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Konrad Klose, Geschichte der Stadt Lüben, Verlag Kühn Lüben, 1924, S. 202/203
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der alten Stadtmauer, die Befestigungsanlagen vor der Pforte,
die Schwibbogen am Liegnitzer und Steinauer Tore abzubrechen,
um Ziegeln für den Neubau zu gewinnen. Wäre nicht um der
Accise willen die Erhaltung der Stadtmauer nötig gewesen, so
wäre sie wohl gänzlich gefallen. Mit einem wahren Vandalismus
wurden nun allentalben die alten Zinnen der Mauer abge-
brochen, sodaß schließlich die Glogauer Kammer die gegebene
Erlaubnis wieder zurückzog. Der gewonnene Ziegelvorrat war
naturgemäß sehr unbedeutend und auch bald erschöpft.
Infolge der Kriegsunruhen, der mangelnden Kontrolle und
der Unfähigkeit des Ratsdirektors595) wurden die Bauarbeiten
sehr saumselig betrieben. Im Jahre 1763 waren erst 55 Häuser
fertig gestellt. Trotz der strengen Verbote hatte man vielfach die
Zwischenwände aus Lehmfachwerk wiederhergestellt, die Dächer mit
Schindeln gedeckt, die alten hölzernen Dachrinnen, die bis über
die halbe Straße hervorragten, wieder angebracht. Als der Krieg
zu Ende ging und mit einem baldigen Besuche des Königs in
Schlesien gerechnet werden mußte, begannen sowohl der schlesische
Minister Graf Schlabrendorff wie auch die Kammer mit immer
schärfer werdenden Verfügungen auf Beschleunigung der Bau-
tätigkeit zu dringen, zumal der König durch wiederholte Gnaden-
geschenke den Wiederaufbau der Stadt hatte fördern wollen. Die
Kammer drohte den städtischen Behörden, "daß die schwerste Ahn-
dung und nach Befinden die Cassation ohnausbleiblich erfolgen
werde", wenn die bisherige Nachlässigkeit andauere. Schlabren-
dorff kam am 1. September 1763 selbst nach Lüben und befahl,
"den Aufbau der Stadt nach Möglichkeit zu poussieren und brav
aus Sachsen und Pohlen Maurer und Zimmerleute anzuwerben".
Dieselben wollten aber nicht kommen; und die wenigen Bau-
handwerker, welche zur Verfügung standen, steigerten ständig ihre
Lohnforderungen, sodaß schließlich die Bauleitung den Lohn auf
9 sgr. pro Tag festsetzte596). Um dem Mangel an Arbeitskräften
abzuhelfen - man hatte 1763 nur 18 Zimmerleute und 16 Mau-
rer -, wurden die Dominien des Lübener und der benachbarten
Kreise gezwungen, je einen 16-18jährigen Burschen zu stellen.
Von ihnen sollte ein Drittel das Ziegelstreichen, ein Drittel die
Maurer- und ein Drittel die Zimmerarbeit lernen. Gleichzeitig
wurde ein Maurer- und Zimmermeister-Mittel für Stadt und
Kreis ins Leben gerufen, um die mannigfachen technischen Fragen
einheitlich lösen zu können. Da Schlabrendorff monatlich Bericht
über die Fortschritte der Bauarbeiten einforderte, die Kammer
unaufhörlich monierte und drängte, der Oberbaudirektor rücksichts-

595 Reskript der Kammer vom 11.10.1762, in dem schwere Vor-
würfe gegen den Ratsdirektor von Üchtritz erhoben werden.
596 Nach der Urkunde im Knopfe des Rathausturmes vom 8.11.1768
hat - vermutlich in den letzten Jahren - der Maurer 20 sgr, ein
Handlanger 12 sgr erhalten.
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los die Beteiligten antrieb, bewirkte dieser kräftige Druck, daß
im Jahre 1765 121 Häuser fertig gestellt wurden. Wo die Brand-
stellen von den Besitzern im Stich gelassen worden waren, weil
sie nicht die Mittel zum Wiederaufbau der Häuser besaßen, wur-
den die Hypothekengläubiger zum Bauen genötigt, andernfalls
verfielen ihre Forderungen und die Grundstücke fielen der Stadt
anheim. Eine neue königliche Schenkung vom Jahre 1767 half
auch die letzten Häuser vollenden. Im Jahre 1768 war der Wieder-
aufbau der Stadt beendet.
Erst im letzten Baujahre wurde der Neubau des Rathauses
in Angriff genommen. Man hatte gegen den Magistrat den gewiß



Das Rathaus




nicht unberechtigten Vorwurf erhoben, daß er es bei der Rettung
des Rathauses und des städtischen Archivs an der nötigen Sorg-
falt habe fehlen lassen. War doch das Rathaus zwar am 17. No-
vember in Brand geraten, aber erst am folgenden Tage völlig
eingeäschert worden. Augenscheinlich hatte aber jeder völlig den
Kopf verloren, sodaß mit Mühe und Not die neuere Registratur
und die städtischen Privilegien und Urkunden gerettet wurden,
während man den reichen Inhalt der Schöppenstube und die alten
Archivalien ruhig verbrennen ließ. Von den geretteten Akten