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Konrad Klose, Geschichte der Stadt Lüben, Verlag Kühn Lüben, 1924, S. 158/159
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1701 taufte Avian von 126 Kindern 77, während 49 auswärts, in
Zedlitz, Seebnitz, Ossig, Brauchitschdorf, Groß-Krichen, Oberau und
Schlichtingsheim getauft wurden. Wenn aber Avian dazu be-
merkte: "Gott des Friedens bekehre die verwirrten und halsstarri-
gen Gemütter", so hat er die Erfüllung dieses Wunsches nicht
erlebt, obgleich er durch Anzeigen und Strafanträge bei dem Lan-
deshauptmann der Bekehrung seiner Kirchkinder energisch nachzu-
helfen versuchte. Bis in den Sommer 1702 fand regelmäßig
Strafmeldung der auswärts Taufenden statt540), später erfolgte
sie gelegentlich, wenn Avian es für nötig hielt, ein Exempel zu
statuieren. So richtete er am 20. Juli 1703 eine Eingabe nach
Liegnitz mit dem Ersuchen, diejenigen zu bestrafen, "die mit den
neugebornen Kindern neulich excurrirten". Er erinnerte weiter-
hin "an die unterschiedlichen Klagen wider die lübnisch eingepfarr-
ten wegen anderswohin zur Taufe geschleppten Kinder", die er
habe führen müssen, und bemerkte, "daß die Vermessenheit bey
denen lübnisch eingepfarrten nunmehro mit den neugebohrnen zu
excurriren, hefftig überhandt nimmbt, da gantz neulich (wie bey-
gelegte Copey zeigt) mit ihren neugebohrnen Kindern zu den un-
befugten luthrischen Wortsdienern zur Tauffe außgeloffen". Er
beantragte, "die annotirten freventlichen excursores mit einem
wohlempfindlichen Geldtgeben oder Thurmarrest zu bestrafen,
damit andere hinfüro von dergleichen illicitis excursionibus (un-
erlaubten Abwegen) möchten abgehalten werden". Die beigelegte
Liste lautet:
Verzeichnis derer, so ihre neugeborenen Kinder neulich zu
den Prädikanten zur Tauffe geführet. Alß
Unter der Lübnischen Stadt-Jurisdiktion:
Christian Bergmann, Bürger und Schuemacher
Christian Pischel, Bürger und Becker
Hans Kliem, Tagearbeiter vorm glogischen Thor
Andreas Mehl, Tagearbeiter vrm glogischen Thor.
Unter des Königlichen Rentamts:
Gottfried Lippert, Bürger und Tuchmacher
Johann George Fiedler, Bürger und Tuchmacher
Gottfriedt Thiele, ein Häußler zu Mallmitz
Unter Herrn von Kreckwitz:
Christian Streit, ein Bretschneider zu Kniegnitz.
Unter Frau von Schafin:
Martin Rasper, Vogt zu Zübendorf.
Irgendwelchen Erfolg hat Avian mit seinem Vorgehen nicht
erzielt. 1702 fanden in Lüben 61, auswärts 46 Taufen statt;
1703 in Lüben 46, auswärts 85; 1704 in Lüben 20, auswärts 107;
1705 in Lüben 11, auswärts 101; 1706 in Lüben 20, auswärts 122;

540 Vermerk im Taufregister vom 5.7.1702, 'usque huc accusati
sunt apud officium regium'.
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1707 bis 27. November in Lüben 12, auswärts 100. Die meisten
der in Lüben getauften Kinder waren unehelich geboren.
Die Einsegnung der Wöchnerinnen erfolgte in der Stadt, nur
vereinzelt wurde sie von Müttern verweigert. Allmählich bildete
sich ein gewisser modus vivendi (eine Art und Weise, miteinander
auszukommen) heraus. Der Pfarrer erhielt die Gebühren und
die notwendigen Angaben zur Vervollständigung der kirchlichen
Register, erhob aber keine Einwendungen mehr gegen auswärtige
Taufen. Gelegentlich wies er wohl lutherische Paten zurück, oder
er machte seinem Ärger durch grimmige Bemerkungen über den
"bösen Prädikanten von Ober", den "pseudominister" (Lügen-
diener) Johann Heinschke und sein "Prädikantenweib" Luft, aber
im großen und ganzen hörten die Reibungen bei der Vornahme
der Amtshandlungen je länger je mehr auf. Die Trauungen und
Beerdigungen wurden fast ausnahmslos von Avian gehalten, nur
der Wirtschaftsbeamte George Lehmisch in Kniegnitz ließ sich in
Schlichtingsheim trauen, was Avian umsomehr kränkte, als jener
aus einer katholischen Mischehe stammte. "Nullus adhuc ita rebellis
nisi hic ultimus" ("Keiner bisher war so widerspenstig als gerade
dieser letzte"), schrieb ihm der Pfarrer in das Nationale. Als
man im Herbste 1707 mit der Rückgabe der Kirche rechnen konnte,
kamen wiederholt auswärtige Trauungen vor.
Lebhafte Unruhe rief in der Stadt "die gantz fremde und
neue Einführung" der Weihe der Kirchhofpforte hervor, die Avian
unter großen Zeremonien vornahm. Zugleich ließ er dabei katho-
lische Embleme an der Pforte anbringen und beauftragte den
Nachtwächter mit ihrer Bewachung, da er wohl einen Gewaltakt
fürchtete. Alsbald erging eine Beschwerde an den Landeshaupt-
mann, in der auf das Kränkende dieses Vorgehens hingewiesen
und die bissige Bemerkung gemacht wurde, man könne von dem
Nachtwächter nicht verlangen, daß er auch des Tages wache.
Gelegentlich rächte sich freilich auch Avian an seinen Gegnern.
Herrn Wolf-Heinrich von Schkopp auf Koslitz und Guhlau zog
er vor Gericht, weil er den Feiertag Mariä Verkündigung durch
Feldarbeit entheiligt hatte. Gegen den Magistrat und die ein-
gepfarrten Herrschaften erhob er Beschwerde wegen der Vorent-
haltung der Festoffertorien. Entweder sollten die Opfer an den
drei ersten Feiertagen und am Kirchweihfeste in der Kirche
prästiert oder bei den Zünften bezw. von den Scholzen bei den
Dorfinsassen eingesammelt werden. Auch die Opfer bei den
Kasualien müßten unweigerlich gezahlt werden. Die Beklagten
wandten die schon mannigfach erprobte Taktik des Verschleppens
an, ließen die anberaumten Termine verschieben, brachten immer
neue Gegengründe vor und erreichten damit, daß der letzte Termin
durch den Durchmarsch der schwedisch-polnischen Truppen vereitelt
und die Sache fallen gelassen wurde.