Paul Fiedler (1890-1957)
Hans W. L. Freudenthal














Studienrat Paul Fiedler (1890-1957)

Studienrat Paul Fiedler (1890-1957)

Paul Fiedler wurde am 13. Oktober 1890 in Weißholz, Krs. Glogau, als Sohn des ev. Pastors geboren. Er besuchte als Freischüler das Gymnasium in Bunzlau und legte dort das Abitur ab. Es folgte das Studium in Freiburg/Br., unterbrochen durch den 1. Weltkrieg. Er kämpfte als Soldat in Frankreich und Serbien, war Träger des Eisernen Kreuzes und des Kriegsverdienstkreuzes. Nach Beendigung des Studiums war er Studienreferendar und Studienassessor in Görlitz und Hirschberg. 1928 kam er als Studienrat nach Lüben. Er unterrichtete die Fächer Latein, Religion, Musik und leitete als Nachfolger von OL Zingel den Schulchor und das Schulorchester, obwohl Musik nicht zu den Fächern seiner Lehrbefähigung gehörte. Als begabter Laie meisterte er diese Aufgabe mit Bravour.

Aufgrund seiner liberalen Gesinnung hielt Paul Fiedler nach 1933 Distanz zum damaligen Regime. Neben seiner hauptberuflichen Lehrertätigkeit war er begeisterter Stenographielehrer und Leiter des städtischen Chors Lüben, mit dem er im "Goldenen Löwen" Chorkonzerte aufführte. Meines Wissens war er auch im Riesengebirgsverein an führender Stelle tätig.

Ein Lehrer ohne Spitznamen ist kaum denkbar. Paul Fiedler hatte gleich deren drei: Spießer, Collegio und Fifi. Sein Humor reichte aus, sie gelassen hinzunehmen. Die Familie wurde in den Wirren des Zusammenbruchs und der Flucht auseinandergerissen. Sie fand erst im Herbst 1945 in Görlitz wieder zusammen. Sohn Hans-Freimut war von einem Fronteinsatz bei Sagan nicht mehr zurückgekehrt. Außer ihm hatte das Ehepaar Fiedler noch die Töchter Hannelore und Dorothea sowie den Sohn Theodor.

Nach einem Zwangseinsatz bei Demontagearbeiten konnte Paul Fiedler, der als Gegner des Naziregimes nicht belastet war, im Oktober 1945 in den Schuldienst zurückkehren. Er war am Wiederaufbau des Schulwesens maßgeblich beteiligt und gab als Studienrat am Gymnasium Augustum Latein, Religion, Griechisch, Erdkunde und Musik. Daneben baute er ein Schulorchester auf und arrangierte mit den Chören der Görlitzer höheren Schulen Konzerte in der Görlitzer Stadthalle. Aus den Resten der verschiedenen Schulbibliotheken baute er eine neue Schulbücherei auf und setzte auch die geliebte Tätigkeit als Stenographielehrer fort.

Politisch engagierte er sich in der CDU der DDR. Damit war er wohl ein Dorn im Auge der neuen Machthaber. Im Frühjahr 1953 wurde er als Anhänger bürgerlicher Ideologien der politischen Unzuverlässigkeit bezichtigt und aus dem Schuldienst entlassen. Das muß wohl die bitterste Enttäuschung dieses aufrechten Demokraten und Idealisten gewesen sein. Erst nach den Ereignissen des 17. Juni 1953 wurde er voll rehabilitiert und durfte seine Lehrtätigkeit fortsetzen.

Noch vier Lebensjahre waren ihm danach vergönnt, in denen er etwas freier leben und arbeiten konnte. Mitten aus dem Leben und der Arbeit heraus riß ihn am 1. Juni 1957 ein Herzinfarkt. Der von den Strapazen des Krieges und der harten Nachkriegszeit, geschwächte Körper war wohl der ständigen Überforderung nicht mehr gewachsen. Seine Ehefrau verstarb am 1. April 1986 im 93. Lebensjahr.

Quelle: Hans-Werner Jänsch, Das Städtische Gymnasium in Lüben/Schles., 1988, S. 54 f.