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Konrad Klose, Geschichte der Stadt Lüben, Verlag Kühn Lüben, 1924, S. 152/153
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Hufschmied Spinner, der sich nachmals eine schwere sittliche Ver-
fehlung zuschulden kommen ließ. Jedenfalls fanden Uebertritte
nur vereinzelt statt; die Gemeinde als Ganzes stand treu zum
evangelischen Bekenntnis.
Infolge des Zuzugs katholischer Beamter entstand nach und
nach eine kleine katholische Gemeinde, für deren kirchliche Be-
dürfnisse gesorgt werden mußte. Nach einem späteren Berichte
sollen gottesdienstliche Zusammenkünfte in dem Hause eines
katholischen Rathmanns stattgefunden haben, da die Schloßkapelle
nicht benutzt werden konnte. Später hielt man sich nach Ober-
Gläsersdorf, wo die Amtshandlungen verrichtet wurden. Der
Rentschreiber Haucke klagte bitter über die schlechte kirchliche Ver-
sorgung der Lübener Katholiken. Andrerseits beschwerte sich Pastor
Koch, der Rentschreiber habe in einer katholischen Mischehe den
Eltern befohlen, ihr Kind in Gläsersdorf taufen zu lassen, er
habe auch rein evangelische Eltern dazu angehalten und in einem
Falle dieselben mit der "Amtskalesche" nach Gläsersdorf fahren
lassen. Koch fühlte sich dadurch in seinem Einkommen geschädigt
und sah darin die freie Religionsausübung gefährdet. Er wurde
selbstverständlich in seinem Rechte nicht geschützt, vielmehr wurden
ihm die bisher stillschweigend vom Rentamte gezahlten Gehalts-
bezüge gesperrt.
Um die Jahrhundertwende glaubte die kaiserliche Regierung
das Feld genügend vorbereitet zu haben, um den Hauptschlag
führen zu können. Anscheinend ganz überraschend erschien am
24. Januar 1701 eine Regierungskommission, zu der der Ober-
amtsrat Baron von Mennich aus Breslau, der Regierungsrat
Lanckisch aus Liegnitz, der bischöfliche Kommissar Gottfried Schön-
born und der Archidiakonus Heisig aus Liegnitz gehörten. Sie
entsetzten den Pastor Koch und sämtliche Lehrer ihres Amtes
und nahmen die Pfarrkirche nebst den beiden Begräbniskirchen
und der Kirche in Altstadt für den katholischen Gottesdienst in
Besitz. Pastor Koch ging mit seiner Familie ins Exil; er fand
dreiviertel Jahr später in Reichenbach O.-L., wohin ihn ein Herr
von Gersdorff berief, ein neues Amt. An seine Stelle trat der
Pater Johann Balthasar Alexius Avian, dem ein Kaplan bei-
gegeben wurde. Mit einem Gefühl des Triumphes verzeichnete
Avian - übrigens ein friedfertiger Mann - das Faktum der
Übergabe der Kirchen in den kirchlichen Registern. Ins Toten-
buch schrieb er:
"Tandem Divina favente gratia 25. Januarii anni 1701 primum
funus a Catholico Romano parocho Joanne Balthasaro Alexio Avian
comitatum, dum ab anno 15.. mortuo catholico Vicario haeretici
ministerium suum exercuerunt."
("Endlich mit Gottes gnädiger Förderung wurde am 25. Ja-
nuar 1701 das erste Leichenbegängnis von dem römisch-katho-
lischen Pfarrer Joh. Balthasar Alexius Avian gehalten, während
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vom Jahre 15.. ab, nach dem Tode des katholischen Pfarrver-
walters die Ketzer ihren Dienst ausgerichtet hatten.")
Ins Trauregister von Altstadt schrieb er: "Nachdem daß
finstre Luthertum ein lange Zeit deß Unglaubens Nebel erweckt
hatte, ist endlich durch des Allmächtigen undt Grundtgüttigen
Gottes gütte, daß wahre licht deß allein Seligmachenden catho-
lischen Glaubens in der altstadt oder altlüben genannt, aufge-
gangen den 24. Januarii 1701". Im Altstädter Totenbuch steht
von Avians Hand vermerkt: "Die luthrische fide (= Glaube) hat
nun ein Ende".
Soweit war es allerdings noch nicht. Zunächst war anschei-
nend die Lübener Bürgerschaft von dem unerwarteten Schlage
niedergeworfen, aber sie nahm ihn nicht ohne Protest hin. Bald
nach der Kirchenreduktion ging eine Supplik der Bürgerschaft
und Gemeinde "wegen bekümmerter Kirchenangelegenheit" nach
Wien. Einleitend wurde auf die Amtsentsetzung des 1677
ordnungsmäßig berufenen M. Koch und die Einziehung der Kir-
chen hingewiesen; "darüber herrsche höchstschmerzlichste Empfind-
nus und Bekümmernus in den Hertzen", zumal die Reduktions-
kommission "aller demüttigen Bitte und beweglichsten Vorstellung
ungeachtet kein Unterschied bei den Kirchen zugelassen", und die
Kaiserliche Instruktion, die nichts von der Abstellung der Schulen
und der Glaubensübung augsburgischen Bekenntnisses enthalte,
dahin ausgedehnt worden sei, "das man alle Schulen wie auch
das Tauffen, Trauen und dgl. Religions-Anexa in benachbarten
Orten zu exerciren scharff verbothen". Die Petenten erklärten,
das Patronatsrecht bezüglich der Stadtkirche nicht antasten zu
wollen, beriefen sich aber auf das kaiserliche Edikt d. d. Neustadt
3.7.1681, nach welchem das Recht der Privatpatrone nicht einge-
schränkt werden sollte. Man erbat daher die Rückgabe der Kirche
in Altstadt, die Gewährung einer Schule "vor die anwachsenden
Jungens" und freie Glaubensübung, bezw. die Erlaubnis, die
Amtshandlungen gegen Entrichtung der Gebühren an das Lübe-
ner Pfarramt in benachbarten Orten vornehmen zu lassen. Die
Bittschrift schloß mit dem Ausdruck der Erwartung, "das die bey
bißherigen theuren Jahren und Zeiten biß aufs Blut verarmte
und an Muthe und Nahrung nunmehr völlig niedergeschlagene
getreueste Bürgerschaft sich bald wieder aufrichten, Muth fassen
und das Allerhöchste Kayserliche Interesse allergetrewest zu be-
obachten innigst bemüht sein werde". Einer Antwort wurden die
Bittsteller vermutlich nicht gewürdigt.
Notgedrungen mußte man sich in das Unvermeidliche fügen.
Avian konnte unangefochten seines Amtes warten, ja er machte
gelegentlich sogar erfreuliche Erfahrungen. Entdeckte er doch in
Muckendorf einen heimlichen Glaubensgenossen, Michael Corne-
lius, der fast 104 Jahre alt starb, nachdem er "mitten unter der
Ketzerei von dem Ketzerischen Lutherthumb durch Gottes Hülfe