischen Gymnasium in
Ober-Ungarn, wo er wohl Ende 1621 starb876). Sein literarischer
Nachlaß war beträchtlich; er veröffentlichte
1602: Comparatio de rosa et nobilitate;
1604: Symmetria Epigrammatum concinnata ad illud poetae Martialis lib. 8, epigr. 77;
1608: Sirena poetica;
1609: Sirena votiva ad Vratislav, Senatum pro felicitate anni 1609;
1610: lura electae;
1620: Gratulatoria epigrammata ad Fredericum, regem Bohemiae;

ferner lateinische Gedichte an Herzog Georg Rudolph von Lieg-
nitz, ein Trauerepos auf den Tod des Fürsten Peter-Bolko Ursinus
von Rosenberg und zahlreiche Gelegenheitsgedichte.

9. Matthaeus Gottfried Purrmann877) wurde
am 28. März 1649 als Sohn des damaligen Stadtschreibers,
späteren Bürgermeisters und Hofrichters Michael Purrmann ge-
boren, in Glogau bei Paul Rumpelt in der Wundarzeneikunst
ausgebildet und begab sich nach vollendeter Lehrzeit zu Balthasar
Kaufmann in Frankfurt a. O. Er hielt sich einige Zeit in Küstrin,
Leipzig und Wittenberg auf, trat 1668 in kurbrandenburgische

874 Das Diplom befindet sich in der Breslauer Stadtbibliothek 2 gen,
dazu eine Glückwunschschrift seiner Freunde.
875 Über seinen Aufenthalt in Schweidnitz cf. H. Schubert, Die
evangel. latein. Schule in Schweidnitz 1501-1535 im Korrespondenz-
blatt des Kirchengeschichtsvereins X 1.
876 Die Angabe, daß er schon 1614 gestorben sei, wird durch das
Datum seiner Veröffentlichungen widerlegt; sein Tod wurde im Januar
1622 in Lüben abgekündigt. - Die meisten der aufgeführten Schriften
sind in der Breslauer Stadtbibliothek vorhanden.
877 Nach Grätzer a. a. O.
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Kriegsdienste und machte die Feldzüge des Großen Kurfürsten
gegen Frankreich und Schweden als Kompagnie- später als
Regimentschirurg bis zum Frieden von St. Germain 1679 mit.
Nach dem Friedensschlusse schied er aus dem Militärdienst. Die
im Kriege gesammelten Erfahrungen legte er in dem 1680
erschienen Werke nieder: "Der rechte und wahrhaftige Feld-
scherer
", das in mehrere Sprachen übersetzt wurde. Purrmann
ließ sich als Chirurg und Barbier in Halberstadt nieder, wo er
längere Zeit in Quartier gelegen hatte, und wurde dort 1681
beim Ausbruch der Pest Oberpestchirurg. Auf Veranlassung der
kurbrandenburgischen Regierung veröffentlichte er eine "Pest-
anweisung" und ein größeres Werk "Der aufrichtige und erfah-
rene Pest-Barbierer". Dem Breslauer Rat widmete er 1684 den
"Chirurgischen Lorbeerkrantz". Im folgenden Jahre kehrte er
in seine schlesische Heimat zurück, er erwarb in Breslau eine
Barbieroffizin, ward 1686 Garnisonchirurg, 1690 Stadtarzt am
Allerheiligenhospital und entfaltete daneben eine fruchtbare
literarische Tätigkeit. Neben dem "Feldscherer" und dem "Lor-
beerkrantz", die in erweiterter Auflage herausgegeben wurden,
veröffentlichte er u. a. "50 sonder- und wunderbare Schußwunden"
und weitere medizinische Schriften, in denen seine große Belesen-
heit in der Fachliteratur und seine hervorragende chirurgische Be-
gabung hervortritt. Er war ein wissenschaftlich gebildeter Medi-
ziner und ein Operateur von großer Geschicklichkeit und Kühnheit.
Er starb am 27. Mai 1711 nach längerer Krankheit.

10. Friedrich Albert Zimmermann878) ist in
Lüben am 30. Mai 1745 geboren. Sein Vater, der Bürgermeister
Albert Zimmermann, starb bereits am 20. Juli 1749. Der Knabe
erhielt seine erste Erziehung in Strehlen, wohin seine Mutter
gezogen war. Dort wurde er bereits mit 13 Jahren im Steuer-
amt beschäftigt. Durch die Veröffentlichung einer Übersicht der
Steuerverfassung im Jahre 1771 lenkte er die Aufmerksamkeit
des Ministers auf sich, und er erhielt eine Anstellung als Kalku-
lator bei der Breslauer Kammer. Wiederholt wurde er mit be-
deutungsvollen Aufträgen betraut. 1772 wirkte er bei der Ein-
richtung des Städte- und Steuerwesens in Westpreußen mit;
später hatte er hervorragenden Anteil an der Errichtung des
Kreuzburger Landarmenhauses, 1793 war er bei der Organisation
der aus der Teilung Polens erworbenen Provinzen beschäftigt
und nahm im Namen des Königs Warschau in Besitz, 1804 war er
Geheimsekretär bei dem Minister Graf Hoym, 1809 erfolgte seine
Ernennung zum Regierungsrat und Chef des gesamten Rech-
nungswesen. Er starb am 27. März 1815. Bekannt ist sein
Name noch heute durch seine "Beiträge zur Beschreibung
Schlesien" in Bänden.

878 Nach Berner a. a. O.