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Konrad Klose, Geschichte der Stadt Lüben, Verlag Kühn Lüben, 1924, S. 432/433
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und Kriegsgeschrei; in friedlichen Zeiten gab es friedlichen Wett-
kampf, das Vogelschießen. Am Wege nach der Armen-Leute-
mühle
stand die Vogelstange, deren Existenz bereits am 9. Sep-
tember 1530 bezeugt wird854). Als erster Vogelkönig wird durch
das Kirchenbuch 1566 Philipp Sinner bekannt, den der Pfarrer
Franz Rosentritt zur Rede stellte, weil er sich während des Gottes-
dienstes im Bogenschießen geübt hatte. Wie bereits anderweitig
berichtet855), hatte Rosentritt in demselben Jahre einen heftigen
Zusammenstoß mit der Bürgerschaft und Schützengilde wegen des
Vogelschießens. Er schildert, wie die Bürger am Sonnabend "zu
ihrem Vogelgesauffe" auf dem Markte in ihren aufgeschlagenen
Hütten sich versammelt und am Sonntage während des Gottes-
dienstes nach dem Vogel geschossen "vnd würffel vnd ander töppel-
spiel gestattet, hernach ihr angefangenes gesauffe biß in den
sinckenden abend getrieben, desgleichen den folgenden Montag in
ihren Vogelhütten mit weib vnd kind verbracht hätten". Das
Schützenregister nennt 1577 als Vogelkönig Christoph von Kanitz,
den damaligen Pfandherrn von Lüben, als ältesten Mannkönig
Christoph Vogdt.
Im Dreißigjährigen Kriege hatten die Schützen zum letzten
Male Gelegenheit, an der Verteidigung der Stadt mitzuwirken;
sie wiesen in einem Memorial von 1697 nach, daß sie "bei neun-
maliger feindlicher Attaquirung der Stadt und des fürstlichen
Schlosses allhier sich tapfer gehalten vnd stattliche Gegenwehr
gethan"856).
Frühzeitig wurden der Gilde mancherlei Vergünstigungen
zuteil. Am 21. Juli 1597 genehmigte Herzog Joachim Friedrich856)
"weil wir die Übung bei den Städten mit dem Vogel- vnd
Büchsenschießen gern beförderdt sehen woldten", daß dem Vogel-
könig "jährlich ein Bier frei ohne Ungeldt vndt abzug der Metzen
zur Breuung nachgesehen werde, desgleichen auch, daß sie von
ihren Heusern, darin sie wohnen der Kayserlichen oder Kriegs-
steuern vnd weiter nicht vom Schatz oder gemeinen fisco über-
tragen werden". Herzog Christian erweiterte am 24. Mai 1670
dies Privileg dadurch, daß auch der Gilde das Recht zustehen sollte,
"zum Trunk des Vogel- oder Mannschießens" ein Bier zu brauen.
Dies Recht wurde in der preußischen Zeit durch mehrere Kammer-
reskripte mit der Maßgabe bestätigt, daß das Bier beim Vogel-
oder Mannschießen verbraucht werden sollte. Ursprünglich braute
die Gilde selbst; ein junger Bruder hatte das Brauen abzuwarten,
ein älterer führte die Aufsicht. Später wurde das Bier "ver-
mietet". Am 24. März 1670 erbat die Bürgerschaft857) von Herzog

854 Staatsarchiv Rep. 3 Nr. 862.
855 Kapitel IV.
856 Staatsarchiv Rep. 28 O. A. Lüben VIII.
857 Staatsarchiv Rep. 28 O. A. Lüben I, Akten des commiss. loci
betr. Privilegien der Stadt, Kirchen und Innungen zu Lüben 1795.
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Christian die Verleihung eines jährlichen Kleinods an die
Schützenbruderschaft. Der Herzog wollte erst das Votum seiner
Räte einholen und starb, ohne sich entschieden zu haben. Seine
Witwe, die Herzoginregentin Luise, resolvierte am 8. Juni 1675,
"daß die löbliche Schützen-Bruderschaft auß hiesigem fürstl. Rent-
ambte jährlichen 8 rtl. schlesisch zu einem fürstlichen Kleinodt vor
den Büchsenkönig zu empfangen und zu gewartten haben solle".
Nach dem frühen Tode des letzten Piasten fiel das Gratial weg.
Die Gilde petitionierte bei der kaiserlichen Regierung um Weiter-
bewilligung, aber erst am 23. Mai 1703 erhielt sie die Zusicherung,
daß die rückständigen Beträge von 1675 bis 1702, i. Sa. 216 rtl.,
nachgezahlt werden würden. Von da ab wurde der Zuschuß regel-
mäßig gewährt.
Inzwischen hatte auch die Stadt neue Verpflichtungen der
Gilde gegenüber übernommen. Der Vogel- und Mannkönig er-
hielten je 2 Klaftern kiefern Leibholz, der Oberälteste 4, der
Nebenälteste 2 Klaftern. Zur Anfertigung eines Vogels bewilligte
die Stadt einen Aspensparren, sie gab den Schützen auch das Recht
auf Benutzung der Pauken im Schießhause. Im Jahre 1697 ver-
ehrte der Rat der Schützengilde einen Schöps zu einem Kleinod;
später entrichtete er stattdessen 1 rtl. 10 sgr. Endlich lieferte die
Stadt eine Reihe Kleinode bezw. entsprechende Geldbeträge:
6 Kleinode der Gilde, insgesamt à 24 sgr., 3 Kleinode à 15 sgr.
zum Vogelschießen, 6 Kleinode à 16 sgr. den Bürgerjüngsten und
12 rtl. 24 sgr. zu Prämien für den Vogel- und Mannkönig.
Die preußische Regierung858) strich zunächst den schlesischen
Schützengilden die bisher gewährten Bezüge. Erst 1750 erhielt
die Lübener Bruderschaft den Bescheid, daß Seine Majestät ihr
"die sonst ehemalig genossenen Prämien wieder allergnädigst an-
gedeyen lassen wollen". Auch die Stadt gedachte sich ihrer alten
Verpflichtungen zu entziehen, da die alten fürstlichen Privilegien
der Gilde in den beiden schlesischen Kriegen verloren gegangen
waren. Der Bürgermeister Thym bestritt, daß überhaupt irgendwo
landesherrliche Privilegien für Schützengilden beständen. Um das
Gegenteil zu beweisen, ließen sich die Schützen von den beiden
Nachbargilden in Haynau und Goldberg Kopien ihrer Statuten
anfertigen und wurden bei der Glogauer Kammer vorstellig. Diese
entschied im Sinne der Gilde. Die neuen Artikel, welche der
Magistrat 1756 der Bruderschaft gewährte, waren "ersichtlich aus
den alten Privilegien und Artikelbriefen herausgesucht und nur
in etwas erneuert und verändert worden", sie legten aber die
Leistungen der Stadt an die Schützen endgültig fest. In neuester
Zeit tauchte der Gedanke auf, die städtischen Verbindlichkeiten
abzulösen. Im Jahre 1919 wurde von den städtischen Behörden
in diesem Sinne beschlossen.

858 cf. die Aufzeichnungen von Schützenfähnrich Gottfried Feige,
1675 begonnen und von andern fortgesetzt; im Archiv der Gilde.