Zum Gesamtüberblick Zur vorigen Seite Zur nächsten Seite Zur letzten Seite (Inhalts- und Abbildungsverzeichnis)
Konrad Klose, Geschichte der Stadt Lüben, Verlag Kühn Lüben, 1924, S. 420/421
- 420 -


XVI. Kapitel

Skizzen und Bilder aus der Vergangenheit



1. Hoher Besuch852).
Man schrieb 1824. In Schlesien wurde König Friedrich
Wilhelm III. mit den königlichen Prinzen zur Besichtigung des
V. und VI. Armeekorps erwartet. Zum ersten Male sollte die
jugendliche Kronprinzessin Elisabeth die schlesischen Lande sehen.
Aus diesem Grunde wünschte der König besondere Feierlichkeiten
und Freudenbezeugungen. In Lüben sollte die Prinzessin am
1. September eintreffen. Nun galt es ein Programm zu ent-
werfen, das der Genehmigung an höchster Stelle sicher war.
Glockengeläut, Blasen vom Turm und andre Musik, Böllerschüsse,
Ehrenpforten, weißgekleidete Jungfrauen, Paradieren der Schützen-
gilde u. a. mehr wurde vorgesehen und auch genehmigt; nur die
Böllerschüsse wurden dankend abgelehnt, um nicht unliebsame
Zwischenfälle mit den Pferden zu riskieren. Alsbald begann ein
emsiges Schaffen und Vorbereiten. Zuerste mußte der Rektor
Schuster fertig sein; er hatte die Widmungsinschriften für die
Ehrenpforten und das Begrüßungskarmen zu verfassen, das leider
der Nachwelt nicht erhalten geblieben ist. Auf hellblaues Atlas-
band gedruckt, sollte es der Kronprinzessin überreicht werden.
Inzwischen wandte sich der Magistrat an die Demoiselles und
Fräuleins der Stadt mit dem Ersuchen, sich an dem Empfange zu
beteiligen. Etwa 20 junge Damen sagten zu; Frl. von Wins, die
Tochter des Regimentskommandeurs, sollte das Gedicht vortragen
und auf einem silberbordierten Atlaskissen überreichen. Die andern
Töchter der Stadt wanden Kränze und Blumengewinde. Indes
war das Spannen der Girlanden nicht ganz einfach; die Häuser
waren niedrig, die fürstlichen Reisewagen hoch. Daher hatte die
sorgsame Polizei darüber zu wachen, daß die Blumengehänge
nicht zum Verkehrshindernis wurden. Aber noch anderes wollte
bedacht sein. Die Schützengilde mußte Weisung haben, am Ein-
zugstage die Hauptwache zu stellen, die Posten an den Toren zu
besetzen, die Ehrenwachen zu übernehmen und für die Aufrecht-

852 Erschienen im Kalender des Lübener Stadtblattes 1911 (mit
Kürzungen).
- 421 -

erhaltung der Ordnung zu sorgen. Die Bürgerwehr erhielt die
Aufforderung, mit Ober- und Untergewehr gewappnet, zur Spalier-
bildung zu erscheinen. Dem Postdirektor Rüdiger waren
6 Mann zum Waschen und Schmieren der Wagen zu stellen. Der
Landrat von Nickisch hatte auch allerlei Wünsche. Er schärfte das
Verbot ein, Bittschriften in den Wagen zu werfen, monierte den
Zustand der Straße bei dem städtischen Kämmereidorf Lüben-
walde, wo der revidierende Beamte Löcher entdeckt hatte, machte
darauf aufmerksam, daß am Einzugstage kleine Kinder sich nicht
ohne Aufsicht auf der Straße umhertreiben, größere Kinder in
gehöriger Entfernung gehalten, Hunde eingesperrt werden müß-
ten, Dünger nicht gefahren werden dürfte u. dergl. mehr. Das
alles wurde auf den Straßen nach vorangegangenem Klingeln
Groß und Klein vorgelesen. Inzwischen baute Tischler Barth
am Glogauer und Liegnitzer Tore gar kunstvolle Ehrenpforten
mit Säulen und Emblemen, die von dem Maler Koch nicht minder
kunstvoll angestrichen wurden. Daran wurden primitive Lämpchen
in großer Zahl befestigt. Zur Vorsicht postierte man Nachtwächter
an den Bauwerken, um Schaden zu verhüten.
Endlich nahte der festliche Tag. In den Nachmittagsstunden
sammelten sich geladene und ungeladene Gäste auf der Einzugs-
straße zum Empfange der Prinzessin. Weit draußen auf der
Polkwitzer Straße hielt der Knecht Großmann, um rechtzeitig die
Annäherung des Wagenzuges zu melden. Gegen 3 Uhr kam er
angesprengt mit der Botschaft, daß die Wagen in Sicht seien.
Glockengeläut setzte ein; die Kronprinzessin nahte. Den Empfang
möge uns ein Bericht der "Schlesischen Zeitung" schildern, dessen
ungenannter Verfasser der Landrat war.. Er lautet: "Als die
Nachricht von der nahe bevorstehenden Ankunft Ihrer Kgl. Hoheit
der Kronprinzessin von Preußen in Lüben bekannt wurde, beschloß
der Kreislandrath, Kammerherr von Nickisch, die Hohe Frau auf
möglichst feierliche Weise zu empfangen, und forderte den Stadt-
magistrat zur deshalbigen Theilnahme auf. Da, wo die Chaussee
die ersten Häuser der Glogauer Vorstadt berührt, ohnweit dem
landräthlichen Amte, an einem von freundlichen Gebäuden um-
gebenen Platze, wurde eine mit Grün bekleidete Ehrenpforte
errichtet, auf deren höchstem Punkte ein Adler, die Palme des
Friedens haltend, auf Fahnen ruhte. Unter ihm auf einem
Medaillon, dessen schimmerndes Weiß und Hellblau, als bayerische
Nationalfarben, angenehm aus dem Grün hervortrat, sprachen
nachstehende Worte die Durchlauchtigste Reisende an:
Ganz gestützt auf Deine Huld und Gnade,
Wagen wir es, heute auf Deine Pfade
Eine Blume ehrfurchtsvoll zu streu'n;
Und beim ersten fröhlichen Begrüßen
Bitten wir, laß uns das Glück genießen,
Deiner Huld, Elise, uns zu freu'n.