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Konrad Klose, Geschichte der Stadt Lüben, Verlag Kühn Lüben, 1924, S. 396/397
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schlagen, frisieren, pressen usw. Das Aufreiben der Boyen war
den Tuchscherern zugelassen, deen Gewerbe aber stetig zurückging
und 1684 mit dem Todes des letzten Tuchscherers erlosch. Den
Walkern gab der Rat am 22. September 1614 eine eigene
Ordnung.
Das Tuchmachermittel besaß schon im XVI. Jahrhundert ein
eigenes Zechhaus, in dessen Besitz es bis ins XIX. Jahrhundert
verblieb, und seit 1558 eine Schönfärberei820), die es aus eigenen
Mitteln erbaut hatte und 1617 renovieren ließ. Die Anstellung
und Vereidigung des Färbers nahm der Rat in Anspruch. Als
1610 Joachim Kölichen eine Färberei anlegen wollte821), protestier-
ten die Tuchmacher lebhaft gegen das Konkurrenzunternehmen.
Sie setzten es auch durch, daß die private Färberei nicht zustande
kam. Indes bereitete ihnen der eigene Besitz nicht immer unge-
mischte Freude; oft war über die Untüchtigkeit des Färbers, die
schlechte Farbe, Nachlässigkeit in der Arbeit u. a. zu klagen. War
der Färber in seinem Fache tüchtig, rentierte sich der Betrieb,
ließen doch sogar 1667 die Goldberger Tuchmacher ihre Tuche in
Lüben färben.
Die alte Vogt- oder Teichmühle vor dem Steinauer Tore
enthielt neben einem Malzgange und zwei Mehlgängen eine
Walke. Seit etwa 1570 befand sie sich wieder in fiskalischem Be-
sitze. Sie war aber 1614 so baufällig, daß die beiden Sachver-
ständigen, der Liegnitzer Stadtmüller Hans Dronte und der Alt-
beckerner Müller Martin Schindler, es für unmöglich erklärten,
sie noch länger durch Stützen zu erhalten. Die Dreidingkom-
missare822) rieten daher zu einem Neubau, 36 Ellen lang und
12 Ellen breit. Das Walk- und Mühlwerk wollten der Klaptauer
und Oberauer Müller für 100 fl., die Zimmerarbeiten Martin
Wutke und Melchior Sinner für 100 fl., der Maurerarbeiten
Martin Lux ebenfalls für 100 flr. liefern; der Kotzenauer Heide
wären 20 Eichen zu entnehmen, der Lübener Heide das erforder-
liche Kiefernholz, außerdem würden 1000 Fuhren Feldsteine und
40 000 Ziegeln nötig sein. Die Fuhren müßten die Freibauern
der fürstlichen Kammergüter stellen. Ob und wann der Neubau
zustande gekommen ist, ist nicht bekannt. Übrigens war auch
die Niederwalke bei Muckendorf bereits im XVII. Jahrhundert
im Betriebe; sie unterstand ebenfalls dem Rentamte.
Am 19. Mai 165 erging eine Verordnung des Herzogs
Christian, welche einen der vier Ältesten den Tuchmachern der

820 Staatsarchiv Rep. 28 O. A. Lüben IX. Den Färbereid legten
ab: 13.8.1617 Gerhard Meyer, 28.8.1630 Peter Albrecht, 8.4.1633
David Francke, 31.1.1634 Hans Rupecke, der am 10.6.1652 wegen
Differenzen mit dem Mittel kündigte.
821 Staatsarchiv Rep. 28 O. A. Lüben IV.
822 Staatsarchiv Rep. 201 b Liegnitz XIX 118 Acta von Dreidings-
sachen beim Amte Lüben.
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Vorstädte zuwies, in denen drei Quartiere aller Meister vor-
handen waren. Der Vorstadtälteste sollte abwechselnd den Rats-
und den Amtsuntertanen entnommen werden, aber in jedem
Falle nur das Recht besitzen, in Handwerks- nicht in städtischen
Angelegenheiten mitzubestimmen. Herzog Christian bestätigte
übrigens auch am 12. Februar 1666 sämtliche Tuchmacher-
privilegien.
Die Habsburgische Regierung wandte dem Handel und Ge-
werbe ihre besondere Aufmerksamkeit zu und förderte die Tuch-
macherei auf jede Weise. Das Jahr 1718 bildete einen Wende-
punkt für die schlesische Tuchindustrie; es brachte ein neues Zoll-
mandat, ein Tuchreglement und eine Tuchpolizeiordnung. Ersteres
begünstigte die Entwicklung der Gewerbe durch Einführung des
Merkantilsystems823). Das Tuchreglement ordnete den Verkauf
der Wolle, die Fabrikation der Tuche, die Technik des Webens
und Walkens, die dreifache Schau (für rohe, gewalkte und appre-
tierte Tuche); die Tuchpolizeiordnung schrieb der schlesischen Be-
völkerung den ausschließlichen Gebrauch einheimischer Tuche vor,
nur die höheren Stände waren davon ausgenommen. Der Erfolg
der staatlichen Maßnahmen zeigte sich erst nach geraumer Zeit.
Im Jahre 1720 klagten die Lübener Tuchmacher824) und Tuch-
händler über schlechten Geschäftsgang und suchten die Ursache
hierfür in dem zu hohen Ausfuhrzoll. Sie fanden Unterstützung
bei dem Tuchinspektor Alde, der ebenfalls den allgemeinen Rück-
gang des Tuchhandels konstatierte; es bestände eine allgemeine
Depression, die Tuchpreise fielen von Jahr zu Jahr, und die
Kaufleute müßten sich mit sehr geringem Profit begnügen und
obendrein den Lieferanten Kredit gewähren. Zudem war ein
Tuchkaufmann gelegentlich allerlei Unbilden ausgesetzt. Am
8. Januar 1733 ließ der Truchseß von Podolien825) Anton von
Radonsky den Lübener Tuchinspektor Christian Kretschmer in
einem Walde durch Bewaffnete überfallen, nach dem Schlosse
Pascow bringen und dort solange in Gewahrsam halten, bis er
1500 Imperialen für eine Schuld des Lübener Kaufmanns Gott-
fried Kretschmer erhalten hatte.
Allmählich hob sich die Produktion. Das Lübener Tuch-
machermittel verfertigte auf ca. 60 gehenden Stühlen 1728:
2537 Stück; 1734: 2370; 1735: 2695; 1736: 2937; 1738: 2511.
Die Zahl der Tuchmacher betrug 1732: 170. Die Regierung
wünschte aber auch, daß bessere Tuchsorten, die meist vom Aus-

823 Das Merkantilsystem beruht auf dem Prinzip der Erschwerung
der Ausfuhr von Rohstoffen und der Einfuhr von Fabrikaten, sowie
umgekehrt der Erleichterung der Einfuhr von Rohstoffen und der Aus-
fuhr von Fabrikaten.
824 Staatsarchiv Rep. 28 I 8 e. Acta betr. Verzollung der außer
Landes gehenden Lübener Schipptücher.
825 Staatsarchiv Rep. 28 O. A. Lüben XII.