Schlesische Weihnachtsbräuche im 19. Jh.














1. Die schlesischen Christkindelspiele

Quelle: Schlesien - Eine Schilderung des Schlesierlandes, Dr. Franz Schroller, Dritter Band, mit 10 Stahlstichen und 46 Holzschnitten von Theodor Blätterbauer. Verlag von Carl Flemming, Glogau, 1888

So ist man allmählich in die Adventszeit hineingekommen, die Vorbereitungszeit auf das Christfest; überall entfaltet sich eine besondere Rührigkeit, und besonders unter der jungen Welt nimmt man eine gehobene Stimmung wahr. Mehr als sonst zeigen sich die Kinder bereit, den Wünschen und Befehlen der Eltern nachzukommen, hat man doch bald das Christkind in weißem Gewande vorüberschweben sehen, bald den Ruprecht (Nikolaus) vorbeirasseln hören. Und die sehen und hören alles, merken auf jede Unart, beobachten Fleiß und Folgsamkeit, um sie bei ihrer Einkehr zu belohnen oder zu bestrafen.

So manches Landkind legt wohl auf den Rat der Eltern seine Sparpfennige oder eine Zaspel Garn, die es selbst gesponnen, vor dem Schlafengehen auf das Fensterbrett, damit das Christkind sie über Nacht hole und um so reichere Geschenke bringe. Und wie hochbeglückt sind die Kleinen, wenn sie am andern Morgen eine "eingelegte Berde",

Schlesien, Franz Scholler, 3. Band, 1888

nämlich ein paar Äpfel, gebackene Pflaumen oder "Zuckerdinger" auf dem Tische finden, die der Ruprich (Neckels) oder das Christkind über Nacht gebracht haben. Doch diese eilen nicht nur des Abends an den Häusern vorüber, um zu horchen, sondern sie kehren auch ein, um sich selbst über die Führung der Kinder zu erkundigen. Da erscheint am Vorabende des St. Nikolaustages (6. Dezember) oder unmittelbar vorher in den Häusern eine vermummte Mannsperson, in einen umgekehrten Pelz gekleidet, der mit einem Strohseile gebunden ist, mit einem langen Flachsbarte, mit einer fortwährend tönenden Klingel in der linken und einer großen Rute in der rechten Hand. Im größten Teil Niederschlesiens heißt er Ruprich (Ruprecht), in Mittelschlesien meist Joseph und in Oberschlesien und der Grafschaft Glatz Nickel (Neckels). Polternd betritt Nickel die Stube mit den Worten:

"Ich bin der Nickel aus dem Himmel,
Reite einen weißen Schimmel;
Ich komme aus dem Himmelreich
Und strafe alle Faulen gleich.
Wenn die Jungen nicht fleißig beten und singen,
Wird ihnen die Rute am A... rumspringen;
Wenn die Mädchen nicht spinnen und kochen,
Wird ihnen der Nickel den Rücken auspochen."

Er erkundigt sich nun nach Fleiß und Führung der Kinder, läßt sie beten oder lesen, belohnt die folgsamen mit Backobst, Äpfeln und Nüssen und bestraft die faulen und trotzigen mit Rutenschlägen, oder indem er sie über die Rute springen und dieselbe küssen läßt. Furchtsame Kinder vermögen vor Angst und Weinen kein Wort hervorzubringen, dreistere Jungen, die schon wissen, wer der "aale Jusef" ist, verspotten ihn wohl mit den Worten:

"Vater unser, der du bist,
Der aale Jusef gehiert uf a Mist."

In dieser Zeit wagt sich des Abends kein Kind aus dem Hause, weil der Nickel (Ruprich) irgendwo stecken könne; werden sie doch von den Erwachsenen oft genug vor dem Nickel gewarnt.

In Oberschlesien - früher auch in der Grafschaft Glatz - ziehen am Vorabende des Nikolaustages ältere Knaben herum mit einem langen Hemde über der Kleidung und einer papiernen Bischofsmütze auf dem Kopfe; sie heißen merkwürdigerweise Engel. Ein anderer ist in einen umgedrehten Pelz gehüllt und trägt einen Korb mit Backobst, welches er den Kindern schenkt. Die Engel fordern nun die Kinder auf zu beten. Wer nicht beten kann, erhält tüchtig Rutenschläge, wird aber dann auch beschenkt.

Am Nikolaustage erhalten in katholischen Dörfern die Kinder eine kleine Einbescherung von Äpfeln, Nüssen, Zuckersachen u. dergl. Einst war aber seine Bedeutung weit größer als jetzt; er war in Süddeutschland der eigentliche Bescherungstag und ist es in Tirol zum Teil noch heute. Am 6. Dezember kommt der Nikolo mit dem "Krampus" in die Häuser und beschert den Kindern ein. Dafür fand am Weihnachtsabende eine Beschenkung nicht statt, auch einen Christbaum kannte man nicht, sondern Weihnachten wurde nur als christliches Fest gefeiert. Seit aber der Christbaum aus Norddeutschland auch nach dem Süden vorgedrungen ist, hat der Nikolaustag an Bedeutung verloren. Auch in den katholischen Dörfern Schlesiens, wo noch vor zwanzig Jahren eine Bescherung stattfand, hat sie meist aufgehört.

Weit mehr als auf den Nikolaus freuen sich aber die Kinder auf die Einkehr des Christkindes. Kaum hat sich die Nachricht verbreitet, daß das Christkind herumziehe, so hören sie nicht auf, die Eltern, welche oft die paar Groschen sparen möchten, zu bitten, das Christkindel doch hereinzulassen. Und ist endlich ihrem Wunsche nachgegeben, welche Seligkeit spricht sich auf ihren Gesichtern aus, wie ehrfurchtsvoll schweigend sehen sie alle die Gestalten eintreten: das Christkind in weißem Gewande und weißem Schleier, die Engel mit dem goldenen Zepter in der Hand, den ehrwürdigen Petrus mit der goldenen Krone und den mächtigen Schlüsseln, die ungeschickten und gutmütigen Hirten, den polternden komischen aalen Jusef (Ruprich) und andere, die in ihrem Gefolge erscheinen! Wie pocht ihnen das Herz, wenn sich das Christkind nach ihrem Betragen und ihrem Fleiße erkundigt und darauf Petrus oder der aale Jusef sich bitter über sie beklagen, wie sie nichts wüßten, als zu lügen und die Eltern zu betrüben, zu fluchen, schelten und "losementiern!" Wie groß ist endlich ihre Freude, wenn sie vom Christkinde mit mancherlei Näschereien beschenkt werden. Noch lange halten die Eindrücke dieses Abends die Phantasie der Kinder gefangen, bis sie von der Freude auf das Wiedererscheinen des Christkindes am Weihnachtsabende verdrängt werden.

Schlesien hat vor manchen deutschen Ländern den Vorzug, eine große Anzahl solcher Christkindelspiele aufweisen zu können, vom einfachen Gespräch dreier Personen bis zum kunstmäßigen mehraktigen Drama hinauf, welches mit der Schöpfung der Welt und des Menschen beginnt und mit der Ermordung der Kinder in Bethlehem und dem Tode des Herodes schließt. Die meisten dieser Spiele sind seit zwanzig Jahren und länger erloschen und der Wissenschaft nur dadurch erhalten worden, daß sie von Weinhold, A. Peter, R. Drescher und in den schlesischen Provinzialblättern aufgezeichnet worden sind.

Im schlesischen Flachlande waren diese Volksschauspiele schon am Anfange unseres Jahrhunderts selten. Im Trebnitzer Kreise wurden sie schon um 1800, im Ohlauer im Jahre 1809 verboten, weil sie nichts als eine Bettelei waren und zu Diebstählen benutzt wurden. Sie erhielten sich aber trotz der Verbote an einzelnen Orten, ebenso im Namslauer, Ölser, Wartenberger und Strehlener Kreise. Am längsten erhielten sie sich in den meist katholischen Gebirgsgegenden. Im Hospital zu Habelschwerdt wurde noch vor kurzem von armen Kindern ein Spiel aufgeführt. Es ist dasselbe, welches Weinhold aus der Habelschwerdter Gegend mitgeteilt hat. Das einfachste dieser Volksschauspiele scheint ein oberschlesisches zu sein, welches früher auch im Ohlauer Kreise üblich war. Hier ziehen im Advent oder am Weihnachtsabend drei erwachsene Mädchen (Mägde) herum, von denen die eine das Christkind, die andere den Engel Gabriel, die dritte den Knecht Ruprecht vorstellt. Das Christkind, weiß gekleidet, eine Krone aus Flittergold und roten Schleifen auf dem Kopfe, reitet häufig auf einem Schimmel, den man in der üblichen Weise durch Siebe herstellt, welche mit weißen Tüchern bedeckt werden. Der Engel Gabriel ist wie das Christkind gekleidet und trägt auch eine Krone, der Ruprecht in seinem Schafspelze hat einen rohleinenen Sack auf dem Rücken, in dem sich eine Kette und altes Eisen befinden. Zuerst reitet das Christkind auf seinem Schimmel in die Stube; neben ihm tritt Gabriel mit dem Gruße ein:

Ein' schön' guten Abend geb Euch Gott!
Ich bin ein abgesandter Bot',
Von Gott bin ich hierher gesandt,
Sankt Gabriel werd ich genannt."

Hinter beiden stolpert der Ruprecht zur Thür herein und stampft mit dem Sacke gewaltig auf den Fußboden, um die Kinder zu erschrecken. Dabei poltert er:

"Auch ich bin da, komme zum Gericht,
Weil Kinder hier, die folgen nicht;
Denn wenn sie in die Schule gehn,
So bleiben sie auf dem Wege stehn,
Reißen die Blätter aus den Büchern,
Ziehn den Leuten schiefe Gesichter,
Prügeln sich auch mit den Tafeln,
Die verflixten Bälger und Affen.
(Gerassel mit dem Sack.)
O wartet nur, Ihr unartiges Pack,
Ihr müßt heut alle in den Sack."
Das Christkind kommt, in 'Stadt Gottes', Illustrierte Zeitschrift für das katholische Volk, Sammelband 1893

Die Kinder fangen an zu weinen, flüchten zu Vater und Mutter oder verkriechen sich und versprechen, artig und fleißig zu sein. Dafür erhalten sie vom Christkind Näschereien, vom Ruprecht aber eine Rute aus Birkenreisern. Dann entfernen sich die drei wieder. Hierbei scheint es mehr auf eine Einschüchterung der Kinder, als auf eine Darstellung der Verhältnisse abgesehen zu sein, welche die Geburt Christi begleiteten...

2. Das Weihnachtsfest

Keine Zeit des Jahres ist so voll poetischen Reizes, ausgezeichnet durch eine Menge uralter Bräuche, an keiner gibt sich das schlesische Landvolk mit solcher Innigkeit der festlichen Stimmung hin, als am heiligen Christenabende und in der Christnacht; nur die Kirmes in ihrer alten Form vermochte vielleicht mit dem Christfeste zu rivalisieren. Aber nicht die Einbescherung, die wohl sonst die Hauptsache ist, bildet den Kern dieser bäuerlichen Feier des Christabendes, - denn bei einem großen Teile unserer Landbevölkerung und besonders bei den Bauern vom alten Schlage bringt das Christkind seine Gabe erst am Morgen des heiligen Tages - sondern ein eigentümliches Mahl, eine große Menge merkwürdiger Gebräuche und bei dem katholischen Volke der nächtliche Gottesdienst: das sind die einfachen Mittel, die unsere Bauern so festlich und fröhlich stimmen.

Am Mittage vor dem heiligen Abende wird absichtlich sehr einfach gespeist, um den Genuß an dem Festgericht des Abends nicht zu schmälern. Viele Katholiken fasten an diesem Tage, und sehr fromme Leute essen überhaupt nichts, bis sie am Abende die Sterne am Firmament erblicken. Pferde, Rinder, Schafe, Hunde und Hühner werden an diesem Abende im stillen reichlich gefüttert. Viele legen den Pferden ganz unausgedroschene Garben vor, unter welche sie auch Heu und Angelikakraut oder geweihte Kräuter mischen, wie sie schon am Tage des heiligen Wendelin (20. Okt.), des Schutzpatrons der Pferde, getan haben. Gar manches Bündel Heu wird von den Pferdejungen vom Boden gestohlen und dem lieben Vieh vorgelegt, da man glaubt, daß solch gestohlenes Heu dem Vieh doppelten Segen bringt. Die größte Sorgfalt wendet man aber an diesem Abende den Kühen zu. Sie erhalten geweihte Kräuter, das heilkräftige Angelikakraut, Salzschnitten, gekaute Bissen oder einige Scheiben vom Christstriezel. Dabei ruft man ihnen im Gebirge zu: "Ihr Viechlan, do hot'r a Chrestoomd."1 In Österreichisch-Schlesien gibt man den Rindern Äpfel und Honigkuchen und bestreicht die Augenlider mit Honig, damit sie vor dem "Hauche", einer gefährlichen Augenkrankheit, bewahrt bleiben. Ein Stückchen Honig wirft man auch in den Brunnen, um das Wasser vor Fäulnis zu bewahren. Stube und Ställe besprengt hier der Hausvater mit Weihwasser.

Es geht sogar die Sage unter dem Landvolke, die Tiere, welche gewürdigt wurden, dem göttlichen Wunder beizuwohnen, erhielten in dieser heiligen Nacht von 12-1 Uhr menschliche Sprache, um den neugeborenen Heiland anzubeten. Sie sollen sich aber auch über die ihnen zuteil gewordene Behandlung und die künftigen Schicksale ihrer Herrn und Wärter unterhalten, und zwar die Pferde über die Knechte, die Kühe über die Frauen und Mägde. Einst legte sich ein Pferdejunge unter die Krippe des Pferdestalles, um die Tiere zu belauschen. Da hörte er, wie ein Pferd zum anderen sagte: "Du, was warn mern marne macha?" und das andere erwiderte: "Nu mer warn a Faadejunga zu Groabe foahrn."2 Am andern Morgen zog man ihn tot hervor, die Pferde hatten ihn mit ihren Hufen erschlagen. haben Pferde und Kühe am nächsten Morgen alles Futter aufgezehrt, so bedeutet das eine schlechte Ernte und besonders Futtermangel im folgenden Jahre (Frankenstein, Glatz). Diese Sorgfalt gegen die Tiere entspringt vor allem aus der Besorgnis, daß dem lieben Vieh in dieser Nacht von den Hexen Unheil widerfahren könnte. Besonders die Frauen glaubten, daß die Hexen in dieser Nacht den Kühen Krankheiten aufhexen könnten.

Wer in der Christnacht zwischen 12-1 Uhr an einen Kreuzweg geht, kann dort die Hexen tanzen sehen. - Wer früher die Christbescherung schon am heiligen Abende und nicht erst am folgenden Morgen veranstalten wollte, mußte erst mit geweihter Kreide einen Kreis um den Tisch ziehen, damit die Hexen der Christbescherung nichts anhaben konnten. (Grafschaft Glatz). - Die Hausfrauen machen mit geweihter Kreide Kreuze an die Kuhstalltür, damit die Hexen nicht in den Stall kommen können. Manche waschen den Kühen die Euter mit einer Abkochung von geweihten Kräutern, damit die Hexen sie nicht ausmelken; andere binden Strohseile um die Melkgelten oder entfernen die Melkschemel aus dem Stalle, damit die Hexen nichts finden, worauf sie sich setzen können. - Man soll keine Milchneigen oder leere Milchgefäße im Hause stehen lassen, sonst könnten sie die Hexen besudeln. - Am Christabende geht die Hausfrau rückwärts aus dem Milchkeller und hält das Licht vor die Brust. So ist das Licht zuletzt aus dem Keller gegangen, und an dem können die unsichtbaren Hexen nicht so leicht vorbeischlüpfen. - Am zweiten Weihnachtsfeiertage verteilte früher in manchen Dörfern der Grafschaft Glatz ein Mann von Haus zu Haus Birkenruten, mit denen man die Kühe peitschte. So blieben sie von den Würmern befreit.

Ist das Vieh besorgt, so versammeln sich die Hausgenossen zum Abendgebet, was in Österr.-Schlesien oft unter freiem Himmel geschieht; "denn da sieht man, wie die Schutzengel die Gebete zu Gott emportragen. Auch steigen um jene Stunde die Seelen derjenigen zum Himmel empor, die an diesem Tage aus dem Fegefeuer erlöst werden." (A. Peter: Volkstümliches, II, S. 273.) Dann setzt man sich zur Abendmahlzeit nieder, welche diesmal aus gewissen stehenden Gerichten zusammengesetzt ist. Unter den Tisch, häufig aber auch unter das Tischtuch legte der oberschlesische Bauer Stroh, mit dem er später die Bäume umband. Der Bauer von altem Schlage, und zwar besonders der weniger wohlhabende, begnügt sich mit einer Semmelmilchsuppe, Kuchen, Äpfeln und Nüssen, oder er genießt das beliebte schlesische Himmelreich, nämlich "Schworzfleesch und Wäskliesla mit Flaumatunke".3

An manchen Orten wird auch ein Erbsenbrei aufgetragen und wäre es auch nur ein Quart für die ganze Hausgenossenschaft, denn wenn man an diesem Abend auch nur drei Erbsen genießt, so geraten die Erbsen im nächsten Jahr besser.

In vielen Gegenden und bei wohlhabenden Bauern ist die Tafel aber reicher besetzt mit 1. der gelben Suppe, einer Semmelmilchsuppe mit Rosinen, Zucker und Safran bestreut, 2. den Karpfen mit Pfefferkuchentunke und Sauerkraut, "polnische Karpfen" genannt,
3. den Mohklieslan4, 4. den Äpfeln, Nüssen und Striezeln.

Schlesisches Himmelreich

Schlesisches Himmelreich

Schlesische Mohnklöße

Schlesische Mohnklöße

In Oberschlesien nach der polnischen Grenze hin wurden früher in wohlhabenden Familien sogar sieben Gerichte genommen: 1. Eine Mohn- oder Hanfsuppe mit gerösteter Semmel, 2. polnische Karpfen, 3. gebratene Karpfen oder Hechte mit brauner Butter, 4. Sauerkraut mit Erbsen oder weißen Bohnen gemengt, 5. Hirse oder Reise mit Pflaumen, 6. Mohnklöße aus Semmel, 7. Kuchen, Striezel, Äpfel, Nüsse und Pfefferkuchen. In Österr.-Schlesien genießt man gewöhnlich Pflaumensuppe, Griespappe, Honigbrot, Honigkuchen, Äpfel und Nüsse. Bald nach dem Abendessen werden die Fischgräten, Nußschalen und andere kleine Speisereste unter die Obstbäume vergraben, damit sie im kommenden Jahre besser tragen, - wieder ein Rest eines heidnischen Brauches, von jeder Festmahlzeit einen Teil den Überirdischen zu opfern.

Nach der Mahlzeit geht in Österr.-Schlesien der Gemeindehirt von Haus zu Haus und knallt mir einer langen Peitsche, wofür er einen Weihnachtskuchen erhält; auch der Nachtwächter geht herum, bläst das Nachthorn und singt ein Lied dabei. Kein Abend des ganzen Jahres ist so vorbedeutend für die folgende Zeit als der Christabend; fast alles, was geschieht, hat Beziehung auf die Zukunft. Daher ist die Fülle abergläubischer Meinungen und Bräuche an diesem Abend wahrhaft erstaunlich.

Wird am Christabend das erste Licht in die Stube gebracht, so schaut ein jeder nach seinem Schatten, denn wer an seinem Schatten keinen Kopf erblickt, stirbt gewiß binnen Jahresfrist. Sobald sich die Hausfrau zu Tische gesetzt hat, soll sie nicht mehr aufstehen, weil ihr sonst im nächsten Jahre die Hühner vom Brüten fortlaufen. Sie darf auch an diesem Abende nichts aus dem Hause verkaufen, sonst verkauft sie den Segen mit aus dem Hause. - Man soll während der Mahlzeit Erbsen in die Stubenecken streuen für die Mäuse, damit sie im nächsten Jahre weniger hungrig sind (Neuroder Gegend).

Die größeren Überreste der Mahlzeit, Brot- und Semmelstückchen, Nußschalen usw. läßt man die ganze Nacht auf dem Tische liegen, für die "Engala", welche in der Nacht kommen und davon essen, oder für die "arma Seela", wie man in der Neuroder Gegend sagt. Die Engel des Christentums sollen noch immer die Opfer entgegennehmen, die man einst den germanischen Göttern an den häuslichen Herd hinstellte. - In manchen Familien findet nach der Mahlzeit die Einbescherung statt, aber auch, wo dies nicht geschieht, gibt man sich im Familienkreise einer geräuschlosen Fröhlichkeit hin, indem man besonders die Zukunft zu erfahren sucht. Schon vorher achtet man den ganzen Abend darauf, ob der Hofhund bellt, oder die Pferde wiehern, oder īs "Klämutterla" (Klagemütterchen) im Ofentopfe singt, das alles bedeutet Unheil, letzteres besonders eine Feuersbrunst. - Mancher geht am Christabend mit einer bestimmten Frage an die Zukunft ganz still an eines Nachbars Fenster und wartet auf die ersten Worte, die in der Stube gesprochen werden. Sie sind die Antwort auf seine Frage. Vor allem aber sucht man, ähnlich wie am Andreasabende, durch mancherlei Orakel das Schicksal zu befragen, man gießt Blei, rafft Scheite, horcht im Hühnerstall usw. Man nimmt von Zwiebeln, deren oberen Teil man vorher abgeschnitten hat, die äußeren Schalen, füllt 12 davon mit Salz und gibt ihnen die Namen der 12 Monate. Je nachdem nun nach einiger Zeit das Salz ganz oder teilweise geschmolzen ist, wird auch der betreffende Monat mehr oder weniger regenreich sein. Früher richtete man sich in der Feldbestellung nach diesem Orakelspruch.

Man läßt Nußschalen, jede mit einem kleinen Wachslicht, in einer Schüssel mit Wasser schwimmen und gibt ihnen die Namen von bekannten Mädchen und Burschen. Schwimmen ein Mann und ein Mädchen hier zusammen, so müssen sie auch bald ein Paar werden. - Man läßt zwei "Wergputzen", die bestimmte Personen bezeichnen, durch Entzünden in die Höhe fliegen. Aus dem Fliegen oder Verlöschen erkennt man, ob sie sich "kriegen" oder ob die eine bald stirbt. - Man "schmeißt a Lotscha hinger sich", wie am Andreasabende, oder man wirft Äpfelschalen hinter sich und erkennt aus ihrer Lage den Anfangsbuchstaben vom Namen des künftigen Geliebten... Wachslicht-Orakel

Die Zukunft erforscht man auch, indem man ein Stück Brot, ein Geldstück, einen Kamm und ein Stück Lehm unter vier Gefäße legt und raten läßt. Das Brot bedeutet gutes Auskommen, das Geld Überfluß, der Kamm Armut und Ungeziefer und der Lehm Krankheit oder Tod. - Man ging früher auch zwischen 12 und 1 Uhr an Kreuzwege, um die Zukunft zu erhorchen. Mancher hoffte dort einen Wechselthaler zu finden, d. h. einen Thaler, der immer wieder in den Schubsack zurückgelangte, so oft er auch umgewechselt wurde. Andere wieder gingen um Mitternacht auf ein Weizenfeld, legten sich platt auf die Erde und hören u. a. das Särgehämmern oder Kanonendonner und Trompetengeschmetter und schlossen daraus auf große Sterblichkeit oder Krieg. In manchen Gegenden Schlesiens herrscht auch noch der Glaube, daß in einem Hause, in welchem ein Leichenbrett fällt (ein polterndes Geräusch, wie von einem fallenden Brett), in kurzer zeit jemand sterben müsse. Wer es nicht gehört hat, den trifft es.

Auch das Wetter dieser heiligen Nacht ist von großer Bedeutung für das folgende Jahr. Fast überall glaubt man, daß stürmisches Wetter in der Christnacht und am Weihnachtsfest überhaupt auf eine gute Obsternte Hoffnung mache. In Beziehung auf die Getreideernte aber sagt der schlesische Bauer: "Helle Christnacht - finstre Scheun', Finstere Christnacht - helle Scheun'."

Um die Fruchtbarkeit der Felder zu vermehren und besonders die Maulwürfe fernzuhalten, schoß man früher in der Saganer Gegend über die Felder, und die Schüsse, die man in manchen Dörfer der Grafschaft Glatz bei der Heimkehr aus der Christmesse noch hören kann, hatten gewiß ehemals keine andere Bedeutung. Um den Graswuchs zu fördern, ging auch mancher, bisweilen sogar im bloßen Hemde, mit einem Dreschflegel in den Garten und führte einige Schläge auf den Boden. - Ein Haselnußstrauch, der in dieser Nacht tüchtig gepeitscht wird, trägt um so reichere Früchte (Leobschütz).

Wohl überall bindet man in Schlesien, wie auch im übrigen Deutschland Strohseile um die Obstbäume, und zwar in manchen Gegenden Seile aus demjenigen Stroh, welches während des Christmahles unter dem Tische oder auch unter der Tischdecke (Jakobskirch bei Glogau) gelegen hatte. Dies Umbinden fand früher (bei Brieg, Ohlau, am Zobten usw.) in der Mitternachtsstunde statt und dabei tanzten Bauer und Bäuerin um die Obstbäume und hängten an Lieblingsbäume alte Kleiderfetzen, ganz ebenso, wie die alten Germanen um die Bäume tanzten, unter denen den Göttern geopfert wurde; ganz ebenso, wie man die Äste der heiligen Bäume mit Fellen und Häuptern der Opfertiere behängte. Am Ostersonnabende während des Mittagläutens werden die Seile abgenommen. In der Oberlausitz gingen manche mit einem Seile sogar um ein Saatfeld, um seine Ergiebigkeit zu erhöhen. An vielen Orten legte man früher zu demselben Zwecke einen Stein auf jeden Obstbaum.

Bald nach 11 Uhr brach in den schlesischen Dörfern früher jung und alt auf, um in die Christnacht (Katholiken in die Christmesse) zu gehen, eine kirchliche Feier, die etwa eine Stunde dauerte. Die fromme Sitte hat sich nur in katholischen Gegenden, vor allem in der Grafschaft Glatz, erhalten, wo man noch trotz Schneesturm und grimmiger Kälte vermummte Gestalten nächtlicherweile durch die langgestreckten Dörfer hinziehen sieht. Aus weitester Ferne eilen sie zum Gotteshause, um dieser würdigen Feier beizuwohnen, deren Erhabenheit nur der richtig beurteilen kann, der ihr selbst wiederholt beigewohnt hat. In einem Meer von Licht schimmert die Kirche, zu deren Erleuchtung jeder durch seinen Wachsstock - früher durch ein Gräschellicht - beiträgt. Andächtig wohnt die Menge der Messe bei, während welcher heut vom Chore alte bekannte Weihnachtslieder ertönen, die der Bauer an diesem Tage nicht vermissen will.

Christnacht

Jüngere Schulmeister und Chordirigenten haben leider manche dieser alten volkstümlichen Weihnachtslieder abgeschafft. Auf die nächtliche Feier folgte früher (um 1793) um 4 Uhr morgens die Frühmesse und um 9 Uhr der Gottesdienst des ersten Festtages. Während der Wandlung in der mitternächtlichen Christmesse sind alle fließenden Gewässer in Wein verwandelt; aber nur der Frevler wagt es, das Wunder vorwitzig zu ergründen und zu seinem Vorteil ausbeuten zu wollen. Ein Mann, welcher einst zufällig in der heiligen Nacht aus einem Bache geschöpft hatte, merkte nachher, daß er den herrlichsten Wein in seinem Gefäße habe. Sein Nachbar wollte dies ein Jahr später benützen, ging zum Bache und schöpfte eine Kanne voll daraus. Da erscholl plötzlich aus der Tiefe eine Stimme: "Jetzt sind alle Wasser Wein! Aber Du bist mein." Darauf zog ihn der Wassermann mit sich in die Flut hinab.

Bei den Bauern des schlesischen Oppalandes herrscht der fromme Brauch, bald nach der Heimkehr aus der Christmesse das jüngste Kind in die Ställe zu schicken, wo es dem Viehe zurufen muß: "Ihr Farde, Uxa, Kiehe, Kälber, Zieja, Schoofe,5 (nicht die Schweine!) stieht uf, Christus der Herr ihs geborn." Dann geht das Kind in den Garten und verkündigt auch den Obstbäumen die frohe Botschaft. Das bringt Vieh und Bäumen großen Segen.

Am Morgen des folgenden Tages, des "heiligen Tages", findet in den meisten Bauernfamilien die Einbescherung statt. "Steht auf, kommt schnell," ruft die Mutter den Kindern zu, "das Christkind war da." Nur notdürftig bekleidet, die Kleinen oft noch im Hemd, eilen sie dahin, woher ihnen schon der Glanz des Christbaumes entgegenstrahlt, jenes Wunderbaumes der Märchen mit den goldenen Äpfeln und Nüssen, von dem ihnen Mutter und Großmutter so oft erzählt haben, jenes Lebensbaumes, der mit dem Mai- und Johannisbaum so viele Ähnlichkeit hat und "ein Symbol und treffendes Gleichnis für das Leben der nach Licht und Wahrheit strebenden, Früchte der Liebe treibenden reinen Menschheit ist, des Gattungsideales, das wir zu verwirklichen streben, dessen Repräsentant uns Christus ist." (Mannhardt: Baumkultus, S. 250). Eine Zeitlang stehen die Kleinen wie geblendet da, dann aber schaut jedes nach seinem Teller und seinem Häuflein und den verschiedenen Spielsachen, Süßigkeiten und dem Christ-Striezel, dem uralten deutschen Weihnachtsgebäck.

Nicht überall in Schlesien scheint es ursprünglich Sitte gewesen zu sein, einen Tannenbaum als Christbaum auszuputzen, sondern er ist erst in den letzten Jahrzehnten aus dem schlesischen Bürgerhause dort eingedrungen, und auch hier war er im Anfange unseres Jahrhunderts noch nicht allgemein bekannt. "Erst die Vertiefung des religiösen Lebens nach den Freiheitskriegen beförderte seine Ausbreitung." (Mannhardt: Baumkultus, S. 239). Aus der Gegend von Goldberg, Schönau, Striegau erfahren wir nämlich, daß früher die Bauern anstatt des Christbaumes ein kleines Holzgestell in Form einer Pyramide aufstellten, welches mit Buchsbaum umkleidet und mit Lichtern, Äpflen und Nüssen behängt wurde. Solche Gestelle, jedoch mit Papier verziert, werden noch jetzt auf unseren Christmärkten feilgeboten und besonders von armen Leuten gekauft.

Der Traum von Weihnachten

Unter den Zweigen des Christbaumes guckt auch ein alter Bekannter mit bärtigem Antlitz hervor, den die Kinder erst vor wenigen Tagen lebendig gesehen haben: der aale Jusef (Ruprich, Nickel), getreu aus Holz und Moos nachgebildet. Über allem aber, über Christbaum und Weihnachtsgaben, strahlt bei den Bauern hoch in einem Winkel der Stube im hellen Lichterglanz das Krippel oder die "Gebort", jene Darstellung der heiligen Familie im Stalle zu Bethlehem, die jedem Schlesier bekannt ist, der einmal einen Christmarkt durchwandert hat. Diese meist plastischen Darstellungen der Geburt Christi zeigen gewöhnlich einen terassenförmigen, felsigen Abhang, auf dessen Höhe sich die Stadt Bethlehem mit zahlreichen Palästen und Türmen erhebt, auch christliche Kirchen mit dem Kreuz und türkische Minarets fehlen nicht, und neben orientalisch gekleideten Menschen sieht man preußische Grenadiere Wache stehen und durch das Thor marschieren.

3. Neujahr, Dreikönigstag

Auf die Festwoche folgt bald wieder ein heiliger Abend, der Neujahrs-Heiligeabend (Silvester), der bei Katholiken und Protestanten durch eine kirchliche Feier begangen wird. Am häuslichen Herde wird der Abend in alter, herkömmlicher Weise gefeiert, denn der Silvesterball der Städte ist von den schlesischen Bauern nur vereinzelt nachgeahmt worden. Wieder bilden Semmelmilchsuppe oder Karpfen und Mohnklöße oder das schlesische Himmelreich das Abendgericht; noch einmal wird der Christbaum angezündet, um ihn dann den Kindern zur Plünderung zu überlassen; wieder wird das Schicksal durch mancherlei Orakel befragt, wie am Andreas- und Christabende.

An manchen Orten um Grottkau und Neisse setzen die Burschen einen Neujahrsbaum, indem sie eine hohe Stange mit einem Fichtenbäumchen als Wipfel vor den Dorfkretscham stellen. Früher wurde auch in die Obstbäume geschossen damit sie fruchtbar würden.

Dem Neujahrsmorgen sieht manches Dorfkind mit Bangigkeit entgegen, ob es auch den "Wunsch" wird schön hersagen können, den es zugleich den Eltern, auf einen schönen bunten Bogen geschrieben, überreichen will. In einfacher und herzlicher Weise rufen sich die Hausgenossen, Nachbarn und Bekannte zu, sobald sie sich treffen: "Na, ich wensch D'r viel Glicke zum neua Joahre!" Die Gratulationskarten und "Prost Neujahr!" sind erst in letzter Zeit in manche Dörfer eingedrungen. Die Morgenröte am Neujahrsmorgen bedeutet Krieg; klares, heiteres Wetter aber eine trockene, gute Ernte.

Der 2. Januar ist der "Sterztag" (Stürztag), der Umzugstage des Gesindes. Mit der Branntweinflasche in der Hand wird häufig vom alten Orte Abschied genommen, und Branntwein wird unterwegs tüchtig gezecht. Manche derbe Scherze werden natürlich dabei von Knechten und Mägden ausgeübt, die oft nicht ganz nüchtern vor ihre neue Herrschaft kommen. Am neuen "Orte" muß man sogleich ins Ofenloch oder in den Brunnen sehen, damit man sich schnell eingewöhnt.

Am Tage der heiligen drei Könige (6. Januar) feiert die katholische Kirche das Erscheinen der Könige aus dem Morgenlande vor dem Jesuskinde. Der Tag wird in Schlesien bisweilen noch das große Neujahr genannt, eine Bezeichnung, welche beweist, daß man früher auch bei uns wie in andern deutschen Ländern den Dreikönigstag als eigentlichen Jahresanfang betrachtete.

An diesem Tage oder unmittelbar vorher ziehen in der Grafschaft Glatz und um Reichenbach, Zobten, Liegnitz, Goldberg usw. Knaben in eigentümlicher Verkleidung umher, um wieder volkstümliche Schauspiele aufzuführen, die Herodes- oder Dreikönigsspiele. Diese Darstellungen müssen früher eine weit größere Verbreitung und einen weit größeren Umfang gehabt haben, als heutzutage, wie das große Herodesspiel beweist, welche von Rob. Stett in den Schlesischen Provinzialblättern, Band VIII, S. 450, mitgeteilt ist. Die Überschrift des Manuskriptes: Dieses hl. 3 König Buch Gehöret Vor Carl Friedrich Jung Breßl., vor allem aber der Dialekt, weist es der schlesischen Ebene, wahrscheinlich der Umgegend von Breslau, zu. Es enthält zwar auch die Geburt Christi, aber es ist doch hauptsächlich auf die Darstellung der Erscheinung der hl. drei Könige, der Ermordung der unschuldigen Kinder, der Verzweiflung und des Todes des Herodes abgesehen. Durch das Auftreten eines Harlekin (Hanswurstes), der zugleich Diener des Herodes ist und die Zuschauer mit einer Menge von derben Scherzen zu belustigen sucht, erhält das Spiel einen wahrhaft volkstümlichen Charakter, das Geistliche tritt zum Teil in den Hintergrund. Der Diener führt sich gleich mit den Worten ein: Potz Felßen, Arcissen und Pommerantzen, Es giebt bei Hofe nichts den Fressen und Saufen, Springen, Tantzen, Weil der König Herodes sitzt in Ruh, So geht's bei Hoffe recht lustig zu...

Die jetzt noch üblichen Dreikönigsspiele sind weit einfacher, deswegen aber nicht weniger volkstümlich. Drei, vier oder sieben Schulbuben führen das Spiel auf. Im letzten Falle stellen drei die Könige dar, von denen einer, der König aus Mohrenland, das Gesicht geschwärzt hat; ein vierter ist der Engel. Alle vier tragen ein Hemd über den Kleidern, das mit einem bunten Bande um den Leib zusammengehalten wird; eine hohe Papiermütze mit Goldpapier und einer langen Hahnfeder verziert, bedeckt den Kopf; der Engel hat außerdem papierne Flügel. Herodes erscheint mit Krone, Zepter und Schwert, sein Diener Laban in einem bunten Hanswurstanzuge. Der siebente ist ein Schäfer. In diesem Kostüm ziehen die Knaben durch die Dörfer des Eulengebirges und der Grafschaft Glatz und führen ein Spiel auf, welches von Robert Schück in den Schles. Provinzialblättern III, S. 66, mitgeteilt wurde. Auch die Zeitschrift für Geschichte und Heimatskunde der Grafschaft Glatz III, Heft 3, enthält ein solches Spiel. Die Dreikönigsspiele sind, wie die Christkindelspiele, vielfach unliebsam geworden und haben meist aufgehört, weil sie zur Bettelei herabgesunken sind.

Am Nachmittage des Dreikönigstages und in den folgenden Tagen findet bei den Katholiken, und früher auch bei Protestanten, der Neujahrsumgang statt, bei welchem das Haus geweiht wird. Zuletzt schreibt bei den Katholiken der Geistliche mit geweihter Kreide die Jahreszahl an die innere Seite der Stubentür und darunter drei Kreuze mit den Anfangsbuchstaben der hl. drei Könige: + C + M + B (Casper, Malcher, Balthasar). Das schützt gegen die Hexen, welche das ganze Jahr hindurch die Schwelle nicht überschreiten können, wenn diese Zeichen an der Tür bleiben. Bei reichen Bauern findet zum Schlusse eine Bewirtung statt. Diese Bewirtung und die Empfangnahme von Geld und Eßwaren seitens des Geistlichen, des Lehrers und der Chorknaben trat in Oberschlesien noch mehr in den Vordergrund als anderswo, wie ein Lied beweist, welches beim Kolendeumgang gesungen wurde.

Wir kennen daselbst in der Übersetzung aus dem handschriftlichen Nachlasse des Lehrers Lompa. Hier einige Strophen:

Unser Herr Wirt, Schaffner im Hause,
Sei nicht lau und gieb was zum Schmause,
Guten Branntwein, auch Pfefferkuchen
Zur Kolende, zur Kolende.
Weißes Brot, dazu auch Butter,
Laß Tische decken, die Teller waschen;
Laß geben gute Mahlzeit, guter Herr,
Zur Kolende, zur Kolende.
Eine Entensuppe, ein Stück Rindfleisch,
Einen Gänsebraten, einen Hasen
Und etwas dazu wollen wir gern essen...
Wir werden uns auch am Biere laben,
Laß uns nicht hungern, gieb ein Stück Speck,
Und damit wir frohen Mutes bleiben, einen Dukaten ...
Oder einen harten Thaler, Du bist ein guter Herr.
Gieb alte Stiefeln oder ein Paar neue;
Schenk einen alten Rock und einen Groschen zur Pfarre...

So geht die Bettelei noch durch sieben Strophen weiter.
Ähnliche derbe und kuriose Lieder waren in Oberschlesien mehr üblich, sind aber längst verschwunden, weil der Neujahrsumgang (Kolende) meist durch eine Geldabgabe abgelöst worden ist. In den katholischen Gebirgsgegenden Mittelschlesiens haben die Lieder ein weniger weltliches und bettelhaftes Gepräge, sondern gewöhnlich einen geistlichen Inhalt. Auch in protestantischen Dörfern sind solche Lieder üblich. So gehen in Kolbnitz bei Jauer protestantische Knaben am Nachmittage des Dreikönigstages von Haus zu Haus und singen ein Weihnachtslied, dafür erhalten sie Speisen oder Geld. (Weinhold: Weihnachtsspiele, S. 397)

Mit dem Dreikönigstage, dem Berchtentage der Alten, schließt die heilige Festzeit der "Zwölften", oder der "hilligen Tage". Noch einmal hielt Holda (Berchta) an dem ihr geweihten Tage einen Umzug ums Land, um besonders in die Haushaltungen einen prüfenden Blick zu werfen und sie zu segnen, wie noch jetzt der Geistliche beim Neujahrsumgange Haus, Hof und seine Bewohner segnet. Der Neujahrsumgang und der Umzug der hl. drei Könige können daher mit Recht als die christianisierte Form des altheidnischen Festes angesehen werden, welches der Beschützerin des Hauswesens, der Berchta, galt. Da man sich die Götter im Brausen der Winterstürme einherziehend dachte, so galt es als günstiges Zeichen, wenn in der Zeit der Zwölften stürmisches Wetter vorherrschte. Dann war Frau Holda nahe und brachte für das neue Jahr reichliche Gartenfrüchte. Die Witterung der zwölf Nächte wird überhaupt genau beobachtet, denn sie ist bedeutungsvoll für die Monate des kommenden Jahres.

Albrecht Dürer: Anbetung der Könige, 1511

Jede "Übersetzung" zerstört natürlich den Reiz dieser lieblichen Mundart, aber um das Verständnis zu ermöglichen, hier einige Übertragungen:
1 Ihr Tierlein, da habt ihr den Christabend.
2 Du, was werden wir morgen machen? - Nun, wir werden einen Pferdejungen zu Grabe fahren.
3 Schwarzfleisch und Weißklöße mit Pflaumensoße (Weißklöße zur Unterscheidung von Mohnklößen)
4 Mohnklöße
5 Ihr Pferde, Ochsen, Kühe, Kälber, Ziegen, Schafe