| - 172 - bestellung haben, zu bedienen, so könne man ihm doch daraus
 keinen Vorwurf machen. Neumann habe auch die Grenze zwischen
 dem Lübener und Liegnitzer Bezirk "nicht nach seinem Gehirn",
 sondern nach den tatsächlichen Verhältnissen zu ziehen. Und wenn
 er sich auf seine Verdienste berufe, so möge er bedenken, "daß in
 seiner neunzehnjährigen Tätigkeit mehr unverantwortliche Nach-
 lässigkeiten als Tage zu zählen seien". Er könne nicht erwarten,
 "daß ihm eine Belohnung mit Zerrüttung des ganzen Postwesens
 widerfahre". Zum Schluß empfahl Peschel, "dem Lübnischen
 Postbeförderer seine gallsüchtige Verbitterung durch ernstliche An-
 weisung zu gebührendem Gehorsam zu benehmen". Ob diese Kur
 angeschlagen hat, bleibe dahingestellt.
 Noch einmal sehen wir Neumann auf dem Kampfplatz er-
 scheinen. Am 28. August 1699 hatte er einen heftigen Zusammen-
 stoß mit Herrn Kaspar von Stosch, der auf der Reise von Warm-
 brunn nach Grätz begriffen, in Lüben Postpferde forderte. Da der
 Postknecht mit dem Gespann auf dem Felde war, entstand eine
 unliebsame Verzögerung. Stosch bemerkte zu seinem Kammer-
 diener: "Auf der Lübenschen Post geht es immer unrichtig zu;
 entweder sind die Postknechte oder die Pferde nicht da". Darauf
 ging er in den Gasthof am Ringe, während der Kammerdiener an
 der Posthalterei zurückblieb. Als Stosch zurückkehrte, fand er den
 Diener im heftigen Wortwechsel mit Frau Neumann, welche die
 Ehre der beschimpften kaiserlichen Post retten zu müssen glaubte.
 Bei der Ankunft des Edelmanns fiel sie mit bedeutendem Zungen-
 schlag, aber wenig gewählten Ausdrücken über diesen her, bis ihm
 schließlich das Wort "Bestie" entfuhr. Neumann, der auf das
 immer lauter werdende "Getrasche und Gepolter" herzukam, zahlte
 die seiner Frau widerfahrene Beleidigung mit kräftigen Worten
 heim. Erst die Abfahrt machte der Szene ein Ende. Stosch machte
 in Glogau dem dortigen Vizepräsidenten von dem Vorgefallenen
 Mitteilung und erfuhr bei ihm, daß Neumann als Krakehler
 bekannt sei und auch anderen, z. B. einem Herrn von Dyherrn auf
 Urschkau, ähnlich mitgespielt habe. Wohl in dem Bewußtsein, daß
 er selbst aus der ganzen Affäre auch nicht mit Ruhm bedeckt
 hervorgegangen sei, ließ Stosch die Sache auf sich beruhen. Der
 Glogauer Vizepräsident brachte sie jedoch zur Anzeige, und Neu-
 mann erhielt einen Verweis. Er wollte ihn jedoch nicht auf sich
 sitzen lassen und schrieb an Stosch einen von Beleidigungen
 strotzenden Brief, sodaß dieser nunmehr Beschwerde erhob, und
 Neumann erneut zur Rechenschaft gezogen wurde. Natürlich stellte
 letzterer den Sachverhalt so dar, daß er selbst als unschuldsvolles
 Lamm in den ganzen Handel hineingeraten und aus demselben
 herausgekommen, und daß er im wesentlichen ein Märtyrer der
 Ehre der kaiserlichen Post geworden sei. Im übrigen habe er in der
 Wahrnehmung berechtigter Interessen gehandelt, sofern durch das
 kaiserliche Postmandat aller Unfug und Frevel auf den Post-
 | - 173 - stationen und "die schlechte Traktierung" der Postverwalter unter-
 sagt werde. Wiederum wurde der Breslauer Oberpostamtsver-
 walter Peschel mit der Untersuchung des Falles beauftragt. Wenn
 er auch dem angeschuldigten Kollegen mildernde Umstände zu-
 billigte, fühlte er sich doch veranlaßt, ihn zu ermahnen, "künftighin
 gegen adelige und andere honorable Passagiers alle Bescheidenheit
 nicht allein selbst zu gebrauchen, sonern auch die Seinigen dazu
 anzuweisen". Der streitbare Lübener Postverwalter starb am
 6. April 1708.
 Über den unmittelbaren Nachfolger Neumanns fehlen die
 Nachrichten. Später finden wir den ehemaligen Stadtschreiber
 Constantin Franz Schubert als Inhaber der Lübener Verwaltungs-
 stelle. Er starb am 4. November 1732 und hinterließ "ziembliche
 Schulden", sodaß sein Gläubiger, der Postverwalter Scheibe in
 Parchwitz, der jenem 1000 fl. geliehen hatte, die schlesische Kammer
 ersuchte, Schuberts Kaution mit Arrest zu belegen. Am 27. Ok-
 tober 1733 wurde Joseph Ignatz Füssel als Postverwalter mit
 einem Gehalt von 240 fl. und einer Kaution von 500 fl. angestellt.
 Er besaß eine poetische Ader, der wir gelegentliche Ergüsse von
 zweifelhaftem Wert verdanken, z. B. "Das schuldige Danck- und
 Denckmahl", bei dem am 17. Juni 1737 erfolgten Auszuge der
 Schützenbruderschaft, deren Königswürde Füssel bekleidet hatte.
 In holprigen Alexandrinern beschreibt er die Unbeständigkeit der
 Zeit und den Wechsel des Glücks, der ihn binnen kurzem der
 Königswürde berauben werde. Dann preist er die Verdienste des
 "großen Karl" um die Wohlfahrt des Landes, erfleht für ihn, das
 Oberamt, die Kammer Gottes Beistand und Segen und schließt
 mit den schwungvollen Worten:
 "Es scheine Licht und Recht vor die gesamte Stadt!
 Es blühe Glück und Heyl vor Lübens Magistrat!
 Vor einen jeglichen vom Haupt bis zu den Gliedern,
 Vor einen jeglichen von unsern Schützenbrüdern!
 Auch dieser lebe wohl, der mir die Folge leist,
 Der auf den letzten Span der Bogen-König heist!
 Die Zeit eröffnet es; sie hat darzu den Schlüssel,
 Hiermit gehabt Euch wohl! so schlüßt der König Füssel".
 Noch minderwertiger als seine dichterischen Erzeugnisse waren
 Füssels postalische Leistungen. Augenscheinlich kümmerte er sich
 um den Dienst so gut wie garnicht. Wenigstens konstatiert ein
 Bericht des preußischen Oberpostamts in Breslau vom 31.7.1741,
 daß in Lüben ein Postillon, "ein alter vernünftiger Kerl", zeit-
 weise die Aufsicht über den ganzen dortigen Postbetrieb führte.
 Wenn er freilich die Post nach Breslau befördern mußte, war er
 oft zwei Tage von der Station abwesend und niemand sah auf
 Ordnung.
 Am 15. August 1741 beauftragte Friedrich II. aus dem Lager
 bei Strehlen das Generaldirektorium mit der Reorganisation des
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