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Konrad Klose, Geschichte der Stadt Lüben, Verlag Kühn Lüben, 1924, S. 204/205
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ging bei dem Hin- und Herschleppen noch manches verloren. Die
Stadtverwaltung wurde in das Stadthaus verlegt, das Frau
General von Blankensee für 100 rtl. an die Stadt vermietete.
Am 27. Juni 1768 wurde der Wiederaufbau des Rathauses be-
gonnen und am 9. November konnte der Turmknopf aufgesetzt
werden; der innere Ausbau wurde im folgenden Jahre voll-
endet597).
Es sei noch nachgetragen, daß die Stadt vor der Beendigung
des Siebenjährigen Krieges noch einmal feindlichen Besuch
erhielt598). Ein Kommando Kosacken erschien im August 1761 in
der Stadt und überreichte den Stadtvätern folgende Order:
"S. Exzellentz der Herr General Lieutenant und Ritter,
kommandirender Chef eines Corps d' Armee Graf Czernischeff
hat hiermit der obenbenannten Stadt samt dem Kreise zu wissen
thun lassen, daß nach Empfange dieser Ordre eine Lieferung von
2000 Scheffel Mehl und 20 000 Stück Brodt, ein jedes zu 6 Pfd.,
und 20 Faß Saltz nach dem Lager, wo sich das Corps befinden
wird, soll gebracht werden, dergestalt, daß in 4 Tagen die auf-
geschriebene Summa abgeliefert werden soll, wiedrigen Falls aber
wird sowohl die Stadt als auch der Kreiß einer strengen Kriegs-
exekution unterworfen.
31. Juli alten Stylo 1761. Major de Jour beym Corps
13. August 1761. Paschkin.''
Vermutlich haben Stadt und Kreis der Forderung nachkom-
men müssen. Anderweitig machten die Kosacken noch weniger
Umstände. Das beweist die bewegliche Klage599) des Pastors
Schiller in Ossig: "Anno 1761, den 22. Aug. ist sowohl die Oßiger
Kirche als auch des gnädigen Herrn von Jonston mit einer
eisernen Thür wohlverwarte Gruft von den Cosacken erbrochen
worden. Ich h. t. Pastor hatte vieles von meinen Habseligkeiten
Theils in die Kirche, Theils in die Sacristey geschafft, es ist aber
alles, sowohl in der Kirche als auch in der Sacristey mit Gewalt
aufgeschlagen worden, da der Kirche ein von Englisch Zinn ange-
schafftes Tauff-Becken, so 1755 in Liegnitz gekauft worden ruinirdt,
ferner das Gottes Kästel erbrochen und daraus ohngefähr 4 Rthl.
gestohlen, dann in der Sacristey etwann biß 7 Rthl. gefunden
worden, ferner eine Zinnern Wein-Flasche. Mir sind in der
Sacristey aus einem Kasten unterschiedene Kleider nebst Westen
gestohlen, ferner grüne und gelbe Vorhänge vor die Stuben-
fenster, dann noch viele andre Sachen. Dann ist in meinem Pfarr-
hause auf das grausamste gewirthschaftet worden, die Fenster meist

597 Urkunden im Turmknopf.
598 Städtisches Archiv Acta betr. Sicherheitsmaßregeln 1744-1778.
599 Mitgeteilt auf Grund handschriftlicher Aufzeichnungen in den
Kirchenbüchern im Kalender des Lübener Stadtblattes 1912 von Pastor
Kaebsch in Ossig.
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zerschlagen, Thüren, Schränke und andere Sachen zerschmettert
worden, und an notwendigen Hauß-Geräthen so vieles mitge-
nommen worden, daß ich nicht alles beschreiben kan. Vom Boden
ist die vorräthige Gerste und Haafer verschüttet, und aus der
Scheune an Roggen auch vieles verschleppt worden. Der Heustall
völlig leer gemacht, auf welchem ich mehr den 5 Fuder Heu
gehabt, und nach dem itzigen hohen Preiße bis 100 Thaler schätzen
kann. Worüber ich mich aber am meisten betrüben muß, ist
dieses, daß sie mir meine ganze Bibliothec ruinirt, und biß an die
dritthalbhundert Stück Bücher gestohlen, einige habe ich in Lüben
mit 11 Rthl. wieder eingelößt, mit einem Worte, alle Hauptbücher
sind defect, und der Schade folglich vor mir gantz beträchtlich.
Ferner sind mir 2 Wagen unbrauchbar gemacht worden, aus 1.
gantz bedeckten und 1. halbbedeckten das Tuch geschnitten, die
Rade abgezogen, alle eiserne Kühketten aus dem Küh-Stalle mit-
genommen, ja es hat fast biß 3 Wochen gedauert, daß diese böse
Menschen täglich in meinem Hause nach ihrem Gefallen gerast.
Vom Thurme haben diese Barbaren die Seiger-Schnüre, alle
Glock-Seile, und besonders ein gantz neues an der großen Glocke,
davor wir allererst 2 Rthl. 20 Sgr. gezahlt, imgleichen auf der
Vor-kirche das Tauff-Engel Seil und auch das Seil vom messing-
nen Leuchter gestohlen. Die Schlößer in der Gruft, in der Kirche
auch auch im Pfarrhause fast alle ruiniret und sogar von mehr
den 7 Schlößern die Schlüßel mitgenommen. Das remarquabelste
so hat ein Bösewicht in der Sacristey auf die Kirch-Rechnung noch
diese Worte geschrieben: was Gott genommen wird Gott gäben;
er hätte aber schreiben mögen: was wir Diebe genommen wird
Gott wieder gäben. Diese traurigen Schicksaale hat hiermit ver-
merken wollen Oßig d. 26. Sept. 1761 Christian Albertus Schiller
h. t. Pastor, da ich von der Flucht aus Lüben wieder in mein
verwüstet Pfarrhaus kam." Die Plünderungen und Räubereien der Kosacken bewogen
schließlich den österreichischen Feldmarschall-Leutnant von Beck, in
der Stadt und den umliegenden Dörfern Dragoner zu verteilen,
um die Bewohner gegen die Gewalttätigkeiten der eigenen Ver-
bündeten zu schützen600). Lüben erhielt ein kleines Kommando
unter dem Befehl des Hauptmanns Eberth als Sauve Garde
(Schutzwacht). Beck wollte die Truppen Anfang September wieder
zurückziehen, wurde aber von der Stadt und den Grundherrschaf-
ten dringend gebeten, sie noch länger im Kreise zu belassen, da
am 3. September in unmittelbarer Nähe von Lüben neuer Unfug
von den Kosacken verübt worden war. Infolgedessen ließ Beck

600 Stadtarchiv Acta betr. Sicherheitsmaßregeln 1744-1788. Schrei-
ben Eberths vom 2.9.1761 an Oberstleutnant v. Heiden, den Stabschef
Becks. - 4.9.1761 Petition des Syndikus Steinbeck. - 8.9.1761 Mit-
teilung Becks vom Feldlager bei Bielau durch Hauptmann Stalice.
Zurückziehungsbefehl vom 22.10.1761.