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schen Postverwaltung Vorwürfe über nachlässigen Betrieb ein-
stecken mußte, Liebig zur Zahlung drängte, scheint er sich dazu
bequemt zu haben. Der kurbrandenburgische Kammerrat und
Postinspektor Michael Matthias war auf Liebig besonders schlecht
zu sprechen. Letzterer hielt willkürlich Pakete an, beschimpfte die
kurbrandenburgische Post, brachte ehrliche Leute um ihr Hab und
Gut u. dergl. mehr. Dadurch bereitete er seiner vorgesetzten Be-
hörde, besonders dem kaiserlichen Postmeister von Rohrscheidt in
Breslau, viel Ärger und Unannehmlichkeiten. Im Frühjahr 1674
konfiszierte Liebig ein Paket Saffran, welches aus Leipzig über
Berlin nach Breslau gehen sollte. Er behauptete wiederum, es
sei nicht ordnungsgemäß deklariert gewesen, obwohl es auf der
Postkarte nach seinem Inhalt angegeben war. Ein ander Mal
ließ er drei Pakete mit 150 Stück "Chineser-Äpfeln", deren eines
für die Herzogin von Brieg bestimmt war, während ein andres
dem Stadtkommandanten von Breslau zukam, der damit Kava-
liere beschenken wollte, einfach in Lüben liegen, bis die Äpfel ver-
dorben waren. Solche Fälle mehrten sich. Die kurbrandenburgische
Verwaltung drohte, die Post nach Wien auf eine andere Route zu
leiten, wenn Liebig seine Eigenmächtigkeiten weiter ausübte.
Dieser bekam scharfe Verweise, das "eigenmächtige Visitieren"
wurde ihm verboten, aber eine dauernde Besserung trat in seiner
Verwaltung nicht ein. Wenige Jahre später brach ihm eine
traurige Affäre endgültig den Hals. Am 5. August 1676 ent-
wandte sein eigener Sohn aus einem Breslauer Postbeutel 200
Dukaten und suchte damit das Weite. Er wurde verhaftet, aber
auf Veranlassung des Vaters freigelassen, schließlich auf Befehl
von Breslau her aufs neue gefänglich eingezogen. Zwar wurden
56 Dukaten bei ihm vorgefunden, der Rest aber mußte vom Vater
gedeckt werden. Dieser selbst wurde von Rohrscheidt seines Amtes
entsetzt, "da er ohnedies eine Zeither übel genug damit umbge-
gangen und sowol im Städtel als bey seinen Nachbahrn, auch
fremden vornehmen Leuthen durch seinen Trotz und Hader ihm
schlechten Ruf gemacht hatte". Später mühte er sich vergeblich um
seine Wiederanstellung.
An Liebigs Stelle trat Anfang Oktober 1676 der Bürger und
Fleischhacker Friedrich Neumann, ein temperamentvoller Mann,
der in den kirchlichen Kämpfen von 1701-1706 ein energischer
Verfechter der protestantischen Interessen war, der aber auch mit
jedem anband, von der er sich in seinem wirklichen oder vermeint-
lichen Rechte gekränkt fühlte. Sehr bald geriet er mit den städti-
schen Behörden in Konflikt, die allerdings eine eigenartige Auf-
fassung von dem Zweck postalischer Einrichtungen hatten. Sie
suchten durch kleinliche Chikanen die ordnungsmäßige Postbeförde-
rung zu hindern, ließen die Postillone stundenlang vor den Toren
warten, forderten, daß dieselben sich jedesmal einen Stadtpaß
lösen sollten, und drohten widrigenfalls mit Aussperrung. Die |
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schlesische Kammer nahm diesen Übergriffen gegenüber ihre Be-
amten in Lüben nachdrücklich in Schutz und wies den Landeshaupt-
mann in Liegnitz Graf Nostitz an, dem Lübener Rat den Stand-
punkt klarzumachen. In späteren Jahren mußte aber erneut daran
erinnert werden, daß der Rat das Postmandat Neumanns zu
respektieren habe.
Weniger erfolgreich war der Lübener Postverwalter in dem
Konflikt mit seinem Kollegen in Liegnitz, Christoph Knolle. In
Liegnitz wurde anscheinend um 1693 eine Verwaltungsstelle ein-
gerichtet; infolgedessen wurde der dortige Bezirk, wie schon früher
der Hirschberger, von dem Lübener Amte abgezweigt, dessen In-
haber dadurch allerdings einen erheblichen Ausfall an Einnahmen
erlitt. Andern war es ebenso ergangen, z. B. dem Postverwalter
in Polkwitz, als Glogau ein eigenes Amt erhielt. Entsprechend
der generellen Anweisung für den Postverkehr hatte Neumann
die in Lüben einlaufenden, für Liegnitz bestimmten Postsachen
dem vom Liegnitzer Amte gestellten Boten unentgeltlich auszu-
händigen und ebenso alle von Liegnitz kommenden Sendungen
portofrei weiterzubefördern. Nach Neumanns Angabe hatte546)
Knolle von dieser Berechtigung einen höchst eigennützigen Ge-
brauch gemacht, nicht bloß im Liegnitzer sondern auch im Lübener
Revier Briefe, Zeitungen u. dergl. ohne Vermittelung der Lübener
Stelle vertrieben, dem Lübener Amte große Pakete und Geld-
sendungen zu kostenfreier Beförderung zugestellt, ohne Porto
dafür zu entrichten, und andere Übergriffe mehr. Neumann be-
schwerte sich unter Berufung "auf seine neunzehnjährigen Meri-
ten" bei der Kammer, er werde von Knolle an dem ihm zustehen-
den Accidenz geschmälert und zum Privatdiener des Liegnitzer
Beamten degradiert. Da die Reibungen zwischen den beiden be-
nachbarten Ämtern kein Ende nahmen, wurde der Breslauer Post-
meister Johann Sebastian Peschel beauftragt, einen Ausgleich
herbeizuführen. Dabei schnitt Neumann sehr schlecht ab. Es wurde
ihm nachgewiesen547), daß er im Liegnitzer Bezirk Postsendungen
direkt verteilen lasse, statt sie dem dortigen Amte abzuliefern, und
daß er Liegnitzer und Hirschberger Postsachen zurückbehalte, wo-
rüber bereits von Berlin und Hamburg Beschwerden eingelaufen
seien. Im übrigen bemerkte der Breslauer Beamte, daß Neumann
von völlig falschen Voraussetzungen ausginge. Wie könne er sich
als Bedienter des Liegnitzer Postverwalters fühlen, weil er dessen
Sendungen befördere! Er - Peschel - sehe sich doch auch nicht
als Neumanns Diener an, weil er Lübener Postsachen in Empfang
nehme und weitergebe. Haltlos sei auch der Vorwurf der Grenz-
überschreitung, den jener dem Liegnitzer Beamten mache. Wenn
derselbe es sich angelegen sein lasse, Orte, welche noch keine Post-
546 23.4.1689.
547 21.6.1695. |