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Konrad Klose, Geschichte der Stadt Lüben, Verlag Kühn Lüben, 1924, S. 278/279
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arbeitens der städtischen Verwaltungsorgane einen ungeahnten
Aufschwung genommen.
Gewiß alle Neuschöpfungen kosteten Geld. Die Anforderungen,
welche an den Stadtsäckel gestellt wurden, waren nicht gering.
Darum mußte auch die Finanzgebarung der Stadt von Grund
aus umgestaltet werden. Die Zeiten waren vorüber, wo z. B. die
Schule - wie 1833 - einen Zuschuß von 100 rtl. forderte. Als
1844 1154 rtl. und 1859 gar 4440 rtl. ausgeworfen werden muß-
ten, sahen ängstliche Gemüter bereits den Wohlstand der Stadt
bedroht. Dabei besaß die Stadt 1862699) ein Kapitalvermögen
von ca. 52 000 rtl., denen nur 20 380 rtl. Schulden gegenüber-
standen, welche zur Tilgung von Ablösungskapitalien, zum Bau
der Lüben-Rawitscher Chaussee und zu andern Straßenbauten
sowie zum Neubau des Gefängnisses aufgenommen worden waren.
Die Vermögenslage der Stadt war also überaus günstig. Es galt
aber als die Quintessenz aller kommunalen Finanzpraxis der
Grundsatz: Nur keine Steuern! Die Kommunalsteuer, welche von
alters her in Lüben erhoben wurde, diente im wesentlichen zur
Deckung des an die Staatskasse abzuführenden Servisbeitrages,
der auf 948 rtl. festgesetzt war, der Kreiskommunallasten, welche
durchschnittlich 30 rtl. betrugen, und der Straßenbeleuchtungs-
kosten, die sich auf ca. 400 rtl. beliefen. Die Steuer wurde auf
Grund eines von der Behörde genehmigten Klassifikationstarifs
in Form einer Einkommenssteuer von den Einwohnern bezw. den
Grundstücken erhoben und trug etwa 1100 rtl. ein. Außerdem
bestand noch eine Hundesteuer, die am 20. Januar 1847 beschlossen
wurde, aber erst 1853 in Kraft trat; ihre geringen Erträge
- 25 bis 30 rtl. - flossen in die Armenkasse. Im allgemeinen
blieb es bei dieser Art der Besteuerung bis Anfang der achtziger
Jahre. Am 30. März 1883 beschloß die Stadtverordnetenver-
sammlung die Erhebung von 40 Prozent Zuschlag zur Klassen-
steuer für die Kommune und von 50 Prozent für den Kreis. Die
Miquelsche Steuerreform vom 24. Januar 1891, welche am
1. April 1892 in Kraft trat, bedingte eine Änderung des Steuer-
satzes. Es wurden neben den 50 Prozent Zuschlag zur Staats-
einkommenssteuer für die Kreisabgaben 60 Prozent für die Kom-
munallasten erhoben. Eine neue Umgestaltung des Steuerwesens
erfolgte auf Grund des Kommunalabgabengesetzes vom 14. Juli
1893, welches am 1. April 1895 in Wirksamkeit trat. Dadurch
wurden den Gemeinden die Grund-, Gebäude-, Gewerbe- und
Betriebssteuern überwiesen, dementsprechend konnten die Zuschläge
zur Einkommenssteuer ermäßigt werden. Dazu wollten sich aber
die Stadtverordneten anfänglich nicht verstehen; sie beschlossen
einen 120prozentigen Zuschlag zur Einkommenssteuer und verzich-

699 Das Folgende nach der "Statistischen Darstellung des Kreises
Lüben 1863".
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teten auf die Realsteuern. Indes ließ sich dieser Modus auf die
Dauer nicht festhalten; man einigte sich schließlich auf 90 Prozent
Zuschlag zur Staatseinkommensteuer und den Realsteuern; dazu
traten noch 46 Prozent für die Kreisabgaben. Auf dieser Höhe
von 136 Prozent sind die von der Einwohnerschaft erhobenen
Steuern verblieben. Vorerst bestand keine Neigung, andere
Steuerquellen zu erschließen, aber die harte Notwendigkeit drängte
dazu. Am 21. April 1899 wurde die Umsatzsteuer (1 Proz. vom
Verkaufspreis) und die Biersteuer beschlossen, letztere mit 50 Proz.
Zuschlag zur Brausteuer von dem im Gemeindebezirke gebrauten
Biere und einer Abgabe von 0,65 Mark pro Hektoliter von dem
von auswärts eingeführten Biere. Dazu trat noch eine Lustbar-
keitssteuer. Die Umsatzsteuer erbrachte in den Jahren 1909, 1910,
1911: 2357, 4743, 4719 Mark; die Biersteuer im gleichen Zeit-
raum: 2486, 2225, 2702 Mark; die Lustbarkeitssteuer: 1095, 787,
840 Mark; die Hundesteuer - seit 15.9.1910 von 9 auf 15 Mark
erhöht - 1431, 1422, 2815 Mark. Immerhin ist die Steuerlast
im Vergleiche zu den andern Städten verhältnismäßig gering.
Der städtische Forst mit seinen erheblichen Überschüssen - ca.
40 000 Mark - bildet nach wie vor das Rückgrat der Kämmerei-
verwaltung. Auch die Gasanstalt wirft jährlich etwa 20- bis
25 000 Mark Reingewinn ab, während die übrigen städtischen Be-
triebe erst in der Zukunft sich gewinnbringend gestalten werden.
Aber auch die Steuerkraft der Bürger ist erheblich gestiegen. Be-
trug 1885/86 das Steuersoll der klassifizierten Einkommensteuer
und Klassensteuer 11 368 Mark, so das Steuersoll der Staatsein-
kommensteuer 1892/93: 17 263 Mark und 1911/12: 44 704 Mark;
die Ergänzungssteuerbeträge stiegen von 4303 Mark pro 1896/97
auf 9339 Mark pro 1911/12. Dementsprechend betrugen die
Kommunalsteuern im letztgenannten Zeitraum 85 566 Mark,
dazu traten Kreisabgaben in Höhe von 26 932 Mark. Die Käm-
mereikasse konnte mit Überschüssen arbeiten; sie betrugen 1909/10:
43 394 Mark, 1910/11: 76 307 Mark; 1911/12: 59 205 Mark. So
befinden sich die städtischen Finanzen in durchaus gesundem Zu-
stande, und die Kommunalschulden können ohne stärkere Belastung
der Bürgerschaft getilgt werden.
Die Stadt hatte 1869 ihre Schulden getilgt, mußte aber für
mannigfache Aufwendungen, besonders zur Deckung der für die
Eisenbahn gemachten Ausgaben, eine Anleihe aufnehmen. Am
25. Oktober 1873 wurde beschlossen, 150 000 Mark aus dem Reichs-
invalidenfonds zu entleihen, die bis 1913 amortisiert sein sollten.
Weitere 40 000 Mark wurden 1877 für die Wasserleitung geborgt.
Durch die Anlage des Schlachthofs stiegen die Passiven 1891/92
auf 240 000 Mark, denen ein Kapitalvermögen von 195 000 Mark
gegenüberstand. Die erheblichen Ausgaben, welche der Stadt
durch die Provinzial-Heil- und Pflegeanstalt, die Errichtung des
Gymnasiums, die mannigfachen Landankäufe u. a. erwuchsen,