Erinnerungen an Käte Mummert (1905-1989)
Arzt Dr. Opitz














Mein in den USA lebender Freund Michael Riedel, dessen Mutter in Lüben eng befreundet war mit meiner Mutter, sandte mir die Lebensgeschichte und einige Fotos der Lübenerin Käte Mummert, die ich gern hier bekanntgebe.
Leider ist der Autor der Erinnerungen unbekannt. Die Fakten sind jedoch so präzise, dass kein Zweifel an ihrem Wahrheitsgehalt besteht.

Schon die Überschrift des Artikels macht neugierig:
"Käte Mummert verlässt Südwestafrika (S.W.A., heute Namibia)!

Dieses Foto erhielt Michael Riedels Mutter Käthe geb. John Ostern 1953 von Ihrem Onkel, dem Lübener Fleischermeister Max John. Es zeigt die Kinder der weit verzweigten John-Familie. Damit kein Name vergessen wird, hat Käthe die Namen aufgeschrieben. Ihr Sohn Michael wollte sicher gehen, dass die Schrift später noch gelesen werden kann... Deshalb erscheinen alle Namen zweifach: Zuerst die 6 Mummert-Kinder Käte, Lene, Else, Herbert, Fritz und Rudi. Es folgen die John-Kinder 7-11: Willy, Fritz, Gotthard, Alfred, Käte und Gerhard. Wichtig auch der Vermerk, dass das "photo taken probably 1918 in Lüben".

Wenn das Jahrzehnt von 1930 bis 1940 die ruhigste und beschaulichste Zeit in der Geschichte des Deutschen Schulvereins in Südwestafrika (der damaligen "Deutschen Oberschule" und ihrer Heime gewesen ist), so brachte der Zweite Weltkrieg von 1939 bis 1945 um so stärkere Erschütterungen und Umwandlungen mit sich. Viele Jahre mussten vergehen und viele Mühen und Anstrengungen aufgewendet werden, um das spätere Gesicht von Schulverein, Schule und ihrer Heime zu formen.

Bereits im Jahre 1939, gleich nach Ausbruch des Krieges, wurde der damalige Leiter der Schule, Professor Robert Suhr, im Internierungslager "Am Funkturm" in Windhoek festgesetzt. Und im Juni 1940 wurde der größte Teil der männlichen Lehrkräfte interniert, und sie wanderten mit der Belegschaft des aufgelösten Lagers "Am Funkturm" in das Internierungslager Andalusia bei Border in der Nähe des Vaaldammes in Südafrika.

Das "Deutsche Abitur" wurde abgeschafft und ersetzt durch das "Matrik" (=Abitur) noch in deutscher Sprache - als einziger Abschlussprüfung. Die Klassenbezeichnungen wurden geändert und das südafrikanische Zählersystem Sub A und B und Standards I bis X eingeführt. Folgerichtig war damit auch die Umbenennung der Schule in "Höhere Privatschule Windhoek".

Der Mangel an Lehrkräften drohte die Aufrechterhaltung der Privatschule zum Erliegen zu bringen. Die damalige Leiterin der Schule, Fräulein Dr. Franziska Herrmann, der die Zeitumstände eine ungeheure Verantwortung aufbürdeten, versuchte alles, um Lehrkräfte für die Schule zu gewinnen und schöpfte bei diesen Bemühungen das Reservoir, das durch die seinerzeit vielfach beschäftigten Farmlehrerinnen gebildet wurde, aus. Unter anderen kam so auch Fräulein Käte Mummert an die Deutsche Höhere Privatschule Windhoek (DHPS).

Käte Mummert erblickte am 20. Mai 1905 in Lüben (Niederschlesien) als zweite Tochter des damaligen Sergeanten und Quartiermeisters der 2. Eskadron des Dragonerregimentes von Bredow in Lüben, Karl Mummert, und seiner Ehefrau, Auguste Maria Anna geborene John, ebenfalls aus Lüben stammend, das Licht der Welt.

Nach vollendeter zwölfjähriger Dienstzeit trat Vater Mummert als Zollbeamter in den preußischen Beamtendienst und war nacheinander tätig in Bobischau (Kreis Habelschwerdt), dann in Schmiedeberg im Riesengebirge und zuletzt in Hirschberg im Riesengebirge.

Obwohl die Kindheit Käte Mummerts durch ein schweres Asthmaleiden überschattet war, weckten diese Jahre frohe und heitere Erinnerungen. Die sechs Geschwister - drei Schwestern und drei jüngere Brüder - verlebten eine glückliche und sorgenfreie Kindheit, vor allem umsorgt von der stets frohgelaunten und humorvollen Mutter.

Drei Schwestern der sechs Geschwister überlebten die Zeiten - der jüngere Bruder fiel im Zweiten Weltkrieg, der älteste verstarb an einer Lungenentzündung im Jahre 1928, und der mittlere Bruder erlag 1952 einem schweren Magenleiden als Folgeerscheinung der Strapazen an der Ostfront.

Im Weltkrieg 1914-1918 stand der Vater Mummert vom ersten Tage an bis zum bitteren Ende als Soldat im Felde - die tapfere und auch resolute Mutter musste die Kinder alleine umsorgen und musste auch die große Hungersnot, an sich Käte Mummert mit Schrecken erinnerte, mit ihren sechs Kindern durchstehen. Ihr niemals versagender Humor, ihre Fröhlichkeit und innere Festigkeit meisterten diese harten Jahre.

Im Jahre 1945, während der Besetzung Hirschbergs durch die Russen, lebte die Familie Mummert in dieser Stadt. Tragisch das Ende - der Vater wurde im Jahre 1945 durch die Russen zu einem Verhör abgeholt und kehrte von diesem Wege niemals wieder zurück. Erst am Ende des Jahres 1952 erfuhr die Mutter Mummert über den Suchdienst des Roten Kreuzes durch einen ehemaligen Hirschberger Baumeister, der mit Vater Mummert im G.P.U.-Lager eingesperrt gewesen war, dass Karl Mummert bereits am 27. Oktober 1945 im Lager Tost in Oberschlesien verstorben war. Eines der ungezählten Schicksale der so niederdrückenden und gewalttätigen Nachkriegszeit.

Käte Mummert besuchte als Schulanfängerin die Volksschule in Schmiedeberg/Riesengebirge und anschließend im gleichen Orte die "Höhere Töchterschule". Nach dem Kriege und der Umsiedlung nach Hirschberg wurde Käte Mummert in die Quinta und Quarta des dortigen Lyzeums eingeschult und wechselte dann in die Untertertia der Hirschberger Studienanstalt (Mädchenschule) über. Im Jahre 1926 wurde nach Abschluss der Oberprima legte sie an dieser Anstalt das Abitur (Reifeprufung) ab.

Das besondere Interesse Käte Mummerts galt der französischen Sprache und ihre Liebe zu dieser Sprache bewog sie, das Fach "Neue Sprachen" (Französisch und Englisch) als Hauptfach und Geschichte als Nebenfach für ihr Studium zu wählen.

Im buntem Wechsel folgen nun im Laufe der Jahre die verschiedenen Universitatsstädte. Die ersten beiden Semester absolvierte sie an der schlesischen Landesuniversität Breslau, dann wechselte die junge Studentin die Universität - es zog sie an die Universitat Wien. Nach zwei dortigen Semestern studierte sie ein Semester in Berlin und ein weiteres Semester in Paris an der Sorbonne. Zum Abschluss der Studien kehrte die Kandidatin nach Breslau zurück und legte dort im Jahre 1932 erfolgreich die Prüfung für das "Lehramt an Höheren Schulen" ab. Die Referendarjahre verlebte Käte Mummert in Görlitz (damals Schlesien) am Realgymnasium für Jungen (1933) und in Hirschberg an der dortigen Studienanstalt, ihrer alten Schule (1934/1935).

Die politische Entwicklung in Deutschland und ihr stark ausgeprägter Freiheitsdrang ließen mehr und mehr die Absicht reifen, ins Ausland zu gehen und sich dort zu betätigen, gegebenenfalls das eigene Leben in der Ferne aufzubauen. Durch die Vermittlung des damaligen "Frauenbundes der deutschen Kolonial-Gesellschaft, Windhoek, S.W.A." bekam Käte Mummert eine Stelle als Lehrerin auf der Farm "Okawikenga" - Post Okahandja - bei der Familie Arthur Stroetker. Die ersten Unterschriften unter dem damals gültigen Vertrag zeigen die Daten: 4. November 1935 in Okawikenga; 27. Dezember 1935 in Hirschberg, Hindenburgstraße 52 und weiter, Berlin W. 35, Magdeburgstraße 4 - Frauenbund der deutschen Kolonialgesellschaft - am 4. Januar 1936.

Mit £ 5 monatlichem Gehalt und freier Verpflegung, Unterkunft und Wäsche waren die materiellen Voraussetzungen für den Aufenthalt in der neuen Wahlheimat Südwestafrika gesichert. Im Januar 1936 trat sie in Hamburg die Ausreise mit dem Woermann-Dampfer "Tanganjika" an. Etwas wehmütig und bedrückt nahm sie Abschied von der sich immer weiter entfernenden deutschen Küste - nicht ahnend, welchem Schicksal sie entgegenreiste. Nach anfänglicher Seekrankheit - sicherlich auch bedingt durch den Abschied von der Familie und der Heimat - wurde die Reise ein echter Genuss. An Bord der "Tanganjika" lernte Käte Mummert unter anderen Maria Hessenberg, die von einem Urlaub wieder nach S.W.A. zurückkehrte, kennen. Aus dieser "Bordbekanntschaft" entwickelte sich eine echte und feste Freundschaft, die erst durch den Tod Maria Hessenbergs (ehemalige Lehrerin an der (Deutschen Höheren Privatschule Windhoek) im Jahre 1974, am 28. Februar, endete. Die ersten Fäden zur "Deutschen Oberschule" in Windhoek wurden schon während der Ausreise nach Südwestafrika auf dem "Sonnendeck" der "Tanganjika" gesponnen. Die Seereise währte viele Wochen - viele Häfen der Westküste wurden angelaufen und der längere Aufenthalt an den einzelnen Orten, die vielen angebotenen Ausflüge an Land und die Erfahrungen "alter Afrikaner" (hier: ehemaliger Lehrer in Südwestafrika) boten die Möglichkeit, sich ein anschauliches Bild des damaligen Afrikas zu verschaffen.

Am 8. Februar 1936 landete die "Tanganjika" in der nebligen "Walfischbucht" - hier und da schossen die Fontänen der Wale in die Höhe und in der Ferne leuchteten die Dünen - und dann wurde ein unbekanntes Land erstmalig betreten und plötzlich tauchte die bange Frage auf: "Was wird mir die Zukunft bringen?" Nach einer Übernachtung in Swakopmund ratterte der Zug in das Land - durch die Namib, die wie eine Mondlandschaft anmutete, bis Okahandja, dem ersten Ziele der jungen Lehrerin Käte Mummert. Hier empfingen sie die Familie Stroetker und fragende Kinderaugen - Werner, 8 Jahre alt, und Helga, 6 Jahre alt - musterten den Neuankommling kritisch. Fur die folgenden drei Jahre wurde die Farm Okawikenga ihr Zuhause.

Im Juli 1937 wurde eine Safari zum Okawango das große und tief beeindruckende Erlebnis. Mit der Schmalspurbahn fuhren die Damen Mummert, Hessenberg und Dr. Herrmann nach Grootfontein und wurden dort von dem Safarileiter, einem Kaufmann Pitkowski, der auch gleichzeitig für die nächsten Wochen der Fahrer und Betreuer wurde, in Empfang genommen und mit einem großen, offenen Lastwagen - einer "Lorry" - begann die Fahrt durch ein damals fast unberührtes Land. Bis auf diese Fahrt boten sich nur wenig Gelegenheiten, das Land und seine Menschen näher kennenzulernen. Und so griff Käte Mummert nur allzu gerne zu, als ihr - wiederum durch die Vermittlung von Maria Hessenberg - eine Farmlehrerinstelle auf der Farm Gauchas (südlich Rehoboth, Post Kalkrand) angeboten wurde. Der Wechsel vollzog sich ohne Schwierigkeiten, da die bisherigen Zöglinge, Werner und Helga, ab 1939 die "Deutsche Oberschule" in Windhoek besuchten.

Im Januar 1939 wurde Gauchas das neue Betätigungsfeld von Käte Mummert - ein kleines Mädchen hing nunmehr an den Lippen der geschätzten Lehrerin. Somit blieb Zeit genug, sich mit vielen Dingen des Landes und den Problemen seiner Menschen vertraut zu machen - noch dazu da auf Farm Gauchas ein sehr reges gesellschaftliches Leben herrschte, und viele Menschen dort aus- und eingingen. Vielseitige Gespräche vermittelten Ansichten und Anschauungen, die bisher fremd und auch oft ungewöhnlich waren, für Käte Mummert die Quelle eifriger Studien und unschätzbare Bereicherung ihrer Kenntnisse von Land und Leuten.

Dann brach im Jahre 1939 der zweite Weltkrieg aus, und damit waren alle Verbindungen zur Familie und der alten Heimat unterbrochen, und die Zukunft lag ungewisser denn je vor den Menschen. Das Schicksal der Angeh6rigen blieb zunächst völlig ungewiss, bis aus dem "neutralen Ausland" - Portugal - flüchtige und stark zensierte Nachrichten von der jüngsten Schwester kamen. Diese war seit dem Jahre 1937 in Lissabon am deutschen Krankenheim des "Deutschen Roten Kreuzes" als Pflegerin tätig und konnte erst im Jahre 1952 nach Deutschland zurückkehren. Der Krieg und seine Wirren streckten auch seine Fänge nach Käte Mummert aus. Abermals durch die Vermittlung von Maria Hessenberg und mit unverzüglich gegebener Einwilligung von Frau Lütgens, trat Käte Mummert am 15. Juli 1940 ihren Dienst an der H.P.S. - sie hieß zu diesem Zeitpunkt noch "Deutsche Oberschule" - an.

Mit Käte Mummert, die seinerzeit ein monatliches Gehalt von £ 17.10 - (später, nach drei Jahren, wurde des Gehalt auf £ 26.00 + £1.10 Teuerungszulage festgesetzt) empfing, nahmen Frau Redecker, Frau Marris und Fräulein Gassner als Biologin ihre Tätigkeit an der "Deutschen Oberschule" auf. Ein halbes Jahr später gesellte sich Frau Hösch dem Kollegium zu. Die Zusammenarbeit in diesem Kollegium, sicherlich auch bedingt durch die harten Anforderungen der Kriegs- und Notzeit, war vorbildlich. Jede der Lehrkräfte, aber auch ebenso Eltern und Schüler, waren darauf bedacht, die deutsche Schule zu erhalten und über alle Fährnisse hinwegzusteuern. Das Gehalt war zu dieser Zeit einheitlich - und häufig genug wurde auf einen Teil des Gehaltes verzichtet - niemand knurrte und murrte über Mehrarbeit und zusätzlichen Einsatz in den Heimen oder auch sonstwo. Notwendigkeiten zeichneten sich ab, Improvisationen wurden alltäglich gefordert, jeder griff zu und erledigte alles das selbstverständlich, was die Umstände erheischten. Ein kameradschaftlicheres und verständnisvolleres Zusammenwirken als zu dieser Zeit hat es wohl kaum jemals wieder an dieser Schule gegeben.

Alle Schulangelegenheiten wurden durch den damaligen 1. Vorsitzenden Georg Teichert in engster Zusammenarbeit mit Fräulein Dr. Herrmann erledigt. Im Vorstand wirkten weitere Damen mit Frau Frieda Voigts, Frau Emmy Schmidt, Frau M. von Mallinckrodt, Frau C. Drinkuth und andere), um den Vorsitzenden zu entlasten - immerhin war Georg Teichert zu starker Rücksichtnahme auf seine Stellung bei der Windhoeker Stadtverwaltung gezwungen. Ein Meisterstück war die Beschaffung der notwendigen Gelder in den Kriegs- und ersten Nachkriegsjahren. Die Administration stellte ihre bisher gewahrten Subsidien ein - die Deutschen galten als "feindliche Untertanen" - die Unterstützungen aus Deutschland waren in Wegfall gekommen, Hilfe konnte nur aus dem Inland kommen. Was in den Jahren von der deutschen Bevölkerung an Geldern gestiftet wurde, das ist wohl einmalig in der Geschichte dieser Schule. Leute, die keine Kinder an der Schule hatten, stifteten namhafte Beträge; Farmerfrauen, deren Männer interniert waren, halfen immer und immer wieder und selbst die nicht mit materiellen Gütern gesegneten Menschen trugen ihr Scherflein bei - allein zu dem Zwecke, die deutsche Schule am Leben zu erhalten und in bessere Zeiten hinüberzuretten. Ohne diesen selbstlosen Einsatz gäbe es die heutige "Deutsche Höhere Privatschule Windhoek" nicht. Und gleiche Einsatzbereitschaft zeigte die gesamte Schülerschaft - es ging um Ideale, an denen die Herzen hingen und die alle einigten.

Die Unterrichtsfächer von Käte Mummert waren im Jahre 1940 Englisch und Geschichte - das geliebte "Französisch" entfiel. Am Ende des Jahres erlebte Käte Mummert das letzte Abitur an der Schule - ja, sie mußte sogar in Latein (von dem sie - so ihre eigenen Worte - damals so gut wie keine Ahnung hatte) das Prokoll führen und "schwitzen" nicht nur wegen der Novemberhitze, sondern auch aus regelrechter Angst. Und dann kam die Fächerverteilung für das Jahr 1941 - ein Lateinlehrer war nicht zu finden, also:erteilte Fräulein Mummert den Lateinunterricht! Dr. Franziska Herrmann meinte, daß Käte Mummert doch ihre Schulkenntnisse auffrischen und sich für die neue Aufgabe vorbereiten solle. Und so fuhr Käte Mummert in den Weihnachtsferien auf die neue Lutgens'sche Farm M'Bela bei Uhlenhorst und "büffelte" dort - vormittags drei Stunden und nachmittags wiederum zwei bis drei Stunden - die Grammatik und übersetzte brav den Caesar. Weitere Wochen, die noch in Swakopmund verlebt wurden, ergötzten die Gäste mit der "paukenden" Lehrerin - am Strand, im Wohnzimmer, ja sicherlich sogar bei Tisch, immer nur ein Gemurmel - pater peccavi!

In der Schule aber wartete mit Beginn des Schuljahres die Matrikklasse auf ihre neue Lateinlehrerin - für diese war das Matrik ein völlig unbekanntes Examen. Und wie sollte das enden? Käte Mummert sagte ganz offen: "Das Fach habe ich nicht studiert; ich habe mich zwar die ganzen Ferien über vorbereitet, aber es kann durchaus sein, dass ich das eine oder andere nicht weiß, und dass ich, um auf Ihre eventuellen Fragen Antwort geben zu können, erst zu Hause nachschauen muss!" Da ertönte aus den hinteren Bankreihen die Stimme von Hans Selzer:" Das kann ja heiter werden!" Und Käte Mummert antwortete schlagfertig: "Das hoffe ich auch, denn ich habe viel für Heiterkeit übrig!" Diese innere Gefasstheit, der Humor, das aus dem Herzen kommende Lächeln und die unbedingte Wahrhaftigkeit schufen den Kontakt zu den Schülern, und deren Zuneigung zu ihrer Lehrerin ist geblieben, weit über die eigentliche Schulzeit hinaus. Die echte und überzeugte Pädagogin Käte Mummert liebte die ihr anvertraute Jugend, und diese zahlte mit Anerkennung und Respekt!

Bis zum Ende des Krieges 1939/1945 durften an der H.P.S. sämtliche Matrikfächer in deutscher Sprache geschrieben werden - die Prüfungspapiere wurden in Pretoria speziell in die deutsche Sprache übersetzt - aber mit Beginn des Jahres 1946, wurde eine radikale Änderung verfügt. Alle Fächer mussten ab sofort entweder in Englisch oder Afrikaans geschrieben werden. Die erste Matrikklasse, die von dieser Verfügung betroffen wurde, war die zahlenmäßig kleinste, die wohl je an der H.P.S. vorbereitet worden war. Fünf Kandidaten - aber was haben diese fünf geschuftet, denn der bereits auf "Deutsch" behandelte Stoff musste in zusätzlicher Arbeit - nachmittags und in den Abendstunden in der Fremdsprache nochmals wiederholt werden. Aber sie schafften es alle tatsächlich! Fleiß und Einsatzbereitschaft von Lehrern und Schülern und dazu der unbändige Wille "wir schaffen das nun erst recht!" - wurden mit Ergebnissen der I. und II. Klasse belohnt. Auf Ulrichs großer Veranda - Hilde Ulrich war eine der fünf Kandidaten - wurde dann auch entsprechend ausgiebig gefeiert.

Die schweren und oft auch recht bösen Jahre während des Krieges und die Zeiten danach legten den Grund im Verhältnis "Lehrer und Schüler". "Man hatte die Schüler so ganz und gar für sich - es gab überhaupt nichts nebenher - weder Sport noch irgendwelche Arbeitsgemeinschaften - und man wurde erfinderisch im Anregen der jungen Menschen, denn das braucht die Jugend! Ich selber war durch das Fach Religion, das ja Pflichtfach war, als Lehrer für dieses Fach zu einem weiteren Selbststudium gezwungen. Dieser Unterricht bot mir ein weiteres Feld zu Diskussionen mit den Schülern der Oberstufe, und ich merkte immer wieder in diesen Jahren, wie sehr wir Lehrer nicht nur "geben", sondern auch vielfach "nehmen". Aber auch in späteren Jahren blieb das Verhältnis zu den Südwester Kindern ungetrübt - ich schätze vor allem ihre Offenheit und Gradheit. Später erst lernte ich die hiesige Jugend auf Ausflügen kennen und war immer wieder überrascht, wie großartig sie im Organisieren und im Zupacken war" - das sind die Worte Käte Mummerts auf die Frage, wie sie ihr Verhältnis zu ihren Schülern beurteilt. Und das gute Verhältnis zu den Schülern blieb auch über die Schuljahre hinaus bestehen. "Das mag wohl an dem privaten Charakter" unseres wenig bevölkerten Landes liegen, jedenfalls ist ein Wiedersehen immer eine Freude - und auch gerade jetzt, nach meiner im Jahre 1976 gelungenen Augenoperation - das Augenleiden hat mich viele Jahre hindurch gequält und verunsichert - habe ich so viele Beweise der Mitfreude erlebt, dass ich immer nur dankbar sein kann!" So berichtet Käte Mummert in der gemütlichen Wohnstube in ihrem Heim in der Bismarckstraße 14. Ganz besonders hervorgehoben wird die jahrelange Rücksichtsnahme ihrer Schüler, vor allem ihrer "Lateiner", die ihre Arbeiten in Großschrift verfassten, um der Lehrerin das Lesen zu erleichtern.

Im Kollegium war die Stellung Käte Mummerts souverän - sie wurde und wird auch noch heute als eine hervorragende Persönlichkeit anerkannt. Ein ausgedehnter Briefwechsel hält die Beziehungen zu so vielen, die längst wieder nach Deutschland zurückkehrten, aufrecht. Immer und immer wieder ist das Mummert'sche Heim Treffpunkt, und Erinnerungen werden ausgetauscht und so mancher sucht auch Rat und Trost. Käte Mummert schätzte eine fordernde Zusammenarbeit und fühlte sich besonders in ihrem Element, wenn der jeweilige Leiter der Schule - und sie erlebte deren viele und lernte die verschiedensten Charaktere und Auffassungen kennen - seinen Lehrkräften die eigene Verantwortung überließ. Sie selbst war stets vorwärtsstrebend und ein belebendes Element im Kollegium und in der gesamten Schule - das freundliche Lächeln für erhaltene Hilfe war mehr, als jeder Dank es hätte zum Ausdruck bringen können.

Zum ersten Male reiste Käte Mummert im Jahre 1950 über Kapstadt mit einem Castle-Liner nach Southampton und dann weiter über London - Harwich - Hoek van Holland nach Hannover. Die Mutter lebte mit Käte Mummerts ältester Schwester seit der Ausweisung aus Hirschberg durch die Polen im Jahre 1964 - Mutter und Tochter mussten innerhalb von 12 Stunden ihre Wohnung räumen und durften nur so viel Gepäck mitnehmen, wie sie tragen konnten und das war nicht viel - in Hannover.

Es war ein trauriges und schmerzliches Wiedersehen nach so vielen Jahren der Trennung mit Deutschland - die alte, angestammte Heimat verloren, die Angehörigen mittellos und betroffen vom Los der Tausenden und Abertausenden von Flüchtlingen und alle die Dinge, an denen die Erinnerungen und das Herz hingen, verstreut und verweht für immer. Und noch immer die Familie in Not - die Schwester versichert noch heute, dass ihre Mutter und sie die Flucht und die Notzeiten kaum hätten überstehen können, wenn nicht die vielen Pakete aus Südwestafrika gekommen wären. Und viele, viele Südwester gaben und spendeten und waren voller Hilfsbereitschaft. Und so wurde nach all den seelischen Belastungen und vielen persönlichen Enttäuschungen die Rückkehr nach Südwestafrika eine echte Rückkehr in die Heimat, in die Geborgenheit des Zuhause.

Im Jahre 1956 folgte der erste "wirkliche" Deutschlandurlaub und brachte neben vielen anderen frohen Erlebnissen das Wiedersehen mit der jüngeren Schwester. In dieser Urlaubszeit, in der viel gereist wurde - so meint Käte Mummert - lernte sie eigentlich erst Deutschland richtig kennen, und sie genoss in vollen Zügen diese Wochen. Der Abschied fiel nach allem Erlebten und Geschauten schwer. Dann gab es den dritten Urlaub vom 27. Juni 1962 bis zum 10. Oktober 1962 - erstmalig wurde das Flugzeug bestiegen, und das führte die Urlauberin über Salisbury, Nairobi nach Athen und weiter über Rom in die Heimat Deutschland. Als Reisegefährtin gesellte sich Frau Gabriele Wagner, langjährige Biologielehrerin an der H.P.S., während des Hin- und Rückfluges Käte Mummert zu. Drei Tage verbrachten die beiden Damen in Athen und wanderten auf den Spuren der alten Griechen, und daran schloss sich ein fünftägiger Aufenthalt in Rom an. Und dieser Rombesuch war wohl eines der stärksten und eindruckvollsten Erlebnisse für Käte Mummert. So viel und so eingehend hatte sie ihren Schülern von den alten Römern, von Rom, von der Via Appia, dem Forum Romanum und dem Kolosseum erzählt - jetzt sah sie die Stätten, jetzt wanderte Käte Mummert die Via Appia entlang und berührte ehrfurchtsvoll die Mauern und Steine des Kolosseums. Wirklichkeit ist geworden, was bisher nur Erzählungen und Vorstellungen waren. Und die Tempel weckten Ehrfurcht vor der Vergangenheit.

Im Jahre 1974 - nach 34-jährigem rastlosen Einsatz für die "Deutsche Höhere Privatschule Windhoek" und für die Jugend dieses Landes Südwestafrika - legte Käte Mummert die Arbeit aus ihren Händen und trat in den wohlverdienten Ruhestand. Nur ein letztes Examensjahr noch führte sie ihre Schüler durch das Fach Latein - durch das Fach, in dem sie durch Selbststudium zum Meister wurde und mit dem sie innig verwachsen und verbunden war. Mit Käte Mummert schied eine echte und wahrhaftige Pädagogin aus den Diensten des "Deutschen Schulvereins Windhoek (1949)" - ihr Wille, ihr Wirken und Können, die stets gezeigte Einsatzfreudigkeit, ihre nie versagende Liebe zur Jugend, vor allem aber ihre Aufrichtigkeit und Gradheit beseelte die vielen Jahre hindurch Schule und Schülergenerationen.

Und nun wird Käte Mummert Abschied nehmen von dem Lande, dem ihr Herz gehört, das ihr Heimat und Zuhause zugleich wurde, für dessen Jugend sie strebte, und zurückkehren in das alte Vaterland Deutschland, um dort mit ihren Schwestern vereint, ihren Lebensabend zu verbringen. Es ist wohl auch ein wenig die Angst, hierzulande zu vereinsamen und ohne Aufgabe, die aufbauend ist, allein leben zu müssen und womöglich zu verkümmern. Fräulein Käte Mummert wird sich in Hannover niederlassen und wird dort die Vielfältigkeiten der schönen Landeshauptstadt von Niedersachsen genießen können. Ihr Herz aber wird wohl für immer in Südwestafrika verankert bleiben. Mögen gute und sorgenfreie Jahre Fräulein Käte Mummert beschieden sein - mögen sich ihre Hoffnungen und Wünsche weitgehend erfüllen. Ihr Name aber wird unlösbar mit der Geschichte der "Deutschen Höheren Privatschule Windhoek" verbunden bleiben, und ihre alten Schüler werden sie niemals vergessen.

"Der Abschied wird schwer sein, denn man reißt so tiefe Wurzeln, wie ich sie hier geschlagen habe, nur unter größter Anstrengung heraus, und ein Teil meines Herzens wird immer in diesem Lande bleiben und vor allem bei den Menschen, den vielen, die jahre- und jahrzehntelang mit mir den Weg gegangen sind. Ein ganz tiefer Dank an alle, die mir selbstlos geholfen haben und mir Südwest zur Heimat machten. Möge Gott unser Südwest beschützen!"

20. Mai 1977
(Käte Mummert verstarb am 8.5.1989 in Hannover)
WoW (Leider ist der Autor unbekannt. Bis jetzt! Kann jemand helfen?)