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Konrad Klose, Geschichte der Stadt Lüben, Verlag Kühn Lüben, 1924, S. 86/87
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schluß. Er hatte längst erkannt, daß "mehr fleiß und Arbeith
anzuwenden sei mit predigen bey den Alten und mit Catechismus-
lehre bei den Jungen und Kindern, und solches zweyen Persohnen
zu verrichten über Vermögen wäre, und auch sonst die Menge und
Vermehrung des Volckes mehr zugenommen als in vorigen Zeiten
geschehen war"355). Daher wandte er sich unaufhörlich an den
Landesherrn, um die Berufung eines weiteren Geistlichen zu er-
wirken. Aber er fand bei Hofe die kühle Abfertigung: "hätten es
biß daher zween verrichten können, so hielte man dafür, es könnte
auch noch geschehen"356). Da ging Rosentritt selbständig vor.
Er brachte anscheinend noch 1560 den Beschluß des Rats, einen
zweiten Kaplan anzustellen, zur Ausführung, vorbehaltlich der
landesherrlichen Genehmigung. Bezüglich der Besoldung half er
sich in der Weise, daß er selbst auf einen Teil seines Einkommens
verzichtete. So berichtet wenigstens das bereits mehrfach genannte
Memorial aus dem Pfarrarchiv: "M. Franc. Rosentritt hat zu
Hoffe starck angehalten, daß ihm noch ein Collega zugeordnet und
von den abgenommenen Kirchengüttern möchte besoldet werden.
Weil man aber difficultiret und seinem Christl. Suchen nicht
deferiren wollen, hat er lieber theils seiner Besoldung wollen
entrathen, als das das Auditorium sollte versäumet werden, und
daher verordnen helffen, daß zweene Capläne zugleich vociret, und
die zu Hoff auf 2 Personen geordnete Besoldung unter 3 Personen
vertheilet worden". Balthasar Wegner wurde erster, Johann
Crapidel zweiter Diakonus. Das Provisorium dauerte bis 1563.
In diesem Jahr erhielt die getroffene Ordnung die landes-
herrliche Genehmigung, jedoch mit der Einschränkung, daß ledig-
lich der Pastor einen Teil seiner Einkünfte an den zweiten Diako-
nus abzutreten habe, da letzterer zur Entlastung des Pfarrers
bestellt357) sei. Jedoch lehnte der Herzog es endgiltig ab, von den
konfiszierten Kirchengütern einen Zuschuß zur Fundierung des
Diakonats zu leisten, sondern fand sich mit den nie eingelösten
Versprechungen einer künftigen Aufbesserung ab. Selbst eine
Dienstwohnung für den dritten Geistlichen mußte Rosentritt erst
in sehr energischer Weise reklamieren. In einem Schreiben vom
5. Juli 1566 machte er den Herzog darauf aufmerksam358), daß für
den Diakonus Joachim Mylius, der in Wittenberg von Dr. Paul
Eber ordiniert und nach Schlesien geschickt worden sei, noch immer
die Wohnung fehle. Bisher habe er selbst den Diakonus in seinem
Hause beherbergt, nunmehr wolle aber Mylius heiraten, und es

355 Ebenda.
356 Ebenda. Lazarus Pauli bemerkt zu diesem Bescheid, daß darin
"die Politici nicht wenig gefehlet haben".
357 Bericht des nachmaligen Dekan Christoph Profe an Herzog
Ludwig vom 19.2.1662.
358 Rep. 28 O.A. Lüben XIV. Am 5. Juli in Liegnitz eingegangen;
Abgangsdatum fehlt.
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sei unmöglich, für zwei Haushaltungen im Pfarrhause Raum zu
schaffen. Ein Neubau sei mit geringen Kosten auszuführen; die
Stadt werde gewiß das Bauholz liefern. Der Verwalter der
Pfarrgüter sei bereit, zu bauen, sobald er Befehl hierzu erhalten
werde. Bisher sei trotz vielfältiger Vorstellungen noch nichts ge-
schehen. Mit Recht betonte Rosentritt das Unwürdige eines
solchen Zustandes, daß man einen akademisch gebildeten Mann
anstelle, ohne ihm Herberge zu verschaffen. Damit bringe sich die
Stadt und der Herzog in Verruf. Diese nachdrückliche Vorstellung
scheint gefruchtet zu haben.
Die Besoldungsverhältnisse der Lübener Pfarre blieben nach
wie vor schlecht. Infolgedessen hielten die Geistlichen nicht lange
aus. Der Magister Stephan Bockshammer, Rosentritts Nach-
folger, der in Erwartung einer Aufbesserung des Stelleneinkom-
mens den Ruf nach Lüben angenommen hatte, kehrte bereits nach
3 Jahren nach Lobendau zurück, da sich seine Hoffnungen nicht
erfüllten359). Anfänglich rechnete man wenigstens auf die Rück-
gabe der Widemut, sobald die Schulden der fürstlichen Zivilliste
geregelt sein würden. Aber auch diese Hoffnung blieb ein Traum.
Am 25. April 1597 verkaufte Joachim Friedrich die Widemut-
ländereien für 1900 rtl. an die Stadt, von der sie in 144 Löser
zerteilt und an die brauberechtigten Häuser, das Los zu 14 rtl.,
weiterverkauft wurden. Resigniert bemerkt der Berichterstatter:
"Die damaligen Diener der Kirche sind gänzlich übergangen und
von jenen Einkünften ausgeschlossen worden; einzig die Schule
erhielt eine Aufbesserung von 30 Talern". Die Vota, welche der
Chronist dem Bürgermeister Johann Gering, dem Prokonsul
Jakob Habermann und "ihren Helffers Helfferen" bei dem ganzen
Handel mitgab: "Gott gebe ihnen einen Lohn drum, haben Sie
wol gearbeitet" und "Haben Sie wol gethan, so gebe Ihn Gott
einen gutten Lohn" waren schwerlich als fromme Wünsche ge-
meint. Man protestierte und supplizierte bei dem Rat der Stadt,
dem Liegnitzer Hauptmann Wenzel von Zedlitz, bei der gesamten
fürstlichen Regierung: Alles umsonst, es gab Vertröstungen, aber
kein Geld. Das Widemutgut selbst, die erste Lübener Pfarre,
wurde am 19. Juli 1597 von der Stadt erworben360).
Schon vorher hatten die Lübener Geistlichen eine schmerzliche
Enttäuschung erlebt. In dem Hauptmann des Lübener Weich-
bilds und Inhaber des Lübener Pfandschillings Christoph von
Zedlitz auf Samitz bei Haynau hatten sie einen Gönner und
Wohltäter gefunden, der ein warmes Herz für Kirche und Schule

359 Das folgende nach dem bereits zitierten Memorial im Pfarr-
archiv und den Aufzeichnungen des Lazarus Pauli Rep. 201 b XIX
Akta betr. Bauten und Reparaturen 1708-1763. Das Memorial ist ein
Auszug aus den Paulischen Aufzeichnungen.
360 Rep. 28 III 15. g. 244 b und Urkunde der Stadt Lüben Nr. 44