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Konrad Klose, Geschichte der Stadt Lüben, Verlag Kühn Lüben, 1924, S. 306/307
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nahmen in der Stadt daran teil. Der frühe Weggang Cöllns -
1. Oktober 1857 - ließ die hoffnungsvolle Arbeit etwas ins
Stocken geraten. Sie wurde von Diakonus Petran, dem Nach-
folger Kunzendorfs, der am 21. September 1856 sein Amt nieder-
gelegt hatte, übernommen und fortgeführt. Von dem Nachfolger
Cöllns, dem Archidiakonus Suchlich, einem konvertierten Priester,
war keinerlei Förderung des christlichen Lebens zu erwarten, er
wurde wegen seines unverträglichen Wesens schon am 16. Novem-
ber 1860 auf 1 1/2 Jahre vom Amte suspendiert.
Wandten sich die positiven Pastoren des Kirchspiels der
Missionssache zu, so warb Burkmann für die damals in liberalen
Kreisen beliebte Gustav-Adolf-Sache. Er veranlaßte, daß der
Gemeindekirchenrat sich 1856 als Gustav-Adolf-Zweigverein kon-
stituierte, berief eine öffentliche Versammlung für den 17. Fe-
bruar 1856, um über diese Arbeit zu orientieren, und feierte
am 25. Mai des Jahres ein Gustav-Adolf-Fest. Ein nachhaltiger
Erfolg blieb auch hier aus. Einen letzten großen Freudentag
erlebte Burkmann am Jubelfeste der Kirche, dem 18. Dezember
1857, das er mit großer Rührigkeit vorbereitet hatte. Ein statt-
licher Festzug, dem sich Behörden und Innungen angeschlossen
hatten, bewegte sich vom Rathaus zur Kirche. Das Gotteshaus
war bis auf den letzten Platz gefüllt, selbst in den Gängen stan-
den die Besucher. Männergesangverein und Trompetenkorps
wirkten mit, Burkmann predigte über Psalm 50, 14-15, alles
in allem ein gelungenes Fest. Am 1. Dezember 1858 schied
Burkmann nicht ganz freiwillig aus dem Amte. Er wurde durch
Pastor Zürn ersetzt, der am 9. Januar 1859 eingeführt wurde.
Unter ihm nahm das kirchliche Leben ersichtlich einen starken
Aufschwung, namentlich als er 1861 in dem Diakonus Strehle
einen gleichgesinnten Mitarbeiter erhielt.
Eine Reihe zweckmäßiger Reformen wurde getroffen. Die
Montag-721) und Mittwochgottesdienste wurden in Gebetsandach-
ten umgewandelt (1862), statt dessen wurden Gottesdienste auf
den eingepfarrten Dörfern eingerichtet (1861). Die am Refor-
mationstage und am Schluß des Kirchen- und bürgerlichen Jahrs
veranstalteten Abendgottesdienste (1861) erfreuten sich eines
guten Besuchs, die Freitag-Fastenpredigt wurde auf die Abend-
stunde verlegt. Der erste Königsgeburtstags-Gottesdienst am
15. Oktober 1859 war nur vom Militär und einigen Beamten
besucht. - Die Abendmahlsfeiern wurden vermehrt, sodaß sonn-
täglich alle 14 Tage Kommunion stattfand; die Gründonnerstag-
feier ward (1859) auf den Abend gelegt. Die Kommunikanten-
ziffer begann relativ und absolut stark zu steigen und betrug 1866
wieder 41 Prozent. Am 2. März 1859 beschloß der Gemeinde-

721 Der frühere Freitaggottesdienst war um 1840 auf Montag ver-
legt worden.
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kirchenrat, das Gerhardsche Gesangbuch, welches durch Kammer-
reskript vom 25. März 1782 der Gemeinde aufoktroyiert worden
war, durch das Kirchen- und Hausgesangbuch zu ersetzen. Der
Wechsel ging indes nicht so schnell vonstatten, da die Mittel
fehlten; die Kornsche Buchhandlung schenkte 100 Exemplare, das
Konsistorium 50 rtl., ein von Zürn gegründeter Gesangbuchverein
25 rtl. Am 1. Advent 1866 hörte der Simultangebrauch des alten
und neuen Gesangbuchs auf. Im Sommer 1859 wurde das noch
jetzt (bis zur Ablieferung zweier Glocken 1917) übliche Frühgeläut
eingeführt.
Die Gustav-Adolf-Feste bürgerten sich wenig ein, obwohl sie
Zürn ebenso regelmäßig abhielt wie die Missionsfeste; während
erstere einen Kollektenertrag von etwa 5 rtl. ergaben, trugen
letztere meist 30 rtl. ein. Das Missionsinteresse wuchs; an 100
Hörer versammelten sich an den Missionsstunden, die 1861 in ein
Schullokal verlegt wurden, und an den Bibelstunden, die Diako-
nus Strehle im gleichen Jahre am Mittwoch abend dort begann.
Von diesem Kreise konnte Zürn berichten722): "Im Lübener Kirch-
spiel und dessen nächster Nachbarschaft sind einige 40-50 Leute,
welche zusammenhalten, jedes Missionsfest 3-4 Meilen in der
Runde besuchen, jeder Missionsstunde in Lüben beiwohnen, zu
jedem Liebeswerke steuern, zur Berliner oder Chinesischen, zur
Judenmission und zu allen andern Vereinszwecken und - was
noch besser ist - die für ihre Pastoren, das Missionshaus, dessen
Lehrer, Vorsteher und Zöglinge, für die Missionare in Afrika, für
bekehrte und unbekehrte Heiden, für die Namenchristen in der
Heimat fleißig beten". Zürn ließ es sich angelegen sein, diese
Stillen im Lande nach Kräften zu fördern, besonders durch Ver-
breitung gediegener Predigt- und Andachtbücher und durch Neu-
belebung der Hausandachten. Freilich drohte die Gefahr, daß
dieser angeregte Kreis unter fremden Einfluß geriet. Der
Diaspora-Arbeiter Ludwig von der Neusalzer Brüdergemeinde
hatte durch fleißige Besuche an der Weckung des religiösen Lebens
mitgewirkt; als er versuchte, eine Sozietät in Lüben zu begrün-
den, mußte Zürn mit ihm brechen. Leichter war es, den Einbruch
der "freien evangelischen Kirche Deutschlands" abzuwehren.
Ein Verdienst Zürns war auch die Einrichtung einer kirch-
lichen Armenpflege. Im Jahre 1859 rief er einen Verein für
Armenpflege ins Leben, welcher wohl den im Teuerungsjahre
1847 begründeten Armenverein fortsetzte. Vom 1. Oktober 1861
ab behielt Zürn den bisher dem Magistrat überwiesenen Ertrag
des Gotteskastens zurück, um damit den Grundstock zur kirchlichen
Armenkasse zu legen. Ihre Einnahmen wurden durch Vermehrung
der Gotteskästen gesteigert.
Die segensreiche Wirksamkeit Zürns fand leider ein frühes

722 Jahresbericht des Missionshilfsvereins der Diözese Lüben II
pro 1904.