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Zu beiden Seiten, etwas tiefer, bemerkte man, auf rothem
Kissen liegend, zwei strahlende Kronen. Das Ganze wurde von
vier, mit Eichenlaub umwundenen dorischen Säulen getragen.
Hier nun versammelte sich zum Empfange Ihrer Kgl. Hoheit
der Kreislandrath mit einem Theile der Landstände, die Geist-
lichkeit beider Konfessionen, die städtischen Behörden und eine
Anzahl weißgekleideter Mädchen. Die Bürgerschaft bildete zu
beiden Seiten der Straße ein Spalier. Um 3 Uhr nachmittags
kam Höchstdieselbe an, erwiderte huldvoll die kurze Bewillkomm-
nungsrede des Landraths und geruhte ein Gedicht entgegenzu-
nehmen, welches Höchstihr von Frl. von Wins auf einem Kissen
übergeben wurde. Die Straßen der Stadt lichen einem grünen-
den Garten; von Haus zu Haus waren Blumengehänge gezogen,
und so begleitete Höchstsie der Jubel der Einwohner und das
Geläut der Glocken bis zu dem Gasthofe zum Grünen Baum, wo
Ihre Kgl. Hoheit abtraten, und ein von dem Landrath in Folge
Auftrags des Herrn Hofmarschalls von Massow veranstaltetes
Diner einzunehmen geruhten. Der Besitzer des Gasthofs hatte
es sich angelegen sein lassen, die möglichsten Vorkehrungen zur
würden Aufnahme der Hochgefeierten zu treffen, welche die
höchsten gegenwärtigen Personen zur Tafel zu ziehen geruhte
und nach einem Aufenthalte von 2 Stunden die Reise nach
Breslau, bis an die Kreisgrenze von Landrath von Nickisch be-
gleitet, weiter fortsetzte. Am entgegengesetzten Thore der Stadt
war eine zweite Ehrenpforte im gothischen Geschmack errichtet,
welche mit folgenden Worten von der Hohen Reisenden Abschied
nahm:
Unsern Blicken wirst Du zwar entzogen,
Doch, Erhabne, unserm Herzen nicht,
Und es strahlt, bleibt uns das Glück gewogen,
Uns noch oft des heut'gen Tages Licht.
Die innigsten Wünsche begleiteten Ihre Kgl. Hoheit, die durch
Ihre Huld alle Herzen für sich gewann. Möge Höchstsie noch lange
der Stolz der preußischen Nation sein, die an ihrem Königshause
mit fester unerschütterlicher Treue hängt."
Alles war befriedigt und beglückt. Die huldvollen Blicke,
mit denen die Prinzessin bei der Ankunft wie bei der Abreise, die
wogende Menge begrüßte, weckten allgemeines Entzücken. Der
Landrat drückte den städtischen Behörden seinen Dank für die
tätige Anteilnahme aus, mit der sie ihn bei den Anordnungen
der Empfangsfeierlichkeiten unterstützt hätten. Insbesondere habe
er im Auftrage der Kronprinzessin deren lebhaften Dank auszu-
sprechen. Sie habe hinzugefügt, "daß Sie die Beweise der treuen
Anhänglichkeit nie vergessen würde, mit welcher die Behörden
sowie die Bewohner der Stadt Lüben Ihr entgegengetreten
wären". |
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So war der Festtag vorübergegangen, und das unvermeidliche
Nachspiel konnte beginnen. Der bittere Tropfen, welcher in die
Freude fiel, war jener Bericht in der "Schlesischen Zeitung". Die
städtischen Körperschaften waren verschnupft, daß sie darin lediglich
als Staffage behandelt worden waren, während der Landrat
als der eigentliche "Macher" erschien. Sie richteten deshalb an
ihn eine Zuschrift des Inhalts: "Da wir aus den öffentlichen
Zeitungen entnehmen, daß wir zu den veranstalteten Empfangs-
feierlichkeiten nur "zugezogen" worden sind, so können wir daher
auch nicht mehr, als wie gewöhnlich der Fall gewesen, zu den
Gesamtkosten mit einem Zehntel von seiten der Stadt konkurrieren
und müssen daher Ew. Hochwohlgeboren die fernerweiten geneig-
ten Veranlassungen hiermit gehorsamst anheimstellen". Der
Landrat geriet darob in hellen Zorn und sandte den städtischen
Behörden ein geharnischtes Schreiben. Im Eingange erklärte er,
daß es ihm ferngelegen hätte, der Stadt die Kosten aufbürden
zu wollen, und fuhr dann fort: "Wenn aus dem Schreiben der
städtischen Behörden hervorgeht, daß dieselben durch die Zeitungs-
insertion, zu welcher ich von Breslau aus aufgefordert wurde,
sich zurückgesetzt fühlen, so muß ich dieselben erstens darauf hin-
weisen, daß sie sämtlich ihre Stellung zu mir vergessen zu haben
scheinen, und Trotz die Sprache der untergeordneten Personen
nie sein darf; zweitens mein bisheriges Handeln Ihnen wohl
gezeigt haben dürfte, daß es meine Sache nicht ist, mich mit
fremden Federn zu schmücken, sondern daß ich ehrendes Verdienst
da anerkenne, wo immer ich es finde". Zum Schlusse rügte er
nochmals "den ungebührlichen Trotz und das vorgreifende Ge-
bahren", verfügte, dies Schreiben sämtlichen Unterzeichnern der
Eingabe vorzulegen, und forderte die Einreichung der Liquida-
tionen über die entstandenen Kosten.
Wohl oder übel mußte man die bittere Pille schlucken, aber
ein Trost war geblieben: Man konnte liquidieren. Nun begann
ein fröhliches Rechnungsschreiben im Städtlein; jeder setzte auf,
was nur irgendwie berechnet werden konnte. So hatte man es
schon 1813/14 gemacht, als für die königliche Familie Quartier
gestellt werden mußte. Da hatte mancher die Rechnungen für
gepolsterte Sofas, aufpolierte Möbel, umgesetzte Öfen usw. der
Schatullenverwaltung in Berlin präsentiert, aber freilich wenig
Gehör gefunden. Nach diesem Rezept verfuhr man auch jetzt.
Nur der Rektor Schuster verzichtete darauf, die Kinder seiner
Muse in Gelde zu bewerten. Er erhielt anscheinend nichts, -
nicht darum, weil man sein Karmen als minderwertig taxiert
hätte, sondern aus dem einfachen Grunde, daß es an Geld fehlte.
Die Gesamtkosten beliefen sich auf 135 rtl. 25 sgr. 7 Pf. Der
Landrat war über ihre Höhe entsetzt; er ahnte, daß bei den Kreis-
ständen wenig Neigung vorhanden sein würde, entsprechend den
gesetzlichen Bestimmungen neun Zehntel der Summe zu über- |