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Konrad Klose, Geschichte der Stadt Lüben, Verlag Kühn Lüben, 1924, S. 154/155
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unbemakelt blieben". In Lüben widerrief der Tuchmacher Georg
Teichmann in seinem 80. Lebensjahre "offentlich das Luther-
thumb" und erhielt dafür später ein besonders feierliches Begräb-
nis. Aber der bitteren Erfahrungen waren für den katholischen
Parochus mehr. Mußte er doch am Ende des ersten Jahres seiner
Wirksamkeit bemerken: "Schlißet also diß 1701 Jahr nebst 1000
taediositatibus (Abscheulichkeiten); perversitas parochianorum
magna". (Die Verkehrtheit der Pfarrkinder ist groß.).
Großen Verdruß bereitete ihm sein eigener Glaubensgenosse
Georg Thomas Franz Grein, der 1701 Bürgermeister geworden
war. Grein war schon, ehe er nach Lüben kam, tief verschuldet
und wurde von seinen Gläubigern unaufhörlich bedrängt. Er
suchte sich durch neue Anleihen und die Übernahme einer Wein-
handlung über Wasser zu halten. Die kaiserliche Regierung stützte
ihn als einen "Neoconversus" (Neubekehrten) nach Kräften und
lieh ihm sogar aus Stiftungsgeldern ein Kapital von 300 rtl.,
ohne damit den zunehmenden Vermögensverfall aufhalten zu
können. Avian stand mit Grein - vielleicht infolge dieser Ver-
hältnisse - auf gespanntem Fuße; er bezeichnete ihn als "den mehr
luthrischen als catholischen" oder "den sogenannten catho-
lischen" Bürgermeister. Erbitterte Gegner fand Grein vollends
innerhalb der evangelischen Bürgerschaft. Hier waren es besonders
der Schöppenmeister Johann Jobst Eggers und der Kaufmann
Zacchäus Kretschmer, die im Verein mit andern Männern dem
Bürgermeister entgegentraten. Man warf ihm vor, daß er bei
der Wegnahme der Altstädter Kirche die städtischen Interessen
nicht genügend wahrgenommen und wichtige Beweisstücke unter-
schlagen habe. Eggers unterzog in einer von ihm einberufenen
Versammlung der Bürgerschaft das Verhalten Greins einer schar-
fen Kritik, während dieser ihm vorwarf, vertrauliche Schreiben
des Magistrats ohne Erlaubnis veröffentlicht zu haben. Der Kon-
flikt verschärfte sich so, daß Grein gegen Eggers und Kretschmer
einen Haftbefehl erließ. Eggers bezichtigte öffentlich den Bürger-
meister der Unterschlagung städtischer Gelder und erhob Anklage
bei dem Landeshauptmann Graf Schaffgotsch. Dieser griff ein,
allerdings in anderer Weise, als man hätte erwarten müssen.
Avian berichtet darüber:
"Schließet also dieses 1703. Jahr, ubi consul Grein a Capitaneo
Lignicensi pressus et in scabinatu reformatio facta, iudex depositus,
Scabinus catholicus impositus. Deus convertat perversum consulem."
("Schließet also dieses 1703. Jahr, wo der Bürgermeister
Grein vom Liegnitzer Landeshauptmann gefaßt wurde und sich
in der Ruppigkeit eine Erneuerung vollzog; der Richter ward abge-
setzt, der katholische Ruppsack eingesetzt. Gott möge den verkehrten
Bürgermeister bekehren.")
Da nähere Nachrichten über diese Vorgänge fehlen, bleibt
manches ungeklärt. Anscheinend kam Grein mit einer ernsten
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Verwarnung davon, obwohl sich ein Fehlbetrag von mehr als
900 rtl. in der Kämmereikasse herausgestellt hatte. Im übrigen
bestritt er seine Schuld, behauptete, lediglich ein Opfer der Rach-
sucht seiner Feinde zu sein und versprach, die fehlende Summe
zu ersetzen. Er erreichte damit, daß er im Amte belassen wurde.
Statt seiner entfernte man die unbequemen Männer aus der
Schöppenbank, besonders den Stadtvogt Daniel Breythor536), um
Platz für gefügigere Personen zu schaffen.
Grein vermochte seine Versprechungen nicht zu halten, obwohl
ihm immer neue Zahlungsfristen bewilligt wurden. Er setzte
sogar seine Veruntreuungen ruhig fort; er entnahm z. B. der
Stadtheide Holz zum Neubau seines Hauses und verabfolgte auch
seinen Gläubigern Holz zur Bezahlung seiner Schulden. Begreif-
licherweise wuchs die Erregung in der Bürgerschaft, sodaß der
Landeshauptmann zum Frieden mahnen mußte, "da die Verbitte-
rung zwischen dem Magistrate und der Bürgerschaft zu Sr. Maje-
stät Umdienst und der Gemeinde Schaden sich täglich vermehre
und zuletzt auch wohl gar gefährlich werden dürfte". Wohl oder
übel mußte indes Graf Schaffgotsch erneut gegen Grein vorgehen.
Er ließ ihn anscheinend im Jahre 1706 in Arrest setzen und ver-
fügte eine genaue Untersuchung seiner Verfehlungen. Die Stadt
war um 2061 rtl. 25 sgr. 11 pf. geschädigt; die Privatschulden
Greins mögen noch höher gewesen sein. Auch das Adalbertstift in
Breslau und das Jesuitenkolleg in Liegnitz gehörten zu den Gläu-
bigern, die das Nachsehen hatten. Mit derjenigen Unverfrorenheit,
welche die habsburgische Verwaltung in der Behandlung konfessio-
neller Fragen von jeher ausgezeichnet hat, wurde der Lübener
Bürgerschaft durch Tilgung der durch Grein verursachten Verluste
an städtischem Vermögen auferlegt. Man begreift die Klage des
Magistrats, "daß Grein die Stadt schändlich betrogen, in unver-
windliche Schäden und Unkosten gestürzet, worüber unsere Kinder
und Kindeskinder die Nachwehen fühlen werden". Um die Stadt
einigermaßen schadlos zu erhalten, wurde das Greinsche Besitztum
einschließlich des Mobilars, der Wäsche, der Bücher usw. mit
Beschlag belegt und später meistbietend verkauft. Daraus erwuchs
der Stadt ein endloser Prozeß mit Grein, der inzwischen Inspektor
bei einem Grafen Praschma und später - dank seiner hohen
Protektion - Bürgermeister in dem bischöflichen Städtchen Canth
geworden war. Noch 1726 prozessierte die Stadt mit den Grein-
schen Erben; über den Ausgang der Angelegenheit fehlen die
Nachrichten.
Parallel mit dem Konflikt in der Kommunalverwaltung ging
ein andrer auf dem Gebiet der Schule. Von altersher wirkten an
der Lübener Bürgerschule 4 Lehrkräfte, Rektor, Konrektor, Kantor
und Auditor. Als nun 1701 auch die Schule katholisiert wurde,

536 Trauregister 1704 Nr. 39. "Dieser ist als ein untüchtiger Stadt-
vogt propter Lutheranismum seines Dienstes entsetzt worden."