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Konrad Klose, Geschichte der Stadt Lüben, Verlag Kühn Lüben, 1924, S. 304/305
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christkatholische Prediger die Rede hielt, während Burkmann den
Akt vollzog; später fiel die Assistenz des evangelischen Geistlichen
allgemein weg. Auch die Taufen fanden zuerst unter der passiven
Assistenz Burkmanns statt. Nach dessen späterer Aussage lautete
die Taufformel des dissidentischen Predigers: "Ich taufe dich ...
im Namen Gottes und Jesu von Nazareth". Das Konsistorium
verfügte am 29. Juli 1859, daß die christkatholisch getauften
Kinder unter Vermeidung unnötigen Aufsehens etwa acht Tage
vor der Konfirmation getauft werden sollten. Ebenso mußten
die dissidentisch getrauten Paare die kirchliche Trauung nachsuchen,
wenn ihre Ehe rechtlich gültig sein sollte.
Das evangelisch-kirchliche Leben empfing durch die christkatho-
lische Bewegung keinen neuen Aufschwung, es stagnierte im
Gegenteil je länger je mehr. Die beiden Pastoren Burkmann
und Kunzendorf - das Archidiakonat war seit Strohbachs Tode,
19. Mai 1831, unbesetzt - waren Rationalisten und ohne redne-
rische Begabung. Den sonntäglichen Gottesdienstbesuch bezeichnete
Burkmann selbst im Parchialjahresbericht von 1851 als gering.
Noch übler mag er in den Wochengottesdiensten am Mittwoch und
Freitag gewesen sein. Schon 1847 regten die Stadtverordneten
die Wiederbesetzung des Archidiakonats an; sie erklärten, "die
amtierenden Geistlichen wären den Anforderungen nicht mehr
gewachsen, wie dies Pastor Burkmann durch Ablesen der Predigt
dartue; es fehle an einem tüchtigen Redner". Zum Überfluß
hatte Burkmann kirchenordnungsmäßig sämtliche Vormittags-
gottesdienste mit Ausnahme desjenigen am Karfreitage abzu-
halten, sodaß die meisten Gemeindeglieder kaum einen andern als
ihn zu hören bekamen.
Dem unaufhaltsamen Sinken der Kommunikantenzahl -
sie hielt sich seit 1845 etwa auf 31-32 Prozent - suchte Burk-
mann durch Vermehrung der Abendmahlsfeiern entgegenzuwirken.
Seit 1832 fanden wieder am Karfreitage, seit 1834 am Bußtage
Abendmahlsfeiern statt. In diesem Jahre wurde auch zum ersten
Male Himmelfahrtskommunion gefeiert, die sich rasch einbürgerte
und alljährlich 300 bis 400 Gäste sammelte. Naturgemäß ließ
der Besuch an den alten Abendmahlstagen, den Freitagen nach,
es bildeten sich bestimmte Kommuniontage mit Massenabendmahl,
Karfreitag, Bußtag und Himmelfahrtstag. Das 1851 erstmalig
gefeierte Totensonntagabendmahl fand wenig Anklang, ebenso
das am Jahresschluß 1852. Die Sonntagskommunionen wurden
seit 1827 einmal monatlich gehalten. So war an Gelegenheit
zum Abendmahlsgang kein Mangel; wenn trotzdem die Zahl der
Gäste stetig zurückging, so lag es an dem Tiefstand des geistlichen
Lebens. Das empfand wohl auch Burkmann. Um dem Mangel
abzuhelfen, rief er im Spätherbst 1849 einen evangelischen Verein
ins Leben, "der die Einheit der verschiedenen Richtungen beför-
dern, das kirchliche Bewußtsein beleben, den Aufbau der kirch-
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lichen Verfassung vorbereiten, die Rechte der Kirche wahren, das
religiös-sittliche Leben der Gemeinde und Familie heben sollte".
Von seinem reichen Programm wurde wenig verwirklicht, obwohl
sich der Verein allsonntäglich versammelte; 1851 war er wohl
bereits entschlafen. -
Die Neubelebung kam von andrer Seite. Mit etwas saurer
Miene machte Burkmann im Stadtblatt bekannt, daß "auf höhere
Veranlassung" die Pastoren Mühlmann-Reinswalde und Früh-
buß-Prittag am 13. Oktober 1854 einen Missionsgottesdienst
halten würden. Die Missionssache kam dem Rationalisten sichtlich
unerwünscht. Aber sie fand ihren Vertreter und Pfleger in dem
Archidiakonus von Cölln, der am 15. Oktober 1854 eingeführt
wurde und sich sofort dem am 27. November 1854 begründeten





Missionshilfsverein im Kreise Lüben anschloß. Leider endete
das erste in Lüben abgehaltene Missionsfest am 5. Juli 1855
infolge des völlig mißratenen Missionsberichts mit einem Fehl-
schlag720). Die Missionsstunden, welche von Januar 1856 ab am
ersten Montag im Monat - in den eingepfarrten Dörfern an
den Sonntagnachmittagen und -abenden - gehalten wurden, er-
freuten sich eines leidlichen Zuspruchs; etwa 50-60 Personen

720 Jahresbericht des Missionshilfsvereins der Diözese Lüben II
pro 1904.