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VIII. Kapitel
Nachträge zur österreichischen Periode
Gegenüber den kirchlichen Kämpfen unter der Herrschaft des
österreichischen Erzhauses pflegen für die schlesische Lokalgeschichte
die sonstigen Begebenheiten während dieser Periode zurückzutreten,
zumal Schlesien von den Türkenkriegen und dem spanischen Erb-
folgekriege nicht in Mitleidenschaft gezogen wurde und Jahrzehnte
hindurch beschaulicher Ruhe genoß.
Nur selten wurde Lüben von einem Wellenschlage der großen
Kämpfe jener Zeit berührt. Am 6. und 7. Mai 1686 lagerten bei
der Stadt die kurbrandenburgischen Hilfsvölker, die der Große
Kurfürst dem Kaiser für den Feldzug gegen die Türken stellte.
Als sie im Dezember nach der ruhmreichen Eroberung Ofens
zurückkehrten, machten sie wieder in der Nähe von Lüben Halt542).
Die Freudenschüsse, mit denen man am 30. September in der
Stadt den Fall der ungarischen Hauptstadt feierte, kosteten dem
Schneider Hänisch das Leben543). Auch dänische Truppen nahmen
einmal in Lüben Quartier544); der Schweden wurde schon im
vorigen Kapitel gedacht. Sonst trübte nichts den tiefen Frieden,
dessen sich die Stadt zu erfreuen hatte, und in dem sie sich von den
schweren Wunden des Dreißigjährigen Krieges erholte.
Je weniger die Bürgerschaft selbst von den Händeln dieser
Welt berührt wurde, desto erquicklicher war es, wenn die ehrsamen
Bürger allwöchentlich das Neueste vom wechselnden Kriegstheater
erfahren konnten. Dafür sorgte die Post, durch welche die Stadt
542 Geschichte des Kgl. Preuß. Leibkürassier-Regiments Nr. 1 von
H. T. Freiherr von Zedlitz.
543 Totenbuch. H. starb, nachdem er "durch einen unglücklichen
Schuß mit hartem Papier verletzt worden war".
544 Totenbuch: 4. Januar 1693 starb in Lüben "Hans Nahr aus
Denemark, ein Soldat unter dem Königlich Kähnischen Woynisch. Regi-
ment zu Roß und des Kgl. Obristen Leutnants Goedens Compagnie,
welcher am 15. Juni 1692 beim damaligen dähnischen Marsch krank all-
hier hinterlassen worden". |
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mit der Außenwelt in regelmäßige Verbindung trat545). Sie hatte
diesen Vorzug indes weniger der kaiserlichen Regierung als dem
Großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm von Brandenburg zu ver-
danken, der seit 1658 mit großer Zähigkeit die Herstellung des
direkten Postverkehrs zwischen Berlin und Breslau mit Anschluß
nach Wien betrieb. Nur sehr allmählich gelang es dem branden-
burgischen Gesandten in Wien, die Hindernisse, welche dem Plane
seines Landesherrn im Wege standen, zu beseitigen. Am 15. Sep-
tember 1662 wurde die erste reitende Post von Breslau nach
Berlin abgelassen. Die Gesamtstrecke wurde in 50 Stunden zurück-
gelegt. Im Jahre 1690 wurde die Fahrzeit auf 40 Stunden ver-
ringert. Auf schlesischem Boden berührte die Postroute die Städte
Neumarkt, Parchwitz, Lüben, Polkwitz, Neustädtel und Grünberg.
Letzteres war Grenzstation und Mittelpunkt der ganzen Strecke.
Wöchentlich verkehrten je zwei reitende Boten nach beiden Rich-
tungen. Sie wurden von Breslau Sonntag und Donnerstag früh
um 8 Uhr abgelassen und waren am Nachmittage in Lüben; die
Berliner Post kam am Mittwoch und Sonntag früh in Lüben an.
Im Jahre 1686 wurde die reitende Post in eine einspännige
Karriolpost umgewandelt; 1692/93, als die Amsterdamer und
Hamburger Post auf die Berlin-Breslauer Strecke übergeleitet
wurde, erhielt der Postwagen zwei Pferde, gleichzeitig wurde der
Postangang durch Verkürzung der Expeditionsfristen beschleunigt.
Im Jahre 1695 wurden die Postkutschen auf der schlesischen Strecke
mit einem Verdeck von grüner gewichster Leinwand versehen, sie
erhielten Raum für drei Personen außer dem Postillon und gleich-
zeitig Bespannung mit drei Pferden. Die Portosätze wurden erst
1722 nach einem festen Tarif geregelt. Der einfache Brief kostete
3 kr. Der Platz in dem Postwagen wurde mit 24 kr. 3 hl. pro
Person und Meile berechnet, bei Extrapost mit 1 fl. 30 kr.
Der erste Postverwalter in Lüben war der Ratmann Gott-
fried Liebig. Er war seiner Aufgabe wenig gewachsen; die Be-
schwerden über seine Amtsführung wollten kein Ende nehmen.
So war beispielsweise im Jahre 1671 ein auf 5-600 fl. geschätztes
Paket Perlen, das von Amsterdam nach Breslau gehen sollte, in
Lüben abhanden gekommen. Der Lübener Postknecht, der das Paket
in Polkwitz in Empfang genommen, hatte es unterschlagen, die Perlen
zum Teil verkauft und war, als die Entdeckung des Diebstahls
drohte, flüchtig geworden. Der Amsterdamer Händler forderte
von Liebig Schadenersatz und strengte Klage gegen ihn an. Liebig
weigerte sich zu zahlen, und behauptete, die Sendung sei nicht
deklariert gewesen, weil man Zolldefraudation beabsichtigt hätte.
Erst als die schlesischen Kammern, welche sich von der brandenburgi-
545 cf. zum Folgenden den Aufsatz "Aus den Anfangszeiten des
Lübener Postbetriebs" im IV. Heft der Mitteilungen des Geschichts- und
Altertumsvereins zu Liegnitz. Dort finden sich die Quellenangaben, auf
deren Wiedergabe hier verzichtet wird. |