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11. Daniel Gottlob Reymann879), der Sohn des
Zimmermanns Gottlieb Reymann, wurde in Lüben am 24. No-
vember 1759 geboren. Durch seinen Vater frühzeitig in Plan-
und Meßarbeiten eingeführt, bildete er sich bei der Bauinspektion
zu Liegnitz zum Geometer aus und legte, kaum dem Knabenalter
entwachsen, beim Wiederaufbau von Jauer erstaunliche Proben
seiner Tüchtigkeit ab. Im bayrischen Erbfolgekrieg trat er als
Ingenieur-Georgraph in den Heeresdienst und arbeitete unter dem
Ingenieur-Major Müller, einem der vorzüglichsten Topographen
seiner Zeit. Forthin wurde er in Potsdam mehrere Jahre mit
der Herstellung von Landkarten für den militärischen Gebrauch
beschäftigt; er zeichnete die Kriegskarte von Schlesien und eine
weitere, die sog. große Kriegskarte in 240 Blättern. Im Jahre
1788 zum Inspektor der königlichen Plankammer ernannt, rettete
er diese in den Unglücksjahren 1806/07 nach Königsberg und
kehrte erst 1815 mit seinem Schatze nach Berlin zurück. Sein
größtes Werk wurde der 1806 begonnene Geographische Spezial-
atlas von Deutschland und Nachbarländern im Maßstabe von
1:200 000. Reymann konnte ihn noch bis auf 142 Blatt fördern;
Berghaus, v. Oesfeldt und Handtke führten das Kartenwerk fort,
das 1844 die Ausdehnung von Grodno bis Paris unter Ver-
mehrung von 342 auf 462 Sektionen erhielt und 1876 in den
Besitz des Generalstabs überging. Reymanns Kartenwerk erwarb
sich Weltruf; in allen Feldzügen von 1848 bis 1870 stattete der
Generalstab die Armee mit Reymannschen Karten aus. Aber auch
für wissenschaftliche Arbeiten bieten nach dem Urteile E. von
Sydows und Ratzels die Reymannschen Karten noch immer eine
brauchbare Grundlage. Reymann starb am 20. Oktober 1837 in
Berlin.
12. Wilhelm I., König von Württemberg,
geboren in Lüben am 27. September 1781 als Sohn des nach-
maligen ersten württembergischen Königs Friedrich I., bestieg am
30. Oktober 1816 den Thron und regierte bis zum 25. Juni 1864,
wo er auf Schloß Rosenstein starb. Er schenkte 1838 der Stadt
1200 rtl., welche zur Begründung einer Armenstiftung verwandt
wurden. Am 1. März 1864 beschlossen die städtischen Körper-
schaften, den König zum Ehrenbürger der Stadt zu ernennen und
beauftragten den Bürgermeister Linke und den Stadtverordneten-
vorsteher Brendel mit der Überreichung des Diploms.
13. Dr. med. Oswald Baer, geboren am 2. April 1847
in Lüben als Sohn des Hausbesitzers und Heilgehilfen Carl
Friedrich Wilhelm Baer, besuchte bis 1860 die Lübener höhere
Bürgerschule, hierauf das Gymnasium in Liegnitz bis 1865,
studierte in Breslau Medizin, wurde Assistent bei Professor Cohn,
879 Nach einem Artikel im Lübener Stadtblatt 1909 Nr. 279 "Dem
Andenken Daniel Gottlob Reymanns" von Ernst Arnold. |
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1874 Sekundärarzt bei Prof. Förster, 1878 Assistenzarzt an der
Privatklinik des Professors Fischer, seit 1888 Spezialarzt für
Augenheilkunde und Chirurgie in Hirschberg, wo er nach Aufgabe
der ärztlichen Praxis als Geh. Sanitätsrat lebt und als Dichter
und Schriftsteller vornehmlich auf dem Gebiete der Heimatskunde
tätig ist.
3. Die beiden berühmtesten Söhne des Lübener Kreises
Kaspar von Schwenckfeld
Benjamin Schmolck
Kaspar von Schwenckfeld (vergl. Kap. IV, S. 73 ff.),
geboren im November oder Dezember 1489 zu Ossig bei Lüben,
besuchte die Schule zu Liegnitz, bezog die Universität Cöln, ging
1507 nach Frankfurt a. O., studierte die scholastische Theologie
und kanonisches Recht; 1510/11 Hofjunker bei Herzog Karl I. von
Münsterberg-Öls, dann bei Georg I. von Brieg, 1518 bei Fried-
rich II. von Liegnitz. An dessen Hofe fand er zunächst wenig
Verständnis für die neuen Ideen, denen er selbst sich bereits im
Winter 1517/18 erschlossen hatte. Nach seinem Ausscheiden aus
dem Hofdienst weilte er 1521-1529 in Ossig, mit der Bewirt-
schaftung seines Gutes und dem Studium der Bibel und refor-
matorischen Schriften beschäftigt. Von dort ließ er auch seine
ersten Sendschreiben ausgehen. Weit über Liegnitz und Lüben
hinaus reichte, sich immer verstärkend, sein Einfluß. Eine treue
Stütze seiner Bestrebungen fand Schwenckfeld in der verw.
Herzogin Anna von Brieg in Lüben, die bis an ihr Ende (1550)
seine Anhängerin blieb. Dezember 1521 bis Februar 1522 hielt
er sich in Wittenberg auf und gewann hier in Luthers Abwesen-
heit (Wartburg) mit Bugenhagen und Karlstaedt Fühlung. 1524
führte Friedrich II. in seinen Landen unter Schwenckfelds Einfluß
die Reformation ein und forderte freie Verkündigung des Evan-
geliums ohne alles menschliche Beiwerk (vergl. S. 73). 1525
hatte Schwenckfeld eine freundliche Unterredung mit Luther, wobei
er seien kritischen Bedenken gegen die Wittenberger Reformation
vorbrachte, ohne daß eine Verständigung erzielt wurde. Wiewohl
sich der schlesische Reformator zeitlebens als dankbarer Schüler
Luthers fühlte, wandte er sich nun von jenem ab, nahm gegen
die Taufwiedergeburtslehre, gegen die äußerliche Auffassung vom
wirklichen Genuß des Leibes und Blutes im hl. Mahle und gegen
den flachen Buchstabendienst eines vulgären Luthertums Stellung.
Er trat mit seiner auf Joh. 6, 51-53 gestützten geistig-inner-
lichen Auffassung des Altarsakraments hervor. Da er glaubte,
den Wittenberger Reformator von seinem ursprünglichen, bib-
lisch begründeten Ziele, der Schaffung geistesmächtiger Christen- |