| - 86 - schluß. Er hatte längst erkannt, daß "mehr fleiß und Arbeith
 anzuwenden sei mit predigen bey den Alten und mit Catechismus-
 lehre bei den Jungen und Kindern, und solches zweyen Persohnen
 zu verrichten über Vermögen wäre, und auch sonst die Menge und
 Vermehrung des Volckes mehr zugenommen als in vorigen Zeiten
 geschehen war"355). Daher wandte er sich unaufhörlich an den
 Landesherrn, um die Berufung eines weiteren Geistlichen zu er-
 wirken. Aber er fand bei Hofe die kühle Abfertigung: "hätten es
 biß daher zween verrichten können, so hielte man dafür, es könnte
 auch noch geschehen"356). Da ging Rosentritt selbständig vor.
 Er brachte anscheinend noch 1560 den Beschluß des Rats, einen
 zweiten Kaplan anzustellen, zur Ausführung, vorbehaltlich der
 landesherrlichen Genehmigung. Bezüglich der Besoldung half er
 sich in der Weise, daß er selbst auf einen Teil seines Einkommens
 verzichtete. So berichtet wenigstens das bereits mehrfach genannte
 Memorial aus dem Pfarrarchiv: "M. Franc. Rosentritt hat zu
 Hoffe starck angehalten, daß ihm noch ein Collega zugeordnet und
 von den abgenommenen Kirchengüttern möchte besoldet werden.
 Weil man aber difficultiret und seinem  Christl. Suchen nicht
 deferiren wollen, hat er lieber theils seiner Besoldung wollen
 entrathen, als das das Auditorium sollte versäumet werden, und
 daher verordnen helffen, daß zweene Capläne zugleich vociret, und
 die zu Hoff auf 2 Personen geordnete Besoldung unter 3 Personen
 vertheilet worden". Balthasar Wegner wurde erster, Johann
 Crapidel zweiter Diakonus. Das Provisorium dauerte bis 1563.
 In diesem Jahr erhielt die getroffene Ordnung die landes-
 herrliche Genehmigung, jedoch mit der Einschränkung, daß ledig-
 lich der Pastor einen Teil seiner Einkünfte an den zweiten Diako-
 nus abzutreten habe, da letzterer zur Entlastung des Pfarrers
 bestellt357) sei. Jedoch lehnte der Herzog es endgiltig ab, von den
 konfiszierten Kirchengütern einen Zuschuß zur Fundierung des
 Diakonats zu leisten, sondern fand sich mit den nie eingelösten
 Versprechungen einer künftigen Aufbesserung ab. Selbst eine
 Dienstwohnung für den dritten Geistlichen mußte Rosentritt erst
 in sehr energischer Weise reklamieren. In einem Schreiben vom
 5. Juli 1566 machte er den Herzog darauf aufmerksam358), daß für
 den Diakonus Joachim Mylius, der in Wittenberg von Dr. Paul
 Eber ordiniert und nach Schlesien geschickt worden sei, noch immer
 die Wohnung fehle. Bisher habe er selbst den Diakonus in seinem
 Hause beherbergt, nunmehr wolle aber Mylius heiraten, und es
 
 355 Ebenda.
 356 Ebenda. Lazarus Pauli bemerkt zu diesem Bescheid, daß darin
 "die Politici nicht wenig gefehlet haben".
 357 Bericht des nachmaligen Dekan Christoph Profe an Herzog
 Ludwig vom 19.2.1662.
 358 Rep. 28 O.A. Lüben XIV. Am 5. Juli in Liegnitz eingegangen;
 Abgangsdatum fehlt.
 | - 87 - sei unmöglich, für zwei Haushaltungen im Pfarrhause Raum zu
 schaffen. Ein Neubau sei mit geringen Kosten auszuführen; die
 Stadt werde gewiß das Bauholz liefern. Der Verwalter der
 Pfarrgüter sei bereit, zu bauen, sobald er Befehl hierzu erhalten
 werde. Bisher sei trotz vielfältiger Vorstellungen noch nichts ge-
 schehen. Mit Recht betonte Rosentritt das Unwürdige eines
 solchen Zustandes, daß man einen akademisch gebildeten Mann
 anstelle, ohne ihm Herberge zu verschaffen. Damit bringe sich die
 Stadt und der Herzog in Verruf. Diese nachdrückliche Vorstellung
 scheint gefruchtet zu haben.
 Die Besoldungsverhältnisse der Lübener Pfarre blieben nach
 wie vor schlecht. Infolgedessen hielten die Geistlichen nicht lange
 aus. Der Magister Stephan Bockshammer, Rosentritts Nach-
 folger, der in Erwartung einer Aufbesserung des Stelleneinkom-
 mens den Ruf nach Lüben angenommen hatte, kehrte bereits nach
 3 Jahren nach Lobendau zurück, da sich seine Hoffnungen nicht
 erfüllten359). Anfänglich rechnete man wenigstens auf die Rück-
 gabe der Widemut, sobald die Schulden der fürstlichen Zivilliste
 geregelt sein würden. Aber auch diese Hoffnung blieb ein Traum.
 Am 25. April 1597 verkaufte Joachim Friedrich die Widemut-
 ländereien für 1900 rtl. an die Stadt, von der sie in 144 Löser
 zerteilt und an die brauberechtigten Häuser, das Los zu 14 rtl.,
 weiterverkauft wurden. Resigniert bemerkt der Berichterstatter:
 "Die damaligen Diener der Kirche sind gänzlich übergangen und
 von jenen Einkünften ausgeschlossen worden; einzig die Schule
 erhielt eine Aufbesserung von 30 Talern". Die Vota, welche der
 Chronist dem Bürgermeister Johann Gering, dem Prokonsul
 Jakob Habermann und "ihren Helffers Helfferen" bei dem ganzen
 Handel mitgab: "Gott gebe ihnen einen Lohn drum, haben Sie
 wol gearbeitet" und "Haben Sie wol gethan, so gebe Ihn Gott
 einen gutten Lohn" waren schwerlich als fromme Wünsche ge-
 meint. Man protestierte  und supplizierte bei dem Rat der Stadt,
 dem Liegnitzer Hauptmann Wenzel von Zedlitz, bei der gesamten
 fürstlichen Regierung: Alles umsonst, es gab Vertröstungen, aber
 kein Geld. Das Widemutgut selbst, die erste Lübener Pfarre,
 wurde am 19. Juli 1597 von der Stadt erworben360).
 Schon vorher hatten die Lübener Geistlichen eine schmerzliche
 Enttäuschung erlebt. In dem Hauptmann des Lübener Weich-
 bilds und Inhaber des Lübener Pfandschillings Christoph von
 Zedlitz auf Samitz bei Haynau hatten sie einen Gönner und
 Wohltäter gefunden, der ein warmes Herz für Kirche und Schule
 
 359 Das folgende nach dem bereits zitierten Memorial im Pfarr-
 archiv und den Aufzeichnungen des Lazarus Pauli Rep. 201 b XIX
 Akta betr. Bauten und Reparaturen 1708-1763. Das Memorial ist ein
 Auszug aus den Paulischen Aufzeichnungen.
 360 Rep. 28 III 15. g. 244 b und Urkunde der Stadt Lüben Nr. 44
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