Oswald Baer "Meiner Vaterstadt Lüben"
12 Lübener Ansichten 1905














Panorama der Stadt Lüben im Jahr 1917

Meiner Vaterstadt Lüben
Dr. Oswald Baer (1847-1937)

Die andern können's nicht begreifen.
Und ich versteh` mich selber nicht,
Daß, wie mit unsichtbaren Reifen
Im flachen Land ein stiller Streifen
Mit Sehnsucht mir das Herz umflicht.

Dort ragen Burgen nicht noch Dome,
Kein Lorbeerhain schmückt das Gefild,
Kein Schifflein schwimmt auf breitem Strome -
Und doch - als schönstes der Phantome
Erscheint mir oft das liebe Bild:

Ein Städtlein klein, mit breiten Wällen,
Darin der Gärten Kranz sich sonnt,
Dann Wiesen, wo die Börnlein quellen,
Dann Felder, wo die Ähren schwellen,
Und rings der Wald am Horizont.

Hier, wo mich Gott ins Leben schickte,
Wo Schlösser ich gebaut aus Sand,
Wo ich die sanfte Schulbank drückte,
An wilden Beeren mich erquickte,
Wo ich die erste Liebe fand;

Hier, wo mir alle Steine reden,
Geschichten meldet jeder Baum -
Hier träum` ich in der Kindheit Eden,
Nach all des Lebens Müh'n und Fehden,
Noch manchmal meiner Jugend Traum.