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Konrad Klose, Geschichte der Stadt Lüben, Verlag Kühn Lüben, 1924, S. 232/233
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berechnen müssen. Es wird also nicht zu hoch gegriffen sein,
wenn Rektor Schuster die Zahl der in und bei Lüben einquartier-
ten Truppen auf 8000 schätzte.
Zur besseren Eingewöhnung und Ausbildung der jungen
Soldaten befahl Napoleon, daß die verschiedenen Korps während
des Waffenstillstandes nicht Kantonnements sondern Lager be-
ziehen sollten. Der Division Marchand wurde das Terrain nörd-
lich der holländischen Windmühle zwischen Mallmitz und der alten
Glogauer Straße zugewiesen646). Am 20. Juni begannen die
Badenser die Errichtung der Lagerbaracken. Sie sollten den rechten
Flügel der mit der Front nach Mallmitz gerichteten Anlage bilden.
Täglich kam ein Offizier mit 50 Mann aus den Kantonnements,
um den Lagerbau zu fördern. Bereits am 26. konnte die Brigade
ihre neue Behausung beziehen. Am gleichen Tage trafen die
Glogauer Zimmerleute der dortigen Kompagnien ein, um für
diese die erforderlichen Baracken zu errichten. Obgleich die aus
dem Festungsdienst kommenden Leute in dieser Arbeit wenig
geübt waren und sich von ihren Kameraden manche ergötzliche
Zurechtweisung gefallen lassen mußten, waren die Gebäude für
die Nachzügler doch am 28. soweit vollendet, daß sie am andern
Tage bezogen werden konnten. Nur das Pfnorsche Detachement
mußte in Lüben und Mallmitz untergebracht werden, bis es sein
dauerndes Unterkommen fand.
Ein unbekannter Offizier des Infanterie-Regiments Nr. 1
hat uns folgende Beschreibung des Lagers, besonders des badischen
Teils, aufbehalten647): "Das Lager der 39. Division war im
Wesentlichen nach dem französischen Reglement konstruiert. Seine
ausgezeichnete Regelmäßigkeit, Reinlichkeit und Bequemlichkeit
sowie seine geschmackvolle Verzierung, die einen Lusthain dar-
stellte, verdankte es der unermüdlichen Tätigkeit, dem zarten
Sinn für edle und gesellige Freuden und der pekuniären Frei-
gebigkeit seines Schöpfers, des Kommandierenden der Großherzl.
Bad. Brigade, Generalmajors Frhr. von Stockhorn. Die Front
gegen Morgen, lehnte das Lager mit seinem rechten Flügel an
den Lübener Windmühlenhügel in der Nähe eines mittelmäßigen
Pravin und eines mit frischem Wasser immer versehenen Mühl-
bachs nordöstlich der Glogauer Straße, welche Terraingegenstände
hinter der Front fast der ganzen Länge nach ausgedehnt sind.

646 Die Windmühle stand hinter dem Grundstück Kasernenstraße 8,
wo sich im Hofe das alte Mühlengebäude noch befindet. Das Lager
befand sich zwischen dem Bahndamm und Mallmitz; der Übungsplatz
lag am Dorfe; die südliche Grenze bildete die Straße an den Scheunen
bezw. die Bredowstraße; die nördliche Grenze dürfte in der Nähe der
Schloßmühle gelegen haben.
647 Beiträge zur Geschichte des Großherzogl. Badischen 1. Linien-
Infanterie-Regiments. Handschrift 1632 des Großherzogl. Badischen
General-Landesarchivs.
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Eine bedeutende Ebene, in welcher auf dem linken Flügel ein aus-
gedehnter Wald und etwa in der Mitte der Frontlinie das Dorf
Mallmitz lag, umgab das Ganze. Der benachbarte Kiefer- und
Tannenwald lieferte die nötigen Giebelrippen und Stangen für
die Baracken, sowie stärkeres Holz für die Offizierswohnungen,
auch war die Gegend mit einem reinen Roggenstroh zu einer
guten und eleganten Bedachung versehen. Da endlich die Lieb-
haberei an Blumen und Ziergewächsen den Anbewohnern eigen
war, so hielt es nicht schwer, den Windmühlenhügel zu einem
Tempel zu verzieren, dadurch zu einem Belvedere einzurichten
und dieses mit einer Pflanzung, wie von Gärtnerhand geordnet,
zu umgeben.
Auf gleiche Weise hatten die hessischen Kameraden ihrem
beliebten Prinzen Emil in der Brigade-Intervalle eine bewohn-
bare Anlage zustande gebracht. Jede Offizierswohnung hatte
einen Blumengarten oder kühlendes Gebüsch zur Seite. Die
Gewehrpyramiden waren durchgehends in langen grünen Straßen
so errichtet, daß ihre Grundlagen ausgestochene, mit Sand aus-
gefüllte Kreisflächen bildeten. Auch waren alle Baracken mit
Rosenbodüren gefaßt, und da besonders das 1. Regiment das
Land kannte, wo die Orangen blühen, so wurde das nicht ferne
Frauenkloster veranlaßt, auch seine Blüten dem Lager zu leihen".
Die Hessen begannen den Lagerbau am 22. Juni. Alle
Sappeurs und je 12 Mann der drei Regimenter wurden zum
Fällen und Heranschaffen des Holzes kommandiert. Bald wurde
größere Beschleunigung der Arbeiten anbefohlen, infolgedessen
wurden außer den Sappeurs täglich ein Offizier mit 80 Mann
pro Bataillon heranbeordert. Die Holz- und Strohzufuhr erfolgte
durch Artillerie- und Trainpferde. Die Wände der Baracken
wurden aus Holz aufgeführt und mit Lehm beworfen, das Dach
aus Stroh hergestellt. Jede Giebelwand erhielt ein Fensterloch.
Die Tür öffnete sich nach der Kompagniegasse. Am 28. Juni
konnten die Truppen einrücken. Die Regiments- und Bataillons-
kommandeure erhielten Erlaubnis, sich im Mallmitz einzuquar-
tieren. Die Artillerie blieb in Altstadt, Ossig und Klaptau. Die
Truppen sollten laut höherem Befehl in Schlachtordnung lagern,
daher erhielten die Füsiliere ihren Platz neben den Badensern,
es folgten das Leibgarderegiment und das Leibregiment. Auch
den Hessen war anbefohlen, das Lager schön und dauerhaft zu
errichten. Einer, der dabei war, der nachmalige hessische Ober-
Finanzkammer-Kalkulator Kösterus, entwirft vom Lagerbau und
Lagerleben folgende anziehende Schilderung648):
"Das abgesteckte Feld glich bald einer Kolonie, die sich hier
niederläßt, um sich anzubauen, und der nahe Wald gab das

648 Erinnerungen usw., mitgeteilt in der "Geschichtlichen Darstellung
der Militär-Verfassung der Hessen-Darmstädtischen Truppen". Darm-
stadt 1840.