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nehmen. Daher suchte er zunächst, Abstriche zu machen. Die Kosten
der Ehrenpforten und besonders des Atlaskissens, für das die
Witwe Stark 10 rt. forderte, fand er übertrieben. Ferner hatte
sein scharfes Auge entdeckt, daß von den Lampen der Ehrenpforte
am Liegnitzer Tore 37 Stück nicht angezündet gewesen waren.
Das Faktum konnte nicht bestritten werden, wurde aber damit
entschuldigt, daß, wie Versuche ergeben hätten, es unmöglich ge-
wesen wäre, die Lampen anzuzünden, da sonst die Ehrenpforte
zusammengebrochen wäre. Übrigens hatte man den Betrag bereits
abgezogen. Auch die andern Versuche, die Summe zu verringern,
mißlangen; die Handwerker schworen hoch und teuer, daß sie von
ihren Forderungen nichts nachlassen könnten. Der meistbietende Ver-
kauf der verwandten Materialien wird kaum einen nennenswerten
Erlös gebracht haben. So stritt man hin und her; die Stadt
weigerte sich hartnäckig, einen höheren Beitrag zu gewähren. Der
Kreis mußte schließlich zahlen, obwohl einige Herren, besonders
ein später im ultrademokratischen Fahrwasser segelnder Magnat,
erklärten, sie hielten sich nicht für verpflichtet, "diejenigen Dank-
sagungen und ehrende Anerkennung der hohen Königlichen Per-
sonen, welche der Bürgerschaft zu Lüben und deren Vorgesetzten
zuteil geworden, mit neun Zehntel von Seiten des Kreises zu be-
zahlen". - Nach Jahr und Tag war die Deckungsfrage gelöst; die
Handwerker hatten ihr Geld; der Ärger war verraucht; die Episode
des Besuchs der Kronprinzessin gehörte der Geschichte und dem
Aktenschranke an. -
2. Das Jahr 1848.
Das Revolutionsjahr, welches in den Großstädten verheerende
Unwetter heraufbeschwor, brachte es in den Landstädten wie Lüben
nur zu kleinen Stürmen im Glase Wasser. Sie genügten, um
die etwas schwüle, vormärzliche Atmosphäre zu reinigen, um dem
Ärger manches Bürgerherzens die notwendige Entladung zu
schaffen, und um reformbegierigen Geistern den Genuß zu be-
reiten, gegen wirkliche und vermeintliche lokale Mißstände vom
Leder ziehen zu dürfen.
Man lebte friedlich und beschaulich im Städtlein während
der vierziger Jahre und war mit kleinem zufrieden, da man von
hoher Politik nur wenig erfuhr und noch weniger verstand. Wenn
Wegebaumeister Schäffer 1844 einen Armenunterstützungsverein
und Redakteur Ende einen Verein gegen das Hutabnehmen grün-
deten, und wenn 1845 die alten Bäume am Pfeffergraben fielen,
so boten diese bescheidenen lokalen Ereignisse Gesprächsstoff genug
für die Stammtischrunden. Lebendiger wurde das Interesse für
die großen Zeitfragen, als Johannes Ronge zur Bildung einer
deutschkatholischen Kirche aufrief und auch in Lüben eine christ-
katholische Gemeinde entstand. Ihr erstanden viele Gönner und
Freunde, freilich auch erbitterte Gegner. An den Biertischen und |
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an den Straßenecken wurde lebhaft debattiert. Die Katholiken
höhnten, der Pfeffergraben sei ein passender Ort, wo die christ-
katholischen ihre Kinder taufen und ihre Toten begraben könnten;
und der, welcher dies geschmackvolle Diktum kolportierte, bemerkte:
"So wie dieser Vogel, singen auch andere". - Der Kleinstädter
bedarf der Abwechselung; das Jahr 1847 brachte sie den Lübenern
in Hülle und Fülle. Am 25. Dezember 1846 kündigte das
"Kommunal- und Intelligenzblatt" in Liegnitz, ein Beiblatt der
dortigen "Silesia", eine Serie von Artikeln an, die sich unter dem
Titel "Mysterien von Lüben" mit der städtischen Skandalgeschichte
beschäftigen sollten. Die Überschriften der 8 Kapitel lauteten:
1. Ein Weihnachtsabend. 2. Frau Cotillon und die Zwerge. 3. Der
Mord im Altroder Walde und die Diebeshöhle. 4. Der Pascha
und die Odaliske. 5. Die Klatschbasen. 6. Meister Amand Flam-
beau. 7. Der Herr Gregorius und sein College. 8. Zwei
Bürger und doch Bürgerfeinde. Nur die ersten vier Kapitel
erschienen, vermutlich verhinderte die Zensur die Fortsetzung.
Kapitel 6 kehrte unter der Überschrift "Meister Amand, der
Katzenfänger" wieder. Im ersten Kapitel wird der Weihnachts-
abend einer vornehmen Dame und ihrer Tochter geschildert, welche
50 Armen eine Bescherung veranstalten, während bei dem reichen
aber geizigen Kaufmann Kloßmann am Ringe trotz der kostbaren
Weihnachtsgeschenke der heilige Abend unter Zank und Streit
verläuft. Kapitel 2 schildert eine Episode im Schießhausgarten,
wo ein dem Trunk ergebener aber streng katholischer Bürger seine
Frau beim Rendezvous mit einem jungen kleinen Herrn über-
rascht und den Liebhaber mit Pfannenkuchen bombardiert. Im
dritten Kapitel wird von einem Verbrecherehepaar aus "Warm-
wasser" erzählt, das bei "Altrode" einen Schachtmeister umgebracht
habe. Die Tat sei ungesühnt geblieben. Das Ehepaar habe sich
dann in der Steinauer Vorstadt in Lüben niedergelassen; sein
Haus sei eine wahre Diebeshöhle. Kapitel 4 berichtet von den
Liebesabenteuern eines Herrn Kindermann, der sich eine Art
Harem anzulegen gedachte, jedoch von der gefangenen Odaliske
betrogen wurde. In Kapitel 6 wird ein sehr fromm-sein-wollen-
der Bürger bloßgestellt, der Katzen fängt und verspeist und aus
den Fellen sich einen stattlichen Pelz hat fertigen lassen.
Die Artikel erregten in Lüben Sensation; es regnete Proteste,
Erwiderungen usw. Bald hatte man den, bald jenen als Ver-
fasser in Verdacht, und die Betreffenden mußten sich energisch
gegen solche Nachrede wehren. Zum Glück mußte man sich bald
mit andern Dingen befassen; 1847 war ein Teuerungsjahr. Die
Preise der Lebensmittel stiegen enorm, der Sack Roggen wurde
im März mit 8, 9 1/2 und 10 rtl. bezahlt; die Arbeitslosigkeit war
groß, überall traf man bleiche abgemagerte Gestalten. Der
Magistrat suchte der Not durch Geldunterstützung, Verabreichung
von Holz und Lebensmitteln zu steuern. Auch von privater Seite |