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Konrad Klose, Geschichte der Stadt Lüben, Verlag Kühn Lüben, 1924, S. 80/81
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schenkte sie der Stadt das Vorwerk zu Mallmitz, das sie selbst für
900 Mark erkauft, zum Unterhalt für verarmte Mitbürger, Ein-
wohner und hausarme Leute332). Man darf aus alledem ent-
nehmen, daß die Herzogin sich in sehr gutem Einvernehmen mit
der Bürgerschaft befand, sicherlich eben darum, weil die letztere
mit der religiösen Richtung der Landesherrin harmonierte. So
breitete sich unter dem Schutz der Herzogin Anna das Schwenck-
feldertum stark innerhalb der Lübener Parochie aus, und man
geht schwerlich fehl, wenn man annimmt, daß alle Anhänger des
neuen Glaubens in der Stadt und in den eingepfarrten Dörfern
Schwenckfelder waren.
Schwenckfeld war prinziell gegen alles, was die Wirksam-
keit des Geistes Gottes irgendwie einengen konnte. Schon die
Bibel als das geschriebene Wort und noch mehr natürlich die
Bekenntnisse bedeuteten ihm eine Schranke für den Geist und die
Freiheit. Alles Statutarische, alle Gottesdienstordnungen, amt-
liche Funktionen, kurz alles, was zum Bestande der verfaßten
Kirche gehört, war ihm wertlos. Das Zeremonielle galt ihm als
das Kreatürliche, das dem Geist widerstreitet. Den Sakramenten
legte er keine sonderliche Bedeutung bei; die Geistestaufe war
ihm wichtiger als die Wassertaufe, das innere Genießen des Herrn
im Glauben wesentlicher als das Abendmahl. Indes widerriet
er seinen Anhängern nicht die Teilnahme am öffentlichen Gottes-
dienst, legte es ihnen aber nahe, dem Abendmahl fern zu bleiben.
Sie blieben aber darin nicht alle konsequent.
Die Herrschaft des Schwenckfeldertums in Lüben erlitt den
ersten Stoß durch den Tod Friedrich II. von Liegnitz im Jahre
1547. Sein Sohn und Nachfolger Friedrich III., so unberechenbar
er sonst in seinen Handlungen war, blieb in einem Punkte kon-
sequent: er schützte die Orthodoxie und bekämpfte die Ketzerei mit
einer Ausdauer, die ihm den Beinamen "Der Pfaffenfürst" ein-
trug. Die Hochburg der Schwenckfelder in Lüben war ihm daher
ein Dorn im Auge. Ohne die Hoheitsrechte der Herzogin-Witwe
zu respektieren, versuchte er 1548 des Pfarrers Hirsenberger hab-
haft zu werden, der freilich durch seinen ärgerlichen Lebenswandel
Anstoß gegeben haben mochte. Demselben gelang es aber, zu
entkommen333). An seine Stelle trat wohl noch im gleichen Jahre
Valentin Tilgner, der vermutlich von Liegnitz aus der Herzogin
aufgedrungen wurde334). Er war ein starker Eiferer wider die
Schwenckfelder335). Mit dem Rat und der durch und durch
schwenckfeldisch gesinnten Bürgerschaft lebte er in Feindschaft.

332 Urkunden der Stadt Lüben 41.
333 Ehrhardt.
334 Am 20.1.1549 ist Tilgner Pfarrer in Lüben. Urkunden der
Stadt Lüben Nr. 41.
335 Mscr. des Pastor Gottlob Kluge in Neumarkt. Staatsarchiv
Rep. 135 E. 44a.
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Solange die Herzogin lebte, scheint er sich zurückgehalten zu
haben. Da raffte ein tragisches Geschick die Fürstin hinweg. Zwei
Schüler der Trotzkendorfischen Schule, die um der Pest willen von
Goldberg nach Liegnitz verlegt worden war, waren dort in eine
nächtliche blutige Rauferei verwickelt und dafür vom Herzog zum
Tode verurteilt worden. Vergeblich bat Trotzkendorf für sie um
Gnade. Da eilte die Herzogin Anna von Lüben nach Liegnitz,
um für die beiden Jünglinge Fürbitte zu tun. Sie wurde aber
von Friedrich III. nicht vorgelassen und mußte unverrichteter
Dinge umkehren. An der Schloßbrücke scheuten die Pferde, der
Wagen schlug um und die Herzogin erlitt schwere Verletzungen.
Ein langwieriges Schmerzenslager folgte für die unglückliche
Fürstin. Schwenckfeld bewies ihr in dieser Zeit herzliche Teil-
nahme und hoffte, der Herr würde sie noch "gnediglich lenger
allhie lassen"336). Er richtete an sie einen ausführlichen Trost-
brief337), in dem er seiner Freude darüber Ausdruck gab, daß es
ihr nicht an geistlicher Gesundheit und beständiger Liebe zum
Herrn fehle und daß sie sich in Gottes Willen mit aller Geduld
ergeben habe. Sie möge auch ferner durch den Glauben an Jesu
Leiden sich in ihrem Leiden trösten und dessen gewiß bleiben, daß
Gott sie bei der Wahrheit erhalten werde. Von Christi bewahren-
der und seligmachender Gnade, seinem ewigen Testament und von
der Hoffnung der Herrlichkeit handelt der weitere Inhalt des
Briefes.
Die Herzogin hielt an dem, was sie für richtig erkannt hatte,
fest. "In ihren letzten Nöten", schreibt Schwenckfeld338), "ist sie
hart vom Luth. Predikanten angestrengt worden, Ihr Sakrament,
welches sie Christi Testament heißen, zu empfahen, ist ist aber
bestendig bei vnserm bekantnis bliben vnd gesagt, der Herr
Christus hab sie schon in Ihrer Seelen gespeiset, speiset sie auch
noch mit seinem leib und blutte, darbei sie welle bleiben etc.: mit
vil schönen worten rechtem ernst vnd bestendigem Hertzen, darbei
es auch der Predicant hat gelassen, vnd Amen darzu gesagt,
darauff meine Bücher fleißig anheben zu lesen. So last ihr die
Hertzogin eine Junckfraw auch teglich darinnen lesen." Schwenck-
felds Wunsch, die treue Freundin noch einmal wiederzusehen339),

336 An Frau Eißeler a.a.O.
337 Wolfenbüttel Cod. Aug. Ms. 36, 2 Nr. 82.
338 An Frau Eißeler a.a.O. Der lutherische Prädikant ist ver-
mutlich Valentin Tilgner.
339 An Frau Eißeler, Sudermannsche Sammlung Berlin, Brief 58
Seite 213, datiert in den Fasten 1549. Schwenckfeld schreibt: "ein
polnischer Herre will mich halten vnd vff seiner Schlösser für den fein-
den wol bewahren, dahin ich noch nicht komme. Aber bey der frommen
kranken Hertzogin, deren ich den 25. Psalm zugeschrieben, wer ich gerne,
wens möglich, eine Zeit lang. Sie ist verstendig im worte des Herren,
gottselig vnd bestendig."