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Konrad Klose, Geschichte der Stadt Lüben, Verlag Kühn Lüben, 1924, S. 84/85
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ergernis der Schwenckfeldischen schwermerey", und ein Memorial347)
aus dem Lübener Pfarrarchiv berichtet, daß um 1560 "die
Schwenckfelderey bey der Lübnischen Kirchen bey Obrigkeiten vnd
Unterthanen, Alten und Jungen mit Macht eingerißen". Da
erstand der schwenckfeldischen Strömung der Lübener Bürger-
schaft ein begabter und energischer Gegner in dem jungen
Magister Franz Rosentritt, der im Herbst 1558 an die Stadtpfarr-
kirche berufen wurde. Er kam anfänglich als Gehilfe des kaum
noch dienstfähigen Pastors Grenewitz, von dem er jedenfalls auch
seine Besoldung erhielt348). Der damalige Diakonus Johannes
Liebing starb am 7. November desselben Jahres eines plötzlichen
Todes. Somit lag die ganze Arbeitslast auf den Schultern Rosen-
tritts, der der Nachfolger Liebings wurde. Daher war es erklärlich,
daß der junge Diakonus schon im folgenden Jahre wegen Über-
arbeitung längere Zeit Urlaub nehmen mußte und daran dachte,
einen andern Wirkungskreis zu suchen349).
Durch Vermittlung des Rektors Johannes Theridius wandte
sich die Lübener Gemeinde an den Senator Hans Mornberg in
Breslau, damit er durch seinen Einfluß bei dem Herzog durch-
setze, daß ein dritter Geistlicher angestellt würde350). Rosentritt
selbst, der wohl im Herbste 1559 in sein Amt zurückgekehrt war,
richtete in der gleichen Angelegenheit am 2. Oktober 1559351) an
die Herzogin Barbara, die Gemahlin Georgs von Brieg, der seit
1558 Pfandherr von Lüben war, ein Gesuch, in dem er mit be-
weglichen Worten die Notlage der Parochie schilderte, die "mitt
den eingeleibten herumbliegenden Dorffern fast gros vnd viel,
vnd doch nach notturft mit Dienern nicht genugsam versehen"
wäre. Im Einverständnis mit dem Rat und dem Hauptmann
hätte die Gemeinde beschlossen, einen dritten Geistlichen anzu-
stellen, "damitt das arme Volck sonderlich auff den Dorffern,
davon viel dazu gehörig, desto bas versehen, in Christlicher Lehre
unterrichtet vnd zu Gottesfurcht gehalten möcht werden".
Er erinnerte daran, wie damals, als er Urlaub nehmen mußte,

347 Das oben angegebene Memorial aus dem Anfange des XVII
Jahrhunderts.
348 Nach dem zitierten Memorial war der Pfarrer gehalten, von
dem Stelleneinkommen einen Diakonus zu besolden. Vermutlich mußte
Grenewitz, der selbst nicht amtieren konnte, Rosentritt als Substituten annehmen und besolden.
349 Brief des Theridius an Mornberg vom 6.9.1559 im Korre-
spondenzblatt des Vereins für Geschichte der ev. Kirche Schlesiens VIII,
1.99 f.
350 Ebenda.
351 Rep. 28 O.A. Lüben I Akten betr. kirchliche Angelegenheiten.
Die Eingabe Rosentritts datiert vom Freitag nach Michaelis 1559.
Ueber Rosentritt vergleiche meinen Aufsatz im Korrespondenzblatt X, 2,
157 ff. "M. Franziskus Rosentritt" und Bd. XI, 2 "Schwenckfeld und
die Schwenckfelder in Lüben".
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die Kinder geweint und ihn gebeten hätten, wiederzukommen,
"sie wolden gerne fromm vnd gehorsam sein", und wie sie auch die
Bitte um einen dritten Prediger "mitt reinem Hertzlein vnd
kindlichem eiffer" unterstützten. Möge die Herzogin, deren
"trewes frommes vnd eifferndes Hertz in sachen der religion nu
fast jedermann bewust und bekandt" sei, bei ihrem Gemahl dahin
wirken, daß die Bitte der Lübener Gemeinde Gehör fände. Indes
geschah von seiten des fürstlichen Patrons nichts, um dem Not-
stand abzuhelfen. Es fehlte wohl weniger am guten Willen als
an Geld.
So mußte man sich wieder mit einer provisorischen Hilfskraft
begnügen. M. Balthasar Wegener wurde Ende 1559 als Kaplan
nach Lüben berufen. Die Kosten trug vermutlich der immer mehr
hinsiechende Pfarrer Grenewitz, der am Ostersonnabend -
13. April 1560 - starb. Bereits am Mittwoch nach Ostern
wandte sich der Hauptmann Hans von Brauchitsch auf Klein-
Krichen im Namen der ganzen Gemeinde, des Rats und der
Herren von Loß auf Kniegnitz an den Herzog mit der Bitte352),
ihnen den Magister Franz Rosentritt zum Pfarrer zu bestellen,
"weyl er eynes erbarn gottseligen lebens vnd eyn sehr herrlicher
vleyßiger Mann sey, durch welchen der lybe Gott mitt seyner
göttlichen hülff alhie vyl guttes auffrichten wyrdt". Der Wunsch
der Gemeinde wurde bald erfüllt; schon Anfang Mai 1560 schreibt
sich Rosentritt in dem von ihm seit Ende 1559 geführten Tauf-
register Pastor Lybaniensis Rosinus353). Damit begann seine
eigentiche Amtstätigkeit, der man mit großen Erwartungen ent-
gegensah, und die schließlich einen sehr unerquicklichen Abschluß
fand. Rosentritt brachte jedenfalls für sein Amt eine außerordent-
liche Arbeitskraft, einen brennenden Eifer und ein Herz voll Hin-
gabe und Opferfreudigkeit mit und besaß eine hervorragende
rednerische und seelsorgerische Begabung. Sein nochmaliger Amts-
genosse Lazarus Pauli bezeugt von ihm noch im späteren Alter354):
"Er war ein sehr frommer Mann, dessen frömmigkeit ich mich
noch heute zu Tag verwundere, denn ich zeuge es mit Gewissen
und für Gott, daß ich, der ich ein wenig in der Welt etwas ver-
suchet und erfahren, einen frömmeren Theologum nicht erkannt,
als Er hierzu erfordert ward ohn sein begehren und verhoffen.
All sein proposition war: nicht sein sondern der Zuhörer Nutz und
bestes zu schaffen".
Mit der ihm eigenen Energie brachte Rosentritt zunächst die
Angelegenheit der Anstellung eines zweiten Diakonus zum Ab-

352 O.A. Lüben V.
353 Die Taufregister mit ihren zahlreichen, das religiös-sittliche Leben
der Gemeindemitglieder betreffenden Bemerkungen bildet eine der wich-
tigsten Quellen für das innerkirchliche Leben der Lübener Gemeinde.
354 Bruchstückweise erhalten in Rep. 201 b XIX Acta betr. Bauten
und Reparaturen 1708-1763.