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Konrad Klose, Geschichte der Stadt Lüben, Verlag Kühn Lüben, 1924, S. 188/189
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endlich, die Torwärter und Nachtwächter zu kontrollieren. Die
Stadttore wurden gegen Abend geschlossen; nur das Steinauer
Tor wurde im Sommer bis 10, im Winter bis 11 Uhr offen
gehalten, "um die Biergäste hinauszulassen". Bei Beginn der
Dämmerung postierten sich die Nachtwächter vor dem Hause des
Bürgermeisters und hielten dort Wacht, bis ihre Runden began-
nen. Dies geschah im Winter um 8, im Sommer um 9 Uhr. Der
Wächter auf dem Glogauer Torturm hatte alle Stunden dem
vorbeigehenden Nachtwächter durch Pfeifen zu antworten und ein
etwa aufgehendes Feuer "durch vielfältiges Pfeifen dem Nacht-
wächter zu melden, damit dieser durch Läutung des Glöckels am
Rathause die schlafenden Leute alarmieren möge".
So lebte man ehrsam und beschaulich für sich. Um große
Sprünge zu machen, fehlte es an Geld. Nur die Tuchkaufleute,
die ihre Meßfuhren machten, kamen in der Welt herum. Ge-
legentlich wurden freilich auch Lübener Kinder weithin verschlagen.
In den Türkenkämpfen um Ofen fochten auch Lübener Bürger-
söhne mit, so Gottlieb Purmann, Feldscheer in der kurbranden-
burgischen Armee, der, erst 25 Jahre alt, auf dem Rückmarsch
von Ofen starb und am 26. Dezember 1686 in Lüben abgekündigt
wurde, oder der ehemalige Kürschner Georg Reiche, dessen Tod
am 16. Februar 1687 gemeldet ward572). Glücklicher war Johann
Gottlieb Pantzer, ein Sohn des Lübener Chirurgen, den Aben-
teuerlust in den Kriegsdienst trieb, und der im Regiment des
Feldmarschalleutnants Olivier von Wallis sich in Ungarn, Italien
und Sizilien so auszeichnete, daß er 1717 zum Hauptmann be-
fördert wurde. Er starb 1747 in Wien. Sein Herz wurde ent-
sprechend seinem letzten Willen, in Lüben zu Füßen seiner Eltern
bestattet 573). Sogar im heiligen Lande begegnen wir einem Wall-
fahrer aus Lüben, David Kutzner, der allerdings schon vor der
hier behandelten Periode, im Jahre 1668, das gelobte Land durch-
wanderte und sich von dem Guardian des heiligen Berges Zion
Frater Franciscus Maria a Politio am 20. Oktober 1668 eine
Bescheinigung darüber ausstellen ließ, daß er nicht bloß die heili-
gen Stätten bei Jerusalem, sondern auch ganz Judäa, Samaria
und Galiläa durchwandert habe574).
Das war aber eine Ausnahme, wenn ein Lübener Kind solch
weiten Flug wagte. Im allgemeinen blieb man am eigenen Herd.
Das Einerlei des Tageslaufs wurde gelegentlich von mehr oder
minder aufregenden Ereignissen durchbrochen. Ein Sturm im
Glase Wasser war's, wenn im November 1711 von dem Fiskal des
Liegnitzer Fürstentums gegen den angesehenen Tuchhändler

572 Notizen in den Kirchenbüchern.
573 Denkmal auf dem Kirchhofe. cf. Schlesien, Illustr. Zeitschrift,
I. Jahrgang 1907/08 S. 436.
574 Die Bescheinigung befindet sich in der Bibliothek der evangel.
Gnadenkirche in Freystadt.
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Samuel Stahn Klage erhoben wurde575), daß er "bey der Hochzeit
seiner Tochter sich vermäßentlich unterstanden habe, nicht allein
die Hochzeitsgäste auf öffentlicher gassen mit Paucken und Trom-
peten anzunehmen sondern auch nachgehends bieß gegen 2 Uhr nach
Mitternacht einen öffentlichen Tantz zu högen und also das deß-
halben ergangene Kayserliche verboth schändlichen zu eludiren".
Es handelte sich um eine Übertretung der bezgl. der Landestrauer
erlassenen Bestimmungen. Auch der Bürgermeister von Lepin
erhielt ein Strafmandat, weil er selbst am Tanze teilgenommen
habe. Die Sache zog sich mehrere Jahre hin, endete aber an-
scheinend mit dem Freispruch der Angeschuldigten, weil allgemein
mit der Krönung des neuen Monarchen die Landestrauer als be-
endigt angesehen wurde. - Auch sonst mußte man in damaliger
Zeit auf Eingriffe einer rücksichtslosen Justiz gefaßt sein, die
übrigens dem alten Geschlecht minder gewalttätig erschienen als
uns. Übel erging es einem Knecht Weigt bei Herrn von Tscham-
mer in Großkrichen576), der von seinem Herrn als Rekrut an einen
kaiserlichen Hauptmann in Breslau verschenkt worden war, sich
aber 1731 durch Erlegung von 20 sgr. losgekauft hatte. Er ver-
mietete sich zu dem Pächter des städtischen Vorwerks in Mallmitz,
Georg Brendel. Dort wurde er am 17. September 1733 von
einem Korporal und zwei Musketieren des Seckendorffschen
Regiments in Liegnitz, die von dem Kammerdiener des Herrn von
einem Korporal und zwei Musketieren des Seckendorffschen
Regiments in Liegnitz, die von dem Kammerdiener des Herrn von
Tschammer geführt wurden, verhaftet und als Deserteur zu
Liegnitz in Arrest gesetzt. Nach langwierigen Verhandlungen
wurde Herr von Tschammer freigesprochen, weil er die Gewalttat
nicht veranlaßt habe. Der Knecht mußte zu ihm zurückkehren,
weil seine Entlassung vom Regiment nicht rechtsgültig gewesen war.
Die Langsamkeit des Gerichtsverfahrens brachte es mit sich,
daß man sich gelegentlich auf kürzestem Wege selbst Recht ver-
schaffte. So verfuhr die Lübener Bürgerschaft im Jahre 1732
bei einem Konflikt mit Herrn Karl Andreas Klobutzin von
Klobutzinsky auf Eisemost577). Der Lübener Stadtforst grenzte
mit dem Eisemoster Walde. An der Grenze entlang, die durch
Steine genau bezeichnet war, lief auf der Eisemoster Seite ein
Waldweg. In dem an den Weg anstoßenden Gehölz ließ Klobutzin
Anfang März 1732 einige Birken fällen und einschlagen. Das
Holz wurde bei seinen übrigen Holzstapeln aufgestellt. Am 5. März
erschien der Lübener Heideförster mit zwei Wagen und ließ in
aller Stille nicht bloß die halbe Klafter Birkenholz, sondern auch
noch eine weitere Klafter aufladen. Die Proteste der Klobutzin-

575 Staatsarchiv Rep. 28 F. L. V 6 Zollamt a a.
576 Staatsarchiv Rep. 28 IV 6 u I und II. Akten betr. Prozeß
des Fiskus und des Lübener Rentschreibers Haucke gegen Hans Caspar
von Tschammer. 1733-1736.
577 Staatsarchiv Rep. 24 F. Gl. I 6 f. Acta betr. Streitigkeiten zwischen
dem von Klobutzinsky und der Stadt Lüben. Bericht des Kl. vom 24.4.1732.