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Konrad Klose, Geschichte der Stadt Lüben, Verlag Kühn Lüben, 1924, S. 336/337
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Syndikus Senftleben gab in seinem Berichte zu, daß ein Neubau
erforderlich sei, zumal das alte Schulhaus nach dem Urteile des
Bauinspektors nicht mehr repariert werden könnte, aber die
Kämmerei sei mit den Ausgaben derartig überlastet, daß sie noch nicht
einmal die Erneuerung des völlig ruinierten Straßenpflasters
hätte vornehmen können. Selbst wenn die Stadt das Holz
lieferte, die Güter die Hand- und Spanndienste, die Bürgerschaft
freiwillige Beiträge leistete und die Regierung eine Landeskollekte
bewilligte, reichte das alles nicht zur Deckung der Kosten aus. Die
von Brun genannte Wohltäterin, welche ein Legat für den Neu-
bau in Aussicht gestellt habe, sei plötzlich gestorben, ohne ein
Testament zu hinterlassen. Der einzig gangbare Weg sei, die
Zahl der Klassen und der Lehrkräfte zu vermindern, denn der
Gedanke, die Klassen gegen eine Vergütung in den Privaträumen
der Lehrer unterzubringen, sei nach den früher gemachten Erfah-
rungen nicht durchführbar. So blieb denn nichts andres übrig,
als den Neubau zu vertagen. Nachgerade wurde aber der Zustand
des alten Schulhauses bedrohlich. Die Wand der Schulstube
bekam, wie Rektor Schuster erzählt757), 1805 solche Risse, "daß die
Schüler, die in der Nähe derselben saßen, von dem durchstreichen-
den Winde im Winter fast zu Holz erstarrten". Ferner drohte
der Giebel, der auf einem verfaulten Balken ruhte, einzustürzen.
Man mauerte daher einen neuen Giebel auf, beseitigte die Risse,
so gut es gehen wollte, und deckte das Dach um, sodaß der Bau
notdürftig seinen Dienst weiter versehen konnte. Wie kläglich es
um die Schullokale der deutschen Schule bestellt war, ergibt ein
Prüfungsprotokoll vom 6. April 1807: "Die erste deutsche Klasse
unter Lehrer Klembt zählt 100 Kinder von 6 bis 13 Jahren; viele
fehlen wegen Armut, Kleidermangel und Einquartierung. Täglich
werden früh 3, nachmittags 2 Stunden Unterricht erteilt. Der
Raum ist ein langes, schmales, nur von 2 Fenstern erhelltes
Zimmer. Die Kinder im hintern Teil können kaum die Buch-
staben erkennen. Die Luft ist stinkend und stickend, das beständige
Geräusch läßt kaum ein Wort verstehen. Überdies hat der Lehrer
noch die Einquartierung fast ununterbrochen mit in der
Schulstube."
So befand sich das städtische Schulwesen am Beginn des
XIX. Jahrhunderts in wenig erfreulicher Verfassung. Aber all-
mählich begann auch hier ein neuer Morgen zu tagen. Zuvörderst
wurde entsprechend der Verfügung der Regierung vom 4. Oktober
1811 eine Schuldeputation gebildet758). Am 20. Oktober wählten
die Stadtverordneten den Tuchfabrikanten Ferdinand und den
Kaufmann Krätzig zu Mitgliedern der Deputation, und am
28. November fand in einem feierlichen Akte die Konstituierung
der Deputation statt. Die Vertreter der Kirchen: Pastor Hoffmann

757 Schuster "Gespräche" S. 10.
758 Stadtarchiv Akta betr. Kirchen- und Schulwesen Vol. I.
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und Kuratus Berndt, die Magistratsmitglieder, der Stadtver-
ordneten-Vorsteher Jüngling und sämtliche Lehrer fanden sich im
Rathause ein; Landrat von Nickisch überreichte den Mitgliedern
der Deputation ihre Bestallungsurkunden und verpflichtete sie
durch Handschlag. So war eine Instanz geschaffen, der Wohl und
Wehe der Schule anvertraut blieb.
Für die Ausgestaltung des Schulwesens war es vorteilhaft,
daß die schon 1810 angeregte Trennung der Altstädter von der
Lübener Schule und der Altstädter Organistenstelle von der
zweiten Lübener Lehrerstelle verhältnismäßig rasch - 1812 -
erfolgte. Altstadt erhielt ein eigenes Schulhaus, das am 11. De-
zember 1816 eingeweiht wurde. Auch in Lüben kam die Schul-
hausfrage wieder in Fluß759), nachdem sie während der feindlichen
Invasion geruht hatte. Die Schuldeputation griff die Sache auf
und faßte nach einer Schulrevision am 18. Dezember 1811 den
Beschluß, ein Immediatgesuch an den König zu richten, in dem
die Überlassung des Domänenamtsgebäudes, d. i. des Schlosses,
zu einer Bürgerschule für beide Konfessionen erbeten wurde.
Zwar konnte dem Gesuche nicht entsprochen werden, weil das
Gebäude als Wohnhaus für den Pächter des Mallmitzer Vorwerks
erhalten bleiben mußte, aber der König stellte durch Kabinetts-
order vom 30. Januar 1812 den Amtsgarten als Bauplatz, freies
Bauholz aus den Königlichen Forsten und den aus dem Verkaufe
des Rentmeisterhauses erzielten Erlös zur Verfügung760). In
einem neuen Gesuch vom 18. Februar 1812 suchte die Schuldepu-
tation den Nachweis zu führen, daß das Domänenamtshaus nicht
mehr benötigt werde. Das Mallmitzer Vorwerk sei durch Abver-
kauf der kleinen Heide, durch Ablösung der Hand- und Spann-
dienste und der Schaftrift entwertet, die 1700 Scheffel Zinsge-
treide, welches früher an das Amt abgeführt wurden, wären größ-
tenteils abgelöst, infolgedessen könne das Schloßgrundstück für
andere Zwecke nutzbar gemacht werden. Der König verwies am
6. März 1812 die Angelegenheit an den Oberlandeshauptmann
von Massow, der aber im Einverständnis mit der Liegnitzer
Regierung und dem Landrat erklärte, das Schloß müsse
dem Domänenfiskus verbleiben; ein Umbau würde sich zudem
unverhältnismäßig teuer stellen. Der Landrat machte auf den
Platz des ehemaligen Primariats aufmerksam, der einen geeig-
neten Bauplatz biete und befürwortete eine allgemeine Kirchen-
und Hauskollekte. Daraufhin erging eine neue Kabinettsorder
vom 10. April 1812, welchen den anfänglich erteilten Bescheid auf-
recht erhielt. Immerhin war man dem Ziele einen Schritt näher
gekommen.

759 Dem Folgenden liegen die "Schulchronistischen Nachrichten" von
Oskar Hinke im Kalender des Lübener Stadtblatts von 1910 zugrunde,
dazu als Ergänzung: Staatsarchiv Suppl. E 45 betr. Lübener Schule.
760 In diesem Sinne hatte die Regierung am 23.1.12 beantragt.