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Konrad Klose, Geschichte der Stadt Lüben, Verlag Kühn Lüben, 1924, S. 88/89
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hatte; Zedlitz war selbst ein gebildeter Mann. Er hatte die Schule
Trotzendorfs in Goldberg besucht361) und auf der Wittenberger
Hochschule geweilt. Dort war er oft Gast im Hause des älteren
Lucas Kranach gewesen, und von dort hatte er ein berühmtes
Originalgemälde des Künstlers nach Schlesien mitgebracht, das
hernach der Superintendent Grunaeus erhielt, der es an Jakob
Monarius schenkte362). Zedlitz liebte, wie Pauli bezeugt, den
Umgang mit gebildeten und gelehrten Männern und bewies den
Lübener Pastoren "tägliche Freundschaft und Wohlthaten". Er
erkannte, daß die drei Geistlichen unmöglich bei so geringer Be-
soldung existieren konnten und eröffnete ihnen daher 1580, daß er
"in ansehung der schweren laborum 100 Mark Pölichen und ein
Malter Korn über vorige Besoldung järlich den 3 Bedienten bey
der Kirchen geben wollte". Diese Zuwendung sollte nach seinem
Willen dauernd bleiben. Aber aus unbekannten Gründen ver-
zögerte sich die landesherrliche Bestätigung des Legats. Als
Christoph von Zedlitz im Jahre 1589 starb, weigerten sich seine
Erben, "das angefangene beneficum zu continuiren", obwohl
der Herzog selbst sie ermunterte. Sie erklärten, daß seiner-
zeit der Herzog trotz ihrer wiederholten Bitten die Konfirmation
des Benefizes verabsäumt hätte, und daß Zedlitz sein Legat als
rein persönlichen Gunstbeweis an ihm besonders nahestehende
Personen habe angesehen wissen wollen. So waren die Lübener
Pastoren wieder um eine Hoffnung ärmer geworden. Einen
geringen Ersatz bot die Einführung des Beichtpfennigs für die
Diakonen, die 1617 erfolgte363).
Ebenso unerfreulich wie die äußere Lage der Lübener Kirche
und ihrer Diener in der zweiten Hälfte des XVI. Jahrhunderts
gestalteten sich seit dem Amtsantritt Rosentritts die innerkirch-
lichen Verhältnisse der Parochie. Der junge Pfarrer stand von
vornherein einer starken schwenckfeldischen Strömung gegenüber.
Eine systematische Durcharbeitung des Taufregisters ergab etwa
180 Familien, die mit einiger Sicherheit als schwenckfeldisch ge-
richtet angesehen werden können. Berücksichtigt man, daß im
Taufbuch die älteren Gemeindemitglieder fehlen, unter denen
Schwenckfeld einen sehr bedeutenden Anhang gehabt hatte, so
dürfte sich die angegebene Zahl nicht unwesentlich erhöhen. Man
wird vielleicht die offene oder geheime Anhängerschaft Schwenck-
felds in der Lübener Parochie auf 5- bis 600 Köpfe beziffern dür-

361 Sturm, Geschichte von Goldberg.
362 Notiz bei Sinapius "Schles. Adel".
363 Das zitierte Memorial setzt die Einführung des Beichpfennigs
in das Jahr 1607. Johann Pauli und Andreas Celichius sollen die
Urheber dieser Maßnahme gewesen sein. Ersterer trat 1608, letzterer
1612 sein Amt an; daher dürfte die Einrichtung erst beim Wechsel im
Pfarramt 1617 eingetreten sein.
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fen. Das bedeutete für ein Kirchspiel von 4500 bis 5000 Seelen364)
eine sehr ansehnliche Minorität, zumal dieselbe geradein den
ratsverwandten und angesehenen Familien und in den Zünften,
besonders dem Tuchmachermittel, einen starken Rückhalt hatte.
Dazu kam, daß in der näheren Umgebung der Stadt ganze
Dörfer, z. B. Ossig, völlig schwenckfeldisch waren und schwenck-
feldische Prediger hatten, deren Gottesdienste von der Stadt aus
viel besucht wurden365). Allerdings war die schwenckfeldische
Richtung nicht bei allen Anhängern in gleicher Stärke ausgeprägt.
Die religiöse Wärme und die sittliche Lauterkeit des Wandels, wie
sie bei Schwenckfeld selbst und in seinem ältesten Anhängerkreise
vorhanden gewesen war, fehlte der zweiten Generation; Trunk-
sucht und üppige Lebensführung fand sich auch in ihrer Mitte.
Aber die ablehnende Stellung gegenüber der Kirche und den
kirchlichen Einrichtungen war ihr geblieben, namentlich das
Abendmahl wurde gemieden. Rosentritt entwirft von diesen
Kreisen folgendes anschauliche Bild: "Nachdem für Jarenn Caspar
Schwenckfeld seine Irrige Lehre vnter das Volk gebracht, hatt er
je vnnd allewege allhie zu Lyben vnnd herumb einen ziemlichen
anhang gehabt, darüber beide, meine vorfahren, die Prediger
alhie, nicht wenig geklaget, vnd ich noch heutt klagen, vnnd viel
mühe Arbeitt vnd vngvnst davon haben muß. Nu habe ich, wie
billich, allen moglichen Vleiß angewendet, wie ich die, so noch mit
solchem Irrthumb behafft, auff die rechte ban brengen mochte,
vnndt fast ein gantzes jar langg, in allen meinen Predigten ge-
flehet, gebeten und trewlich ermanet, sie wolden von ihrem
Irrthum abstehen, habe mich auch gegen ihnen freundlich erbotten,
sie sollen zu mir anheim komen, ich wolde mit ihnen in aller
sanfftmutt (wie ich dann auch mitt etlichen gethan habe) handelen
vnd sie vnterrichten. Auch habe ich daneben angezeiget, so sie
halsstarrig im Irrthum verharren, vnd sich itzt bei gesunden
tagen nicht bekeren vnd zum h. Sakrament wie andere Christen
gehen werden, so sage ich klarr, das ich ihnen in ihrer krankheit
weder mitt dem Abendmal (welches sie itzt im Leben so schendlich
verachten) noch mitt christlicher Besuchung dienen kann vnd will.
Darumb sollen sie sich doch vmb Gottes willen, itzt weil sie noch
gesund sein, dazu schicken vnd vorfugen, damitt, ich vnd die gantze
Gemeine, merken vnd sehen kan, das sie sich mit ernst bekeren.
Denn es ist dieser Seckten artt, wie denn alle wissen, die mit ihn
zu thun gehabt haben, das sie im grunde von der Predigt des

364 Ueber die Berechnung der Seelenzahl der Parochie cf. meinen
Aufsatz in Heft IV der Mitteilungen des Geschichts- und Altertums-
Vereins zu Liegnitz "Beiträge zur Geschichte der Besiedlung des Kreises
Lüben" Seite 152.
365 "Des Pfarrhers von Lüben beschwer der schwenckfeldischen lehre
und begrebnis halber" vom 26.11.1562 (Donnerstag nach Katharina;
unter diesem Datum in der fürstl. Kanzlei eingegangen). Rep. 28 X 5 g.