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Konrad Klose, Geschichte der Stadt Lüben, Verlag Kühn Lüben, 1924, S. 426/427
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geschah viel; zwei Frauenvereine traten ins Leben, der eine ver-
teilte wöchentlich mehrere Male Suppenrationen, der andere
erzielte durch Verlosungen, Liebhabervorstellungen u. dergl. Ein-
nahmen, die zur Linderung der Not verwandt wurden. Aber vor
der Ernte war auf kein Nachlassen der Teuerung zu rechnen. Mitte
Juni kostete der Sack Korn 11 rtl., die Butter war von 5 auf 9 sgr.
gestiegen. Leider fehlte es nicht an wucherischer Ausbeutung der
Notlage, ein angesehener Kaufmann verkaufte Kartoffeln mit
falschen Maßen, von etlichen Bauern behauptete man, daß sie
Getreide vergraben hätten, um den Preis noch höher zu treiben.
So häufte sich viel Bitterkeit in den Herzen an, zumal, wie die
Silesia berichtet, der Luxus in den wohlhabenden Lübener Kreisen
recht groß war.
Am 22. Februar 1848 brach in Paris die Revolution aus.
Es war, als sei ein Funke in das Pulverfaß gefallen; überall
züngelten die Flammen empor, und der Freiheitstaumel ergriff
auch die spießbürgerlichen Kreise der Kleinstadt. In Lüben machte
sich Pastor Burkmann zum Propheten der neuen Zeit; er kündigte
für den 19. März eine Predigt über das Thema an: "Das Ver-
halten des Christen in unruhevoller Zeit", nach Psalm 33, 16-22.
Große Wirkungen hat er schwerlich damit erzielt. Am nächsten
Tage berieten die Stadtverordneten über "die Beschäftigung der
armen Bürger und sonstigen Proletarier". Man beschloß, 1000 rtl.
für Notstandsarbeiten auszuwerfen und die Wasserpromenade
auszubauen. Die Ereignisse in Berlin ließen die Erregung steigen.
Wegebaumeister Schäffer und Justizverweser Wantke riefen zur
Unterstützung der Hinterbliebenen der Märzgefallenen auf; der
Magistrat bildete eine Bürgerwache, die neuen Nachrichten aus
Berlin wurden mit Jubel aufgenommen, die Stimmung war
gehoben; schwarzrotgoldene Freiheitsbänder waren beim Glaser
Warmbrunn zu haben, Freiheitsgedichte - gut gewollt, aber
schlecht geraten - lieferten den Beweis dafür, daß ein politisch
Lied ein garstig Lied ist.
Auf dem Lande war es inzwischen zu stürmischen Auftritten
gekommen, sogar Militär hatte gelegentlich eingreifen müssen.
Der radikalgesinnte Graf Dohna gab den Forderungen der
Rustikalen nach und verzichtete auf Roboten, Laudemien und
Patrimonialgerichtsbarkeit, erschwerte aber damit die Stellung
der andern Großgrundbesitzer. Diese veröffentlichten eine Er-
klärung ihrer Anhänglichkeit an den König, von dem sie die
Erfüllung aller billigen Hoffnungen erwarteten. Ihnen schlossen
sich 25 Gemeinden des Kreises mit einem Protest gegen die an-
maßenden Forderungen der Demokratischen Partei und mit der
Aufforderung zur Treue gegen König und Vaterland an. - In
der Stadt fehlten die Mißstände, unter denen vielfach die Land-
leute seufzten, drum blieb man hier ruhig. Nur die Teuerung
und Arbeitslosigkeit wirkten noch nach und riefen einen Butter-
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krieg hervor, weil die Bauernfrauen die Preise hochhielten. Der
Polizeidiener Rothkirch wollte sie zwingen, billiger zu verkaufen.
Als das nicht gelang, riß man ihnen die Butter aus den Körben
und verübte allerlei Unfug. Aber man vertrug sich wieder, Stadt
und Land mußten zusammenhalten.
Eins hatte bisher im Städtlein gefehlt, die Volksversamm-
lungen. Diesem Bedürfnisse ward abgeholfen, zumal es die
wärmere Jahreszeit erlaubte, im Freien zu tagen. Am 19. April,





abends 6 Uhr, fand die erste Volksversammlung in den Schieß-
hausanlagen statt. Redner war Wegebaumeister Schäffer,
der stark den Demokraten markierte und die Regierung aufs
gröblichste angriff und verdächtigte. Sein Debüt bekam ihm
übel. Der Kreissteuereinnehmer Ling, ein königstreuer Mann,
hielt ihm in einem Stadtblattartikel vor, seine Rede, aus allerlei
Druckschriften zusammengestoppelt und stotternd vorgetragen, hätte
nur den Zweck gehabt, die Volksklassen gegeneinander aufzuhetzen.
Wenn die Regierung so schlecht sei, wie Schäffer behauptete, warum